Oksana Müller berät eine Familie aus der Slowakei. Foto: Philipp Weingand

Die Beratungsstelle Kompass der Evangelischen Kirche Stuttgart bietet Hilfe für Ratsuchende – ganz gleich, welcher Religionsie sind oder welches Anliegen sie haben.

S-Mitte - Von außen sieht das Gebäude gegenüber der Hospitalkirche wenig gastlich aus: Ein Zweckbau aus grauem Beton. Doch innen im Erdgeschoss verbirgt sich ein Ort zum Wohlfühlen, geschaffen vom Team der Beratungsstelle Kompass. Wandfluter sorgen für warmes Licht, rote Tulpen passen zu den bequem gepolsterten Sitzmöbeln. Es gibt einen Esstisch, ein kleines Besprechungszimmer, eine Küche und ein gut gefülltes Bücherregal.

In dieser freundlichen Umgebung arbeitet Oksana Müller. Sie sitzt mit drei Slowaken am Tisch. Die kleine Familie – Vater, Mutter, Tochter – ist vor ein paar Monaten nach Deutschland gekommen. Die Tochter hat ihren Arbeitsplatz verloren, die einzige Einkommensquelle der Familie. „Wir wollen kein Geld“, sagt sie, „wir wollen Arbeit.“ Eine Arbeit kann freilich auch Oksana Müller nicht beschaffen. Doch die 33-jährige hat Tipps für die Behördengänge und kann helfen, Formulare auszufüllen.

Beratungsstelle hat verschiedene Zielgruppen

Geschichten wie die der slowakischen Familie erlebt das Team von Kompass täglich. Anders als beispielsweise die Jugendhilfe oder das Frauenhaus richtet sich die Beratungsstelle Kompass nicht nur an eine einzelne Zielgruppe, sondern ist breit aufgestellt. „Gerade diese Vielfalt macht den Job besonders interessant“, sagt Müller. Sie stammt aus Sibirien, dies kommt ihr im Gespräch mit Osteuropäern oft zugute. „Es ist nicht nur die Sprache“, sagte sie, „sondern auch die Mentalität. Die Leute fühlen sich dann besonders gut aufgehoben.“

In der Beratungsstelle Kompass soll jeder Hilfe erhalten. Manche kommen nur, um zu reden oder einen Kaffee zu trinken, andere blicken im Behördendschungel nicht durch und werden an die passende Stelle verwiesen. Manche werden sogar zum Termin auf das Amt begleitet.

Die Glaubensrichtung spielt keine Rolle

Das Team von Kompass gibt außerdem Ratschläge, wenn es etwa um berufliche Entscheidungen geht. Obwohl die Beratungsstelle der Evangelischen Kirche Stuttgart untersteht, kommen auch Hilfesuchende, die einen andere oder keine Glaubensrichtung haben. „Das ist doch ein zutiefst diakonisches Anliegen“, sagt Judith Giesel, die Leiterin von Kompass. Hilfe nur für Angehörige einer Religion anzubieten, sei ein „zutiefst unchristlicher Gedanke.“ Das Angebot wird gut angenommen, von allen Schichten der Gesellschaft. „Neulich war auch ein Bauunternehmer hier, der Eheprobleme hatte“, erinnert sich Giesel.

Hinter dem modernen Tresen in der Mitte des Raums steht Hermann Keeß und schenkt Cappuccino aus. Der Rentner und seine Frau helfen alle zwei Wochen ehrenamtlich, schon seit den Anfängen vor sechs Jahren. „Mir hat die Atmosphäre hier gleich gefallen“, sagt er. Keeß hält Ordnung, versorgt die Gäste, ist auch für Gespräche bereit. „Oft ist ein offenes Ohr schon die halbe Miete“, sagt Keeß und lächelt.

Die Menschen, denen hier geholfen wurde, kommen oft wieder. Wie die junge Frau, die im letzten Herbst zum ersten Mal hier war. „Damals hatte ich große Probleme mit den Bescheiden vom Jobcenter“, erzählt sie. Bei Kompass half man ihr, ihre Existenz erst einmal zu sichern. „Jetzt komme ich auch einfach so her, um mal ein schönes Buch zu lesen“, sagt sie. Mittlerweile ist sie Mutter geworden. Sie zeigt ihren 16 Tage alten Sohn stolz den Mitarbeiterinnen von Kompass. Denn als sie zum letzten Mal hier gewesen ist, war sie noch schwanger.

Öffnungszeiten Die Beratungsstelle Kompass hat Montag bis Donnerstag von 10.30 bis 18 Uhr und Freitag von 10.30 bis 16 Uhr geöffnet.