Trostlos: Die Hangweide ist seit Ende 2017 ungenutzt – und soll ein neues Vorzeige-Wohngebiet werden. Foto: Patricia Sigerist

Nicht nur fachliche Planer sollen bestimmen, wie die Hangweide bebaut wird. Die Gemeinde lädt deshalb zu einem Bürger-Dialog ein und will unter anderem diejenigen einbinden, die in wenigen Jahren dort leben könnten – junge Leute.

Kernen - Vor annähernd zwei Jahren hat die Diakonie Stetten ihren Standort Hangweide aufgegeben. Die Natur erobert durch Fugen und Ritzen die Wege und Plätze, der Herbstwind verteilt Blätter auf dem eingezäunten Areal. Es wird noch dauern, bis die Hangweide wieder belebt wird. Schnell belebt werden soll aber die Entwicklung dorthin. „Wir wollen neue Wege beschreiten“, kündigt Kernens Beigeordneter und Bauamtsleiter Peter Mauch einen „Bürger-Planer-Dialog“ am Montag, 4. November, an. Dann will die Gemeindeverwaltung über den Stand der Dinge und den nahenden städtebaulichen Wettbewerb informieren. „Erster Bürger-Dialog“ ist der Abend im Bürgerhaus in Rommelshausen überschrieben.

Die Bürger sollen sich direkt einbringen können

Den bisher üblichen Weg bei der Entwicklung eines Baugebiets umreißt Peter Mauch so: Fachleute und Kommunalpolitiker formulieren einen Auslobungstext, eine Jury bewertet eingereichte Entwürfe, und am Ende steht ein Bebauungsplan. Dieses Prozedere soll bei der Hangweide anders sein, die Bürger sollen sich direkt einbringen können. Es bleibt also nicht bei der Bürgerbeteiligung, bei der im vergangenen Jahr unter anderem in Workshops Ideen erarbeitet wurden, wie aus der Hangweide, wo einst Menschen mit Behinderungen lebten, ein „sozialgemischtes, urbanes, dichtes Wohngebiet“ werden kann. Die weiterhin aktive Einbindung der Bürger ist auch „für mich was Neues“, sagt Mauch.

Am Dienstag gab es eine Vorbesprechung von vorgesehenen Preisrichtern für den städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Realisierungswettbewerb, zu denen nicht ohne Grund der Züricher Architekt Andreas Hofer zählt: Er ist Intendant der Internationalen Bauausstellung 2027 Stadt-Region Stuttgart, die Hangweide soll ein Teil davon sein und zeigen, wie Bauen und Wohnen in der Zukunft aussehen kann: „Leben im grünen Herzen der Region“ wirbt Kernen.

Ob sich junge Leute das Wohnen an der Hangweide leisten können?

Zwei Stunden sind für den ersten Bürger-Dialog vorgesehen, mit Referaten und Diskussion. „Wir wollen Zielgruppen erreichen, die sonst nicht mitmachen“, sagt Peter Mauch. Direkt angesprochen werden die Akteure der letztjährigen Bürgerbeteiligung. Die Ideen von jungen Leuten, von Menschen mit Migrationshintergrund und mit Behinderung sollen in die Planung ebenso einfließen wie die von kreativen Köpfen etwa aus der Gründerszene, wünscht sich der Beigeordnete. Junge Leute sollen schon deshalb dabei sein, weil sie eines Tages im Wohngebiet Hangweide leben könnten. Konrad Hummel, der die Bürgerbeteiligung im vorigen Jahr moderierte, suche bereits in Schulen das Gespräch mit Schülern.

Ob sich junge Leute das Wohnen an der Hangweide leisten können? Für 16,5 Millionen Euro hat die Gemeinde das Areal gekauft, beim Gesamtprojekt für einmal 1200 bis 1500 Bewohner kalkuliert Mauch mit einem Volumen von 50 Millionen. „Eine Bruttogeschossfläche von 70 000 Quadratmetern ist nötig, dass es sich rechnet.“ Im Durchschnitt müssten die Gebäude auf der 60 000 Quadratmeter großen Hangweide demnach drei- bis viergeschossig sein – davon ausgehend, dass 40 Prozent der Fläche bebaut werden. Zwischen 15 und 20 Prozent sollen „bezahlbarer Wohnraum“ werden, sprich ein Drittel günstiger sein als die ortsübliche Vergleichsmiete.

Für Januar ist ein öffentlicher Termin an der Hangweide vorgesehen

Durch die vergleichsweise kurze Planungsphase – in vier Jahren soll die Vermarktung beginnen, in acht sollen die ersten Möbelwagen anrollen – glaubt Mauch, dass die Baukosten nicht ausufern. Der Gemeinderat soll das Thema mit auf seine anstehende Klausurtagung nehmen und noch in diesem Jahr die Vorgaben für den Wettbewerb beschließen. Zwölf Architekturbüros sollen Pläne entwickeln. Für Januar ist ein öffentlicher Termin an der Hangweide vorgesehen. Gleichwohl soll der Zeitplan flexibel bleiben, wenn es nötig ist. „Interaktiv“ soll auf jeden Fall die Beteiligung der Bürger bleiben, verspricht Peter Mauch. Die gesammelten Ideen würden in den Auslobungstext des Architekturwettbewerbs einfließen. „Die Bürger haben eine beratende Funktion“, sagt er, wie die Fachleute. Letztlich entscheide der Gemeinderat, der aber die Wünsche der Bürger einbeziehen sollte, wie Mauch meint. Den Bürgern zuhören: Das erinnert an den Bürgermeisterwahlkampf. Der Bürger-Dialog trage aber nicht die Handschrift des neuen Kernener Schultes Benedikt Paulowitsch, versichert Mauch. Die Planungen dafür liefen schon länger.