Kampf gegen Kinderpornografie (Symbolbild) Foto: dpa/Arne Dedert

Fast jeder zweite Verurteilte 2022 stand bereits mindestens ein weiteres Mal in Baden-Württemberg vor Gericht. Dauerthema: Trunkenheit am Steuer. Kinderpornografische Straftaten haben am meisten zugenommen.

Von insgesamt 96.100 rechtskräftig verurteilten Menschen aus dem Jahr 2022 hatten nach Angaben des Justizministeriums vom Montag 40.600 (44,4 Prozent) schon eine oder mehrere Vorstrafen.

Wer nach dem allgemeinem Strafrecht verurteilt wurde und somit keine Jugendstrafe kassierte, ließ es meistens nicht bei einer Tat bleiben, sondern fiel häufiger auf: 10.400 Männer und Frauen hatten bei ihrer Verurteilung im Jahr 2022 bereits eine Vorstrafe (26,9 Prozent), in 5400 weiteren Fällen waren es zwei Vorverurteilungen (14 Prozent). Weitere 13.500 Menschen standen mit drei bis acht Vorstrafen in den Akten (34,9 Prozent) und bei 9300 lagen bereits neun und mehr Vorverurteilungen vor (24,2 Prozent).

Zehntausende von Urteilen jährlich

Unterm Strich stieg die Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen nur leicht – im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent oder 275. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 96 100 Menschen in Baden-Württemberg vor Gericht schuldig gesprochen. Zehntausende Urteile pro

In den baden-württembergischen Gerichten werden Zehntausende von Urteilen gesprochen. Es hagelt Haftstrafen, Geldstrafen und auch Freisprüche. Richter und Staatsanwälte sind im Prozess-Stress. Das hat zur Folge, dass sich die Arbeit nicht nur staut, sondern auch weiter anwächst.

Alle fünf bis sechs Minuten fällt ein Urteil

Alle fünf bis sechs Minuten wird in Baden-Württemberg ein Mensch verurteilt – zumindest statistisch gesehen. Etwas mehr als 96.100 Mal haben Richterinnen und Richter im vergangenen Jahr „im Namen des Volkes“ entschieden und Strafen ausgesprochen gegen Diebe und Mörder, Betrüger, Fahrerflüchtige und Einbrecher. Die Statistik gleicht sich langsam den Werten aus der Zeit vor der Pandemie an. Aber manches ist auch überraschend:

Betrunken am Steuer: Es wurden 25.100 Verurteilungen wegen Taten im Straßenverkehr ausgesprochen, das entspricht mehr als jedem vierten Urteil im Jahr 2022 (26,1 Prozent, plus 8,6 Prozent). Und in fast jedem zweiten Fall (46 Prozent) war Alkohol mit im Spiel. Auffällig vor allem, dass sich viele Autofahrende durchaus bewusst gewesen sind, zu viel getrunken zu haben: Die Zahl der Fälle dieser vorsätzlichen oder fahrlässigen Trunkenheit nahm um 20,5 Prozent zu.

Dauerthema: angetrunken am Steuer

Corona:Angetrunken am Steuer oder beim Klauen erwischt - in beiden Kategorien sind die Zahlen stärker gestiegen. Das hat nach Einschätzung von Justizministerin Marion Gentges (CDU) auch direkt mit der Zeit der Pandemie zu tun haben, in der die Zahlen zurückgegangen waren. „Weil die Gaststätten, Bars und Clubs geschlossen waren, gingen die Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten insbesondere mit Trunkenheitsbezug zurück“ sagte Gentges. Und wegen der im Lockdown geschlossenen Geschäfte habe die Zahl der Verurteilungen wegen Diebstahls abgenommen. „Wo der Laden geschlossen ist, kann weniger geklaut werden“, sagte sie.

Frauen: Die Zahl der verurteilten Frauen nahm im Vergleich zum Vorjahr um 5,7 Prozent auf 17.400 zu, die der verurteilten Männer lag bei 78.700, ein leichter Rückgang. Warum das? „Frauen sind überdurchschnittlich oft vertreten bei Straßenverkehrsdelikten und Diebstahl“, sagte Gentges. Fahrerflucht gehört dazu, Ladendiebstahl auch. In diesem Bereich hält die Ministerin „eine Gegenbewegung nach einem coronabedingten Rückgang der Verurteilungen“ ebenfalls für wahrscheinlich.

Starke Zunahme von Kinderpornografie

Kinderpornografie: Kopfzerbrechen bereitete bei den Zahlen für das Jahr 2021 vor allem die steile Zunahme bei den Urteilen wegen Kinderpornografie (plus 40,1 Prozent). Auch im vergangenen Jahr nahm sie zu, allerdings nur um 5,6 Prozent. Weil das Ministerium weit mehr Hinweise auf den Besitz oder die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte bekommen habe als zuvor, sei dieser Wert verhältnismäßig gering, sagte Gentges. Sie rechnet aber wegen des Aktenstaus auch wieder mit höheren Zahlen. Die Aufklärung bis hin zur Verurteilung sei oft langwierig. Es dauere einige Zeit, beschlagnahmte Inhalte auszuwerten.

Fast jeder zweite im vergangenen Jahr Verurteilte in Baden-Württemberg hat aus früheren Fehlern wenig gelernt und stand zuvor bereits mindestens ein weiteres Mal vor Gericht. Von insgesamt 96.100 rechtskräftig verurteilten Menschen aus dem Jahr 2022 hatten 40.600 oder 44,4 Prozent schon eine oder auch mehrere Vorstrafen. Wer nach dem allgemeinem Strafrecht verurteilt wurde und somit keine Jugendstrafe kassierte, hat es meistens nicht bei einer Tat bleiben lassen, sondern ist häufiger aufgefallen: 10 400 Männer und Frauen hatten bei ihrer Verurteilung im Jahr 2022 bereits eine Vorstrafe (26,9 Prozent), bei 9300 Menschen lagen sogar bereits neun und mehr Vorverurteilungen vor (24,2 Prozent).

Jüngere Männer häufiger straffällig

Laut Strafverfolgungsstatistik wurden 54.400 Verurteilungen (minus 0,8 Prozent) gegen Deutsche und 41.700 (plus 1,8 Prozent) gegen Ausländer ausgesprochen. „Gemessen an allen Verurteilten erhöhte sich der Anteil der nichtdeutschen Verurteilten von 42,7 Prozent im Jahr 2021 auf nunmehr 43,4 Prozent“, heißt es beim Statistischen Landesamt. „Jüngere Männer sind häufiger straffällig als andere Personengruppen. Und diese Personengruppe ist auch bei den Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, besonders hoch“, erklärte Gentges dazu.

Gefängnisstrafe hat Seltenheit – zumindest im Verhältnis. Denn in vier von fünf Fällen (82,6 Prozent) mit einem rechtskräftigen Urteil wurde eine Geldstrafe verhängt. 12.200 Menschen (12,7 Prozent) wurden zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Allerdings wurde diese in rund 8500 Fällen zur Bewährung ausgesetzt. Letztlich mussten also 3700 Verurteilte (3,8 Prozent) auch tatsächlich hinter Gitter.

Unterm Strich: In Summe ist die Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen nur leicht im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent oder 275 Verurteilungen gestiegen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 96.100 Menschen in Baden-Württemberg vor Gericht schuldig gesprochen.

Zahl der nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahren steigt auf ein Drittel

War’s das? Nein, im Gegenteil. „Es handelt sich bei der Strafverfolgungsstatistik nicht um ein vollständiges Abbild der Kriminalitätslage“, betont Gentges und verweist auf ein großes Dunkelfeld, auf unaufgeklärte Fälle und auf die Aktenberge mit offenen Strafverfahren bei den Staatsanwaltschaften. Allein in Baden-Württemberg stieg die Zahl der nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren laut Deutschem Richterbund im vergangenen Jahr um fast ein Drittel (31 Prozent). Insgesamt mehr als 75.800 Fälle sind nach Angaben der Richter und des Justizministeriums noch offen, vor zwei Jahren waren es knapp 58.000.