3D-Rekonstruktion des Kopfes eines Australopithecus und Homo sapiens. Foto: Imago/Super Stock

Warum verließen vor 60 000 Jahren jene Gruppen von Homo sapiens ihre afrikanische Heimat, von denen alle heute lebenden Menschen abstammen? Der Ausbruch des Vulkans Toba auf Sumatra mehr als 10 000 Jahre vorher könnte dazu beigetragen haben.

Die ersten modernen Menschen verließen Afrika schon vor mehr als 100 000 Jahren, doch sie hinterließen kaum genetische Spuren. Jene Gruppen des Homo sapiens, deren Nachfahren sich um die Erde verbreiteten, folgten erst viel später – vor circa 60 000 Jahren.

Über die Gründe dafür wird seit Jahrzehnten spekuliert. Nun schließen Forschende aus Funden in Äthiopien, dass der Ausbruch eines Vulkans auf Sumatra im heutigen Indonesien – eine der größten bekannten Eruptionen der Erdgeschichte – dazu beigetragen haben könnte.

Auf dem Foto ist der Tobasee auf Sumatra zu sehen, der aus dem Krater der Eruption entstanden ist. Foto: Imago/Pond5 Images

Bislang gingen Paläontologen davon aus, dass der damalige Homo sapiens zum Erschließen neuer Erdregionen auf ein feuchtes Klima und grüne Korridore angewiesen war. Doch die im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass der Ausbruch des Vulkans Toba auf Sumatra vor 74 000 Jahren das Klima in der östlichen Sahelzone – und vermutlich auch in anderen Teilen Afrikas – deutlich trockener werden ließ.

Damit kamen die Menschen demnach nicht nur gut zurecht, sondern sie entwickelten möglicherweise sogar Neuerungen. Darauf deuten die vermutlich frühesten Belege für die Nutzung von Pfeil und Bogen hin.

Was besagt die Toba-Katastrophen-Theorie?

Dieser Theorie zufolge wurde die Ausbreitung des Menschen durch den gewaltigen Vulkanausbruch des Toba vor rund 74 000 Jahren stark beeinflusst. Diese 1998 von Stanley H. Ambrose, Anthropologe a der University of Illinois in Chicago, aufgestellte Theorie besagt, dass infolge der Eruption und der anschließenden Klimaveränderungen die damaligen Populationen der Gattung Homo stark reduziert wurden.

Die unter Wissenschaftlern umstrittene Toba-Katastrophen-Theorie erhebt den Anspruch, eine Erklärung für die enge genetische Verwandtschaft der gesamten heutigen Menschheit zu liefern.

Pfeilspitzen weisen Forschern den Weg

Pfeilspitzen aus der archäologischen Region „Shinfa-Metema 1“ im nordwestlichen Äthiopien. Sie werden auf rud 74 000 Jahr datiert, als der indonesische Vulkan Toba ausbrach. Foto: dpa/Blue Nile Survey Project

In der Studie stellt ein internationales Forscherteam um John Kappelman von der University of Texas in Austin Funde aus Shinfa-Metema 1 (SM1) vor.

Dabei handelt es sich um eine archäologische Freiland-Fundstätte am Oberlauf des Flusses Shinfa in der Provinz Amhara im äthiopischen Tiefland, unweit der Ortschaft Metemma an der Grenze zum Sudan. Die Fundstätte wurde im Jahr 2002 im Verlauf einer Erkundung der Nebenflüsse des Blauen Nils – zu denen der Shinfa gehört – im Tiefland von Nordwest-Äthiopien entdeckt.

In Shinfa-Metema 1 entdeckte die Gruppe auf einer Fläche von mindestens 300 Quadratmetern Tausende von symmetrisch bearbeiteten, dreieckigen Steinspitzen.

Viele davon sind am spitzen Ende abgebrochen. Das wertet das Team als Folge starker Aufpralle, die von ihrer Nutzung als Pfeilspitzen herrührten. Winzige vulkanische Glaspartikel in der Fundschicht belegen demnach, dass das Areal um die Zeit der Toba-Eruption bewohnt war.

Region wurde durch Toba-Ausbruch trockener

Die Ausgrabungsstätte „Shinfa-Metema 1“ im nordwestlichen Äthiopien Foto: dpa/John Kappelman

Nach diesem Ausbruch sei die Region deutlich trockener geworden, schließt die Gruppe unter anderem aus Sedimentuntersuchungen und aus Analysen des Zahnschmelzes von Tieren auf das Sauerstoff-Isotop 18. Dennoch konnten sich die Menschen gut versorgen, wie das Spektrum der in dem Areal gefundenen Tierreste belegt: Dazu zählen sowohl große Hornträger (Bovidae) wie etwa Antilopen als auch kleinere Tiere wie Affen, Nager, Kaninchen, Vögel, Schlangen, Eidechsen und Frösche.

Zudem stießen die Forschenden auf mehr als 200 Bruchstücke von Straußeneiern, die zum Verzehr gesammelt und erhitzt wurden. Noch bemerkenswerter ist die gefundene Vielfalt von Muschel- und Fisch-Überbleibseln – allein die Fische stammen aus acht Gattungen, darunter vor allem Raubwelse (Clarias).

Trockenheit begünstigt Jagd auf Wildtiere

Ausgrabungen in Shinfa-Metema 1, einer archäologischen Region im nordwestlichen Tiefland Äthiopiens, geben Auskunft über eine Gruppe von Menschen, die dort 14.000 Jahre nach dem Ausbruch des Vulkans Toba lebte und auszog, die Welt zu erobern. Foto: dpa/© from https://topographic-map.com

Shinfa-Metema 1 war vor etwa 74 000 Jahren bewohnt. „Kurz danach verbreitete sich eine kleine Gruppe moderner Menschen von Afrika aus, um den Rest der Welt zu besiedeln“, schreibt die Gruppe um Kappelman. Im Gegensatz zu bisherigen Vermutungen, dazu müsse es feucht gewesen sein, habe damals wohl ein ausgesprochen trockenes Klima geherrscht.

Die Menschen bewohnten die Tieflandgebiete am nordwestlichen Horn von Afrika während starker saisonaler Trockenheit und änderten als Reaktion auf die Auswirkungen der Toba-Supereruption vermutlich ihr Jagdverhalten, schreibt die Gruppe. „Angesichts dieses Umstands erscheint es unwahrscheinlich, dass eine trockene Phase ihre Ausbreitung verhindert hätte.“

Ganz im Gegenteil: „Tatsächlich könnten trockene Bedingungen eine Wanderung ausgelöst und erforderlich gemacht haben.“ Möglicherweise habe die ausgeprägte saisonale Trockenheit die Jagd auf Wildtier sogar begünstigt. Demnach konnten die damaligen Bewohner des Areals Fische leicht im flacheren Wasser oder an den wenigen verbliebenen Wasserlöchern fangen. Zudem konnten sie dort auch anderen Beutetieren auflauern, die zum Trinken kamen.

Das Verlassen von Afrika könnte entlang des Nils und nördlich am Roten Meer vorbei verlaufen sein, heißt es weiter, aber auch über die Meerenge Bab-el-Mandab am Horn von Afrika. Diese Meerenge, in der diverse Inseln liegen, ist zurzeit etwa 26 Kilometer breit und war damals möglicherweise deutlich schmäler oder lag sogar ganz trocken.