„Protect Protect metal“: Jenny Holzer hat US-Dokumente zu Bildern verarbeitet. Foto: Jenny Holzer/Sveva Costa Sanseverino

Jenny Holzer schaut uns Menschen gern aufs Maul. Aber was ist die Botschaft der Text-Arbeiten der gefeierten US-Künstlerin?

Ein Satz, der Fitnesstrainern gefallen dürfte. Man kann sich auch gut vorstellen, wie ein Motivationscoach in den Saal „Push yourself to the limit as often as you can“ brüllt. Oder stammt die Botschaft, dass man an seine Grenzen gehen soll, aus der Karrierebibel eines FDP-Politikers? Sicher ist: Vor dem geistigen Auge laufen sofort Geschichten ab und ertappt man sich, wie man eine Schublade hervorzieht, in die man einen bestimmten Typus Mensch einsortiert hat – leistungsorientiert, ehrgeizig, neoliberal. Jenny Holzer hält einem gern den Spiegel vor. Die amerikanische Künstlerin hat ihren Mitmenschen gründlich aufs Maul geschaut und redensartliche Sentenzen gesammelt: „Mütter sollten nicht zu viele Opfer bringen“. Oder „Man muss seinem Ärger Luft machen.“ Es sind mehr oder minder tief schürfende Sätze, die deutlich machen, wie wichtig solche Thesen fürs Ich sind. Das Individuum definiert sich gern über solcherlei Behauptungen und Kalendersprüche, die so banal wie überzeugend klingen: „An Liebe zu sterben ist schön, aber dumm“.

Eine erfolgreiche US-Künstlerin

Im K 21, einem Ausstellungshaus in Düsseldorf, kann man sich nun festlesen an diesen zahllosen Sprüchen, die man vielleicht sogar selbst schon mal gesagt hat. Die riesigen Wände sind gepflastert mit deutschen und vor allem englischen Sentenzen mitten aus dem Leben. Lange gab es in Deutschland keine Einzelausstellung mehr von Jenny Holzer, was die Düsseldorfer nun ändern wollten, schließlich gehört sie zu den erfolgreichsten amerikanischen Künstlerinnen.

Jenny Holzer legte eine wahrlich brillante Karriere hin. 1950 wurde sie in Ohio geboren – der Vater Autohändler, die Mutter Reitlehrerin. Die Tochter macht sich nach dem Kunststudium auf nach New York, wo sie Textbotschaften im öffentlichen Raum hinterließ. Auf Parkbänken, Mauern und Zäunen in Manhattan, überall brachte sie ihre denkwürdigen Einzeiler an. „Der Inhalt ist mir wichtig“, sagt Holzer, und Worte würden Inhalt tragen „ohne zu klagen“. Deshalb druckte sie sie auch auf T-Shirts und Poster, die sie anonym auf Gebäude klebte.

Vom Subversiven zum Musealen

Das war subversiv und stark – und so erfolgreich, dass sich Jenny Holzer schon bald einen Namen in der internationalen Kunstwelt machte. 1990 gewann sie dann auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen und gehört seither zum Who ist Who des Kunstbetriebs – und des Kunstmarkts. Ihr Werk ist museal geworden, sodass in der Düsseldorfer Ausstellung leider nichts mehr vom einstigen subversiven Geist zu spüren ist. Die farbigen Plakate wurden dekorativ aneinander gereiht – und schon bald stellt man fest, dass es die immerselben Botschaften sind, die sich hier wiederholen.

Jenny Holzer ist Konzeptkünstlerin, die den Fokus auf die Idee richtet – und weniger auf die ästhetischen oder formalen Mittel. Der Knochenberg, den Holzer zu einem Kegel aufgetürmt hat, besitzt dennoch eine starke sinnliche Wirkkraft. Mit „Lustmord“ reagierte Holzer auf die sexualisierte Gewalt während der Jugoslawienkriege. An einigen der menschlichen Knochen – es sind ausrangierte medizinische Unterrichtsmaterialien – befinden sich kleine Ringe, in die Texte eingraviert wurden. Lesen kann man sie allerdings nicht.

Die bürokratische Seite des Krieges

Konzeptkunst macht es dem Publikum nicht immer einfach, weil sich die Botschaften der Werke oft nicht im Dialog mit dem Sichtbaren erschließen, sondern angelesen werden müssen. Die riesigen Bilder aus der Serie „Redaction Paintings“ lassen den Kontext aber doch ahnen. Es sind offizielle Dokumente zum Einmarsch der Amerikaner im Irak. Manche Stellen sind geschwärzt, dann wieder findet man auf dem riesigen Dokument zu „Phase III“ die nüchtern aufgelistete Bilanz: „Attack Aircraft: 591. Attack Helos: 306. Personnel: 254 K“. So liest sich die bürokratische Seite von Tod und Zerstörung.

Immer wieder hat sich Jenny Holzer mit Krieg, Gewalt und Machtmissbrauch befasst. Die US-Dokumente werden bei ihr zu einem Augenschmaus, da die Künstlerin für sie edel schimmerndes Metall verwendet, das fast so köstlich wie Blattgold strahlt. Holzer arbeitet seit fast 20 Jahren an dieser Serie, was Markt und Sammler freuen mag. Für eine Ausstellung würden dagegen zwei, drei Bilder genügen, da sich die Idee erschöpft und letztlich wiederholt.

„MeToo“ hat sich bei Holzer bedient

Greifbarer wird das menschliche Leid bei Protokollen über Folter in Abu Ghraib. Bewegend ist auch der Hilferuf eines Jugendlichen, der berichtet, wie seine Familie von Soldaten überwältigt und gequält wurde. Dann wieder liest man auf fröhlich blinkenden LED-Leuchtbändern von Kriegsverbrechen in der Ukraine. Ob das ernsthaft oder doch eher vordergründig politisch ist, darüber kann man geteilter Meinung sein – wie bei den Alltagssentenzen auch. Die MeToo-Bewegung ist in jedem Fall bei Holzer fündig geworden und hat einen ihrer banalen wie denkwürdigen Sätze für ihre Kampagne aufgegriffen: „Machtmissbrauch ist keine Überraschung“.

Jenny Holzer – in Deutschland gefragt

Handel
Am Erfolg von Jenny Holzer ist eine Galeristin wesentlich beteiligt: Monika Sprüth. Sie vertrat in ihrer Kölner Galerie schon früh internationale Konzeptkunst. Inzwischen betreibt sie mit Philomene Magers die große, viel beachtete Galerie Sprüth Magers in Berlin in der Nähe der Museumsinsel.

Ausstellung
bis 6. August, geöffnet Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Wochenende 11 bis 18 Uhr, jeden ersten Mittwoch im Monat von 18 bis 22 Uhr Eintritt frei. adr