Katholische Geistliche unter sich: Pavlo Goncharuk (links) und Stanislav Shyrokoradiuk (rechts) mit dem ehemaligen Pfarrer Franz Pitzal in der Bonifatiuskirche in Renningen. Foto: Jürgen Bach

Ihre Städte und Diözesen Odessa und Charkiw sind starken russischen Angriffen ausgesetzt. in Renningen erzählen sie vom Alltag im andauernden Krieg – und bedankten sich für die Hilfe aus Deutschland.

Es sind furchtbare Erlebnisse, von denen die beiden ukrainischen Bischöfe Stanislav Shyrokoradiuk aus Odessa und Pavlo Goncharuk aus Charkiw nach eineinhalb Jahren des russischen Angriffskrieges gegen ihr Heimatland berichten können. Gemeinsam mit Olena Noha, Leiterin der Caritas-Spes Kiew, waren die beiden katholischen Bischöfe in den vergangenen Tagen in Renningen zu Gast. „Es ist ein unmenschlicher Krieg, der täglich neue Opfer bringt“, sagte Stanislav Shyrokoradiuk. Früher war er Bischof in Charkiw-Saporischschja, heute ist er in Odessa-Simferopol tätig.

Es sei kein Konflikt, wie es oft heiße, sondern ein echter Krieg, erzählte sein Nachfolger in Charkiw, Bischof Pavlo Goncharuk. „Es sterben nicht nur Soldaten, sondern auch junge Menschen und Menschen, die ihre Familie und ihr Land lieben.“ Auch Kinder fallen den Kämpfen zum Opfer, wie Shyrokoradiuk erzählte: Über 700 seien schon gestorben, noch mehr schwer verletzt oder behindert. Tausende ukrainische Kinder seien zudem nach Russland verschleppt worden.

Enge Beziehungen zwischen Renningen und der Ukraine

Renningen pflegt eine enge Verbindung zur Ukraine. Den ehemaligen Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde, Franz Pitzal, und Bischof Stanislav Shyrokoradiuk verbindet eine mehr als 20-jährige Freundschaft. In dieser Zeit wurden von Renningen aus vor allem Kinder- und Mutter-Kinder-Häuser unterstützt. Höhepunkt der Zusammenarbeit sei der Bau dreier Häuser im Feriendorf in den Karpaten gewesen, so Pitzal.

Er und die ukrainischen Besucher hatten das Kirchenfest Libori in Paderborn besucht, bevor der ehemalige Pfarrer sie in Renningen willkommen hieß. Dort besuchten sie den Weltkulturpfad und das Krippenmuseum – und feierten gemeinsam mit der katholischen Kirchengemeinde einen Gottesdienst.

In ihren Diözesen dauert der Krieg an

„Es ist fast einmalig, dass in Deutschland Bischöfe von zwei der wichtigsten Städte der Ukraine zu Gast sind“, sagt Pitzal über den Besuch. Sie seien aber auch zwei Bischöfe, in deren Diözesen der Krieg weiter fortdauert, schilderte Pavlo Goncharuk.

Stanislav Shyrokoradiuk erzählte von den Bombardierungen Charkiws. „Das war furchtbar. Lange Zeit folgte Angriff auf Angriff.“ Momentan sei es etwas ruhiger. „Odessa ist es mittlerweile schon gewohnt, unter der Bombardierung zu leben“, so der Bischof. In den vergangen Tagen gab es wieder Angriffe Russlands auf die Hafenstadt. Dabei wurde auch die orthodoxe Verklärungskathedrale beschädigt.

Die beiden Bischöfe leisten in ihren Gebieten Hilfe, vor allem für ältere Menschen. Sie organisieren und verteilen beispielsweise Lebensmittel, Kleider und Hygieneartikel.

Bischöfe sind dankbar für deutsche Hilfe

Wie die beiden schildern, sei der Kampfgeist der Ukrainer weiterhin stark. Für den Frieden einen Teil des ukrainischen Territoriums abzugeben, ist für Stanislav Shyrokoradiuk zu kurzsichtig. „Das wäre kein Frieden, sondern nur eine Pause. Putin würde dann seine Kräfte neu sammeln und irgendwann weitermachen.“

Ihre Anwesenheit in Deutschland sei ein Zeichen des Dankes des ukrainischen Volkes, sagte Bischof Pavlo Goncharuk zu ihrem Besuch. Und die Dankbarkeit gerade an Deutschland ist groß. „Die Hilfe von Deutschland ist sehr kostbar. Nicht nur die humanitäre Hilfe: Die gelieferten Verteidigungssysteme gegen Luftwaffen haben viele Menschenleben gerettet“, schilderte Stanislav Shyrokoradiuk. Goncharuk dankte auch dafür, dass ukrainische Flüchtlinge in Deutschland unterkommen können.

Besuch in der vorläufigen Unterkunft des Landkreises

Während ihres Aufenthalts besuchten die beiden Bischöfe und Olena Noha von der Caritas-Spes auch gemeinsam mit Franz Pitzal und Landrat Roland Bernhard eine vorläufige Unterkunft des Landkreises Böblingen für Flüchtlinge. Dort leben derzeit 369 Menschen aus der Ukraine. Im gesamten Landkreis sind es 4147.

„Ihr Besuch ist ein Zeichen der Solidarität und eine Ermutigung für ihre ukrainischen Landsleute, die im Landkreis Böblingen Schutz vor dem russischen Angriffskrieg gefunden haben“, sagte Landrat Roland Bernhard. Um ihre Arbeit im Krieg zu unterstützen, übergab er den Gästen einen Spendenscheck in Höhe von 1500 Euro.

Hilfe kam auch aus Renningen

Auch aus Renningen kam seit Kriegsbeginn viel Unterstützung: Mehr als 1400 Lebensmittelpakete seien aus der Rankbachstadt verschickt worden, wie Bischof Stanislav Shyrokoradiuk erzählte. Langjährige Kontakte wie nach Renningen seien auch gerade am Anfang des Krieges sehr wertvoll gewesen, wie Olena Noha erzählte. „Von langjährigen Partnern bekamen wir am Anfang des Krieges direkt Anrufe oder E-Mails, was wir brauchen. Und dann kam sofort Hilfe.“ Gerade auch die Versorgung der vielen Binnenflüchtlinge in den Zentren der Caritas zu Kriegsbeginn sei nur durch persönliche Kontakte und Freundschaften möglich gewesen.