Vom starken Euro profitieren Fernreisende: Sie erhalten mehr für die Gemeinschaftswährung. Foto: dpa

Die Industrieverbände zeigen sich angesichts des Kursanstiegs der Gemeinschaftswährung gelassen – bleiben aber wachsam.

Berlin - Der Auftrieb ist bemerkenswert: Die europäische Gemeinschaftswährung ist zum Jahresanfang über die Marke von 1,20 Dollar gestiegen. Der Euro klettert damit im Vergleich zum Dollar auf den höchsten Stand seit vier Monaten.

Schon im Sommer hat es Befürchtungen gegeben, die Aufwertung bremse die Exportwirtschaft aus. Doch der Anstieg brach damals bald wieder ab. Weil die Konjunktur in der Eurozone brummt, erwartet Volker Treier, Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), dass sich die Aufwertung fortsetzt. „Ich rechne tendenziell mit einem steigenden Eurokurs, die Aufwertung stellt aber noch kein Konjunkturrisiko dar“, sagte Treier unserer Zeitung. Der Euro ist in diesen Tagen so teuer wie zum Jahresbeginn 2015. Der DIHK-Experte sieht die Entwicklung gelassen. Er erwartet aber, dass Unternehmen die Folgen spüren.

USA-Reisen werden attraktiver

Anders sieht es bei Privatleuten aus. Urlauber mit Fernzielen können sich über den steigenden Euro freuen. So bekommen USA-Reisende für die Gemeinschaftswährung mehr Dollars. Der Deutsche Reiseverband spürt noch keine Änderung im Kundenverhalten. Dafür sei die Währungsentwicklung noch zu neu, erklärte eine Sprecherin. Im vergangenen Jahr verbuchten die Veranstalter einen Rückgang bei den USA-Reisen. Eine Erklärung dafür hat die Branche nicht. Die Aufwertung des Euro machen USA-Urlaube jetzt wieder etwas attraktiver.Was die Urlauber freut, missfällt der exportstarken deutschen Industrie. Vor einem Jahr lag der Euro noch bei etwa 1,05 Dollar. Der niedrige Kurs wirkte für europäische Unternehmen wie ein kleines Konjunkturprogramm. Damit ist es vorbei. Doch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Frankfurt warnt dennoch vor Dramatisierung. „Der Euro ist fair bewertet“, sagte der VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann. Der aktuelle Kurs löse bei den Maschinenbauern keine Besorgnis aus. Dennoch beobachten die Betriebe die Kursentwicklung genau. Die Unternehmen verfolgten den Verlauf mit Argusaugen, sage Wortmann. Anders als noch vor zehn Jahren seien die meisten Unternehmen nicht gegen Wechselkursrisiken abgesichert. „Grund dafür ist, dass Absicherungen viel Geld kosten“, sagte Wortmann. Wo die Schmerzgrenze für die Firmen im Exportgeschäft liegt, lasse sich nicht generell sagen, erklärte der VDMA. Klar sei aber, dass ein Eurokurs von 1,60 Dollar wie vor zehn Jahren für die Unternehmen ein Problem wäre. „Ein zu starker Euro geht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit“, so der VDMA-Experte.

Die Exportwirtschaft spürt die Aufwertung

Von einer Überbewertung ist die Gemeinschaftswährung noch entfernt. Dennoch dürften Unternehmen die Aufwertung in ihren Bilanzen spüren. „Der stärkere Euro drückt bei Unternehmen etwas auf die Margen, doch er verdirbt nicht das Exportgeschäft“, meint DIHK-Außenhandelschef Treier. Gerade die Vorzeigebranchen in Deutschland wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau verfügten über ein starkes Standbein in weniger preissensiblen Segmenten. Sie könnten mit Währungsschwankungen gut umgehen. Das sieht auch der Maschinenbauverband so. Gerade Unternehmen mit Spezialfertigung verkrafteten einen höheren Euro besser als Standardanbieter, heißt es beim VDMA. Wichtiger als Währungseinflüsse sei ohnehin die Nachfrage. Der VDMA erwartet für dieses Jahr ein Branchenwachstum von drei Prozent. Die Kapazitäten der Hersteller sind damit ausgelastet. „Wäre die Nachfrage schwach, würde auch ein günstiger Wechselkurs nicht helfen“, so der VDMA-Vertreter.Dass der Euro wieder stärker wird, hängt mit der guten Konjunktur in der Eurozone zusammen. Die Reformen in vielen europäischen Ländern hätten sich ausgezahlt, sagt DIHK-Experte Treier. Für Investoren ist die Eurozone wieder attraktiv. Diesen Befund hebt die Kammerorganisation hervor. „Umfragen unter unseren Mitgliedern zeigen, dass die Eurozone erstmals seit Langem wieder zu den attraktivsten Investitionsstandorten auf der Welt gehört“, so Treier. Das spiegelt sich im höheren Eurokurs wider.