Immer mehr Menschen im Land müssen den Weg zur Arbeitsagentur antreten. Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Wegen der Konjunkturflaute fällt der im Herbst übliche Rückgang der Arbeitslosigkeit sehr gering aus. Düster sind die Aussichten, weil die Unternehmen weniger einstellen und Jobabbaupläne forcieren.

Der lange Zeit sehr robuste Arbeitsmarkt kippt infolge der krisenhaften Wirtschaftslage ins Negative – die Forscher prognostizieren einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) kündigen einen schwierigen Winter an – auch im Land.

Demnach waren im Oktober 248 452 Menschen in Baden-Württemberg arbeitslos gemeldet. Das sind 1,5 Prozent weniger als im September, und insgesamt sinkt die Arbeitslosenquote geringfügig auf 3,9 Prozent. Der Haken: Üblicherweise sinkt die Arbeitslosigkeit im Oktober deutlich, weil neue Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse aufgenommen werden.

Zunehmende Nöte vieler Unternehmen

„Ohne den saisonalen Effekt wäre die Arbeitslosigkeit gestiegen“, sagt Susanne Koch, geschäftsführende Chefin der BA-Regionaldirektion Baden-Württemberg. Zwar würden aktuell immer noch viele Arbeitskräfte gesucht, und die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen übersteige die Zahl der Bewerber deutlich. Dass sich mehr Personen aus einer Beschäftigung heraus arbeitslos gemeldet hätten, deute auf die zunehmenden Probleme vieler Unternehmen hin, so Koch. Konkret ist der Arbeitslosenbestand gegenüber Oktober vorigen Jahres um 8,5 Prozent gestiegen – allein im Bereich der Arbeitslosenversicherung ist die Gesamtzahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahresmonat um fast elf Prozent gewachsen.

Steuern die Unternehmen also eisigen Monaten entgegen? Bei der Umfrage des Münchner Ifo-Instituts im September habe sich in der Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage der deutliche Abwärtstrend der Vormonate nicht fortgesetzt, sagte der Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper unserer Zeitung. Die Aussichten für die nächsten sechs Monate wiederum würden von den Unternehmen nochmals schlechter eingeschätzt. Auch die kurzfristigen Exporterwartungen hätten sich weiter eingetrübt. Die Produktionserwartungen für die nächsten drei Monate verharrten knapp im Minus.

Nur Arbeitskräftemangel verhindert klaren Anstieg der Arbeitslosigkeit

Was bedeuten die teils düsteren Perspektiven für die Beschäftigung? „Die Wirtschaftsflaute zwingt Unternehmen im Land zur Zurückhaltung bei Neueinstellungen“, sagt die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). „Wir müssen uns für Beschwerlichkeiten im Winter rüsten.“ Nur der in vielen Bereichen herrschende Fachkräftemangel bewahre den Arbeitsmarkt vor einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Aus Sicht des Arbeitgeberverbands ist dieser Befund nicht mit Entlassungen größeren Stils gleichzusetzen: „Die Unternehmen werden nicht leichtfertig in Personalabbaupläne einsteigen“, beruhigt Küpper. Trotz der konjunkturell schwierigen Lage und eines leichten Anstiegs bei den Anzeigen zur Kurzarbeit würden weiterhin dringen Fachkräfte gesucht, um für die zukünftigen Herausforderungen gut aufgestellt zu sein. Allein der demografische Wandel und der nahende Renteneintritt der Babyboomer löse einen enormen Ersatzbedarf aus. Aus diesem Grund seien auch die Ausbildungszahlen in der Metall- und Elektroindustrie spürbar im Plus.

DGB hält die Verunsicherung an der Basis für nachvollziehbar

Dennoch zeigt sich der Deutsche Gewerkschaftsbund alarmiert. Dass sich im Oktober etwa 23 500 Menschen aus den Betrieben heraus arbeitslos melden mussten sowie immer mehr Betriebsräte über einen angekündigten Stellenabbau berichten, „bereitet uns zunehmend Sorgen“, sagt der DGB-Landesvorsitzende Kai Burmeister. Zwar werde öffentlich vor allem über den Fachkräftemangel gesprochen, aber unterhalb dieser Überschrift „zeichnen sich zunehmend dunkle Wolken für Beschäftigte ab“. Und wenn die konjunkturellen Aussichten trüber werden, sei auch die Verunsicherung in den Belegschaften nachvollziehbar.

Allein der Metall- und Elektroindustrie im Land sind seit Mitte 2019 rund 25 900 Jobs verloren gegangen – ein Minus von gut 2,5 Prozent. Für die nächsten Monate rechnen die Unternehmen bundesweit mit einer zunehmend rückläufigen Beschäftigung. Temporär, so Küpper, werde der Druck beim Arbeits- und Fachkräftemangel dadurch wahrscheinlich etwas verringert. Doch werde der Wirtschaftsabschwung irgendwann wieder vorüber sein. „Wir gehen davon aus und werben auch dafür, dass die Unternehmen die aktuelle Situation und das Zeitfenster dazu nutzen, um verstärkt in die Qualifizierung ihres Personals zu investieren oder auch das Anwerben ausländischer Arbeits- und Fachkräfte vorzubereiten.“

„Vorausschauende Personalpolitik“ verlangt

Der DGB macht noch mehr Druck und verlangt eine „vorausschauende Personalpolitik“, die konjunkturelle Schwäche, demografischen Wandel und steigende Bedarfe an Arbeitskräften zusammenbringen müsse. „Unternehmen springen viel zu kurz, wenn sie angesichts dunklerer Wolken befristete Arbeitsverträge auslaufen lassen und Beschäftigung abbauen“, so Burmeister. „Jetzt entlassen und dann über fehlende Fachkräfte jammern, das geht nicht zusammen.“ Die Firmen müssten die Beschäftigten an sich binden und die Weiterbildung forcieren.