Mobiles Verbotsschild gegen Gaffer – Foto: dpa

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) will den Kampf gegen Gaffer intensivieren. Die Polizei ist für das Thema längst sensibilisiert – womöglich kann sie landesweit bald sogenannte Dashcams dafür nutzen.

Stuttgart - Als am vergangenen Mittwoch ein Lastwagen nach einem Unfall auf der Autobahn 6 nahe Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) brannte, zückten laut Polizei binnen einer Viertelstunde 20 von rund 200 vorbeifahrenden Autofahrern ihr Smartphone, um die Szenen aufzunehmen. Die Gaffer müssen nun mit Strafanzeigen rechnen – weil die Polizei sie filmte. Ihnen drohen wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren.

Fälle, in denen die Polizei die Sensationslustigen filmt, sind öffentlich bislang kaum bekannt. Doch es scheint ein probates Mittel, um festhalten und beweisen zu können, dass die betreffenden Personen eine bußgeldbewehrte oder sogar strafrechtlich relevante Tat begangen haben. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) jedenfalls will gegen Gaffer konsequent vorgehen. Rettungskräfte zu behindern, Fotos von Verletzten oder Toten zu machen sei „schlicht unanständig“ und „widerlich“, es fehle ihm dafür „wirklich jedes Verständnis“, sagte Strobl unserer Zeitung: „Der widerwärtigen Filmerei von Leid, Verletzten und Toten möchte ich den Kampf ansagen.“

Die Kamera gehört zur Standardausrüstung

Die Polizei sei bei dem Thema bereits sensibilisiert und setze auch schon Foto- und Videotechnik ein. Digitale Foto- und Videokameras gehören laut seinem Ressort zur Standardausrüstung der Polizeireviere und der Verkehrspolizei. Die Gafferproblematik in den Griff zu bekommen sei nicht von der vorhandenen Technik, sondern von den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften abhängig. Denn klar: Die Sicherung der Unfallstelle, das Retten von Verletzten und die Aufnahme des Verkehrsunfalls haben für die Beamten vor Ort Priorität.

Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Baden-Württemberg, Ralf Kusterer, hatte deshalb vor wenigen Wochen in unserer Zeitung vorgeschlagen zu prüfen, ob es möglich sei, sogenannte Dashcams einzusetzen, um gegen Gaffer vorgehen zu können.

Dashcams bislang nur rund um Ludwigsburg und Freiburg

Bislang sind die kleinen Videokameras, die hinter der Windschutzscheibe angebracht werden, im Einsatz, um jene Autofahrer aufzunehmen, die nach einem Verkehrsunfall ihrer Pflicht nicht nachkommen, eine Rettungsgasse zu bilden. Im Südwesten hat die Autobahnpolizei die Geräte in den vergangenen Monaten im Raum Ludwigsburg und im Raum Freiburg getestet.

Weil sie sich bewährt haben und helfen, Rettungsgassen-Verweigerer beweiskräftig zu überführen, werden ab Oktober nach und nach 250 Fahrzeuge der Verkehrspolizei im ganzen Land mit einer Dashcam ausgestattet. Das Risiko, bei so etwas erwischt und aufgrund von Kamerabeweis auch verurteilt zu werden, werde „sehr ansteigen“, heißt es aus dem Innenministerium. Ressortchef Strobl kündigte jetzt zudem an, nach der flächendeckenden Auslieferung der Geräte an alle Polizeipräsidien im Südwesten prüfen zu wollen, ob sie zur Verfolgung von Gaffern geeignet sind.

Datenschützer Brink hat keine rechtlichen Bedenken

Aus Sicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Stefan Brink, greifen Videoaufnahmen der Polizei zwar in die informationelle Selbstbestimmung der Gaffer ein. Bei der Strafverfolgung sei es laut Strafprozessordnung jedoch erlaubt, Bildaufnahmen herzustellen, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. Von daher sehe er „grundsätzlich eine Berechtigung, solche Aufnahmen anzufertigen“, sagte Brink unserer Zeitung.

Die Neugierde Dritter, die durch ihr Verhalten nicht selten Einsätze behinderten, zu zügeln sei in der konkreten Situation nicht einfach, sagte der Chefdatenschützer: „Das Wissen, dass das eigene Verhalten dokumentiert wird und Grundlage für eine Bestrafung sein kann, wirkt sicher nachhaltiger als alle Appelle.“ Allerdings sollten ihm zufolge auch mildere Mittel wie Sichtschutzwände und mobile Verbotsschilder zum Einsatz kommen, um das „große Problem“ zu lösen.