Alte Menschen brauchen im Krankenhaus eine andere, eine intensivere Versorgung. Foto: dpa/Oliver Berg

Durch den demografischen Wandel benötigen immer mehr Menschen eine altersmedizinische Versorgung. Um dieser Entwicklung zu begegnen, fordert der Mediziner Friedemann Ernst im Interview mit unserer Zeitung unter anderem eine bessere Schulung des Klinikpersonals.

Herr Ernst, warum ist eine geriatrische Betreuung in Kliniken wichtig?

Seit Jahren wissen wir, dass unsere Bevölkerung immer älter wird. Dies geht natürlich auch mit einer Zunahme älterer und mehrfach erkrankter Patientinnen und Patienten im Krankenhaus einher. Geriatrie ist eine auf die Behandlung älterer Menschen und die alltagsbezogenen Auswirkungen ihrer Erkrankungen ausgerichtete medizinische Fachdisziplin. Eine gezielte geriatrische Betreuung trägt dazu bei, die Selbstständigkeit und damit auch die Lebensqualität zu verbessern. Sie ist auch deshalb wichtig, weil Senioren ein besonders hohes Risiko haben, im Krankenhaus zusätzliche Komplikationen zu entwickeln, Stürze etwa oder Verwirrtheitszustände, ein sogenanntes Delir.

Wie sieht die Betreuung im Idealfall aus, sprich: wie verhindert man, dass der Patient nach dem Klinikaufenthalt schlechter dasteht als zuvor?

Um dies unbedingt zu vermeiden, muss man sich außer zum aktuellen Krankheitsbild auch einen Überblick zur gesundheitlichen sowie zur sozialen Situation der Patienten verschaffen – etwa nach Angehörigen, bisherigem Pflegebedarf oder Vollmachten fragen. Hierfür gibt es das sogenannte geriatrische Basisassessment. Es handelt sich dabei um eine systematische Erfassung von Beeinträchtigungen beispielsweise im Hinblick auf das Gedächtnis und die Mobilität. Im Idealfall folgen daraus Maßnahmen zur Sturz- und Delirprophylaxe und ein Medikamentenmanagement. Sehr wichtig ist manchmal auch eine Frührehabilitation im Krankenhaus zur Förderung oder zum Erhalt von Mobilität und Selbstständigkeit.

Der Internist und Geriater Friedemann Ernst ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenz-Centrum Geriatrie in Hamburg. Die Einrichtung unterstützt die Medizinischen Dienste und gesetzlichen Krankenkassen bei Fragen zur Geriatrie. Foto: Albertinen-Krankenhau/s

Demente Patienten sind eine Herausforderung im Klinikalltag. Wie reagiert man darauf?

Für sie gibt es vereinzelt schon spezielle Bereiche, die darauf eingestellt sind. Es geht hier im Kern um den Erhalt der Orientierung und des Wohlbefindens. In diesen sogenannten demenzsensiblen Bereichen werden etwa an den Türen große Tiermotive statt Zimmernummern verwendet. Tagsüber sind die Räume besonders hell beleuchtet, um den Tag-Nacht-Rhythmus zu erhalten. Zudem sind eine klare Tagesstrukturierung und die Einbindung von Angehörigen vorteilhaft. Auch Schulungen des Klinikpersonals sind sehr wichtig, um Verständnis für die besondere Situation von Dementen zu schaffen und Kommunikationstechniken zu erlernen.

Wie geht es weiter, wenn die Behandlung im Krankenhaus abgeschlossen ist? An Unterstützung, um Hilfe für zu Hause zu organisieren oder einen Heimplatz zu finden, fehlt es zuweilen.

Hier greift das sogenannte Entlassmanagement, zu dem jede Klinik verpflichtet ist. Es handelt sich um eine individuell abgestimmte Planung für einen möglichst nahtlosen Übergang. Krankenhäuser dürfen in der Regel für die Dauer von sieben Kalendertagen etwa Arzneimittel, Hilfsmittel wie einen Rollator oder auch Physiotherapie verordnen. Möglich sind zudem die Verordnung von Kurzzeitpflege oder einer Haushaltshilfe. Im besten Fall wird frühzeitig der Sozialdienst im Krankenhaus eingeschaltet, um den Versorgungsbedarf zu klären. Das beinhaltet auch das Beantragen eines Pflegegrads oder die Suche nach einem Heimplatz. Allerdings setzen noch nicht alle Krankenhäuser dieses Entlassmanagement vollständig um.