Es hört sich so einfach an, Vater und Mutter arbeiten, das Kind ist in der Kita. Schriftstellerin Alina Bronsky prangert die Abschaffung der Mutter an, warnt vor einer Verstaatlichung der Kindheit und plädiert dafür, Müttern einen Ausgleich zu zahlen, die ihr Kleinkind nicht in die Kita geben.
Mütter werden zunehmend entmündigt, gelten als inkompetent, müssen kontrolliert werden und werden dazu ganz handfest benachteiligt. Wir haben für unser Buch zehn unterschiedliche Bereiche untersucht, von der Reproduktionsmedizin bis zur vermeintlichen Vereinbarkeit, und festgestellt, am meisten hat sich die Haltung gegenüber Frauen mit Kindern verändert. Was aber nicht bedeutet, dass wir alle es furchtbar schwer haben - in Deutschland lebt es sich auch als Familie immer noch gut, aber die Tendenz ist besorgniserregend.
Die Wahlfreiheit existiert nur in der Theorie. Der Druck auf die Frauen, bereits mit sehr kleinen Kindern früh und ausgedehnt arbeiten zu gehen, hat sich in der letzten Zeit massiv verschärft. Mancherorts müssen sich Mütter rechtfertigen, wenn sie ihr Kind länger als zwölf Monate zu Hause betreuen wollen.
Starke Väter sind natürlich toll. Bloß ist nicht klar, warum Väter gegen Mütter ausgespielt werden, sich in einer neuen Konkurrenz beweisen sollen. In einer Familie ist genug Arbeit und Zuneigung für beide Eltern da. Davon abgesehen schultern nach wie vor Mütter die meiste Belastung, das medial erzeugte Bild ist daher leider ein Zerrbild.
„Es gibt genug Entwicklungspsychologen, die vor einer Verstaatlichung der Kindheit warnen“
Hochwertige Angebote zur Kinderbetreuung sind wichtig und gut. Das Forcieren des Krippenausbaus hat aber leider zur Folge, dass in kurzer Zeit viele Plätze entstanden sind, deren Qualität dürftig ist. Das ist gerade für die Kleinsten fatal. Zugleich erzeugt das neuen Druck auf die Mütter, die Kinder früh abzugeben, weil die Angebote ja da sind.
Ich habe mit meinen älteren Kindern auch eine sehr gute, hochwertige Frühbetreuung erlebt. Dennoch finde ich es wunderbar, ein Kleinkind in der Familie betreuen zu können. Es gibt genug Entwicklungspsychologen, die vor einer Verstaatlichung der Kindheit warnen. Uns geht es aber nicht darum, anderen Frauen unsere Vorstellungen zu diktieren, sondern die äußeren Faktoren zu benennen, die persönliche Entscheidungen beeinflussen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind zwei oder vier Jahre alt und müssen die Nacht nicht zu Hause, sondern in einer Einrichtung verbringen, jene Zeit also, in der Sie besonders viel Geborgenheit brauchen. Wie fühlen Sie sich da?
Das wird einem so vermittelt. Wahlweise steht man als jemand da, der sich lebendig begräbt. Das gilt heute bereits, wenn man über die ersten zwei, drei Jahre eines Kindes spricht.
„Es ist schrecklich, wenn man privilegiert sein muss, um sich um sein einjähriges Kind kümmern zu können.“
Genau das ist unser Thema. Es gilt immer mehr als Luxus, vor zehn Jahren war es noch anders. Aber es ist schrecklich, wenn man privilegiert sein muss, um sich um sein einjähriges Kind kümmern zu können.
Sehr chaotisch. Der Tag beginnt um 6 Uhr, erst werden die Schulkinder versorgt, dann erledige ich mit dem Kleinkind, was so anfällt. Die Arbeitsphasen sind zerhackt und unregelmäßig. Manchmal habe ich einen Babysitter, oder die Großeltern springen ein.
Es geht gar nicht um große Worte, sondern um eine Haltung - und natürlich um Vermeidung von Benachteiligung. Frauen sollen zumindest nicht daran gehindert werden, für ihre Kinder da zu sein. Am besten wäre es, wenn man sie dabei unterstützt. Familien sorgen für die Gesellschaft von morgen, sie erfüllen eine zentrale Aufgabe, werden aber so behandelt, als würden sie einem der Allgemeinheit eher lästigen Hobby nachgehen.
Wir finden, ja. Kitaplätze werden mit mindestens 1000 Euro pro Platz und Monat bezuschusst. Es wäre nur gerecht, den Müttern, die auf diese Plätze verzichten, einen Ausgleich zu zahlen, damit sie nicht aus purer Existenznot zu früh arbeiten gehen müssen.
Die strukturelle Benachteiligung der Fürsorge ist genau der Skandal, über den wir sprechen. Dennoch verschlechtert sich die Situation derjenigen, die Kinder erziehen, weiter. Das ist nicht die Schuld der Frauen, sondern des Systems, das die Kindererziehung systematisch entwertet.
„Ich fände es toll, wenn es wieder als normal gelten würde, Familie zu haben."
Ich fände schon toll, wenn es wieder als normal gelten würde, Familie zu haben, wenn es selbstverständlich werden würde, Kinder im Alltag zu erleben, statt sie noch weiter in geschlossene Bereiche zu drängen. Ich würde es jeder Frau wünschen, dass sie genug Ressourcen hat, um maximal frei zu entscheiden, wie sie leben möchte, wann und wie viel sie arbeitet, wann das Kind in die Kita geht. Dazu wären staatliche Strukturen notwendig, die Möglichkeiten schaffen, diese aber nicht als neue Pflicht aufdrängen.
Warum nicht? Der real existierende Feminismus hat ja ein zwiespältiges Verhältnis zur Mutterschaft, was sehr schade ist, weil er damit einen großen Teil der Frauen ausklammert.
Alina Bronsky wurde am 2. Dezember 1978 in Jekaterinburg, Russland geboren. Ihr Name ist ein Pseudonym. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Debütroman „Scherbenpark“, Mit „Baba Dunjas letzte Liebe“ war sie 2015 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Gemeinsam mit Denise Wilk, einer Geburtsbegleiterin, hat sie das Sachbuch „Die Abschaffung der Mutter – Kontrolliert, manipuliert und abkassiert – warum es so nicht weitergehen darf“ (Deutsche Verlag-Anstalt, 17,99 Euro) veröffentlicht. Bronsky ist mit dem Schauspieler Ulrich Noethen verheiratet.