Überraschend viele Frauen können von der Rentenregelung profitieren. Foto: Mauritius-images Foto:  

Sie war ein Lieblingsprojekt der Gewerkschaften und wurde bekämpft von der Wirtschaft: Die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren erhitzt weiterhin die Gemüter. Seit drei Jahren ist die Rente mit 63 in Kraft – eine Bilanz der Rentenversicherung Baden-Württemberg.

Stuttgart - Es ist ruhiger geworden um eine der umstrittensten Maßnahmen der abgewählten großen Koalition, die sogenannte Rente mit 63. Die Zwischenbilanz der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg, die dieser Zeitung exklusiv vorliegt, birgt jedoch einige Überraschungen. Ein Überblick. Irreführender Kampfbegriff In Kraft gesetzt wurde die „Altersrente für besonders langjährige Versicherte“ zum 1. Juli 2014. Die Rente mit 63 ist seither ein Kampfbegriff, der schon jetzt nicht mehr zutrifft: Wer in diesem Jahr in eine abschlagsfreie Rente geht, muss nicht nur mindestens 45 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen, sondern auch das 63. Lebensjahr plus vier Kalendermonate vollendet haben. Mit jedem Jahrgang wird das Zugangsalter um zwei Monate angehoben. Folglich kann ein 1964 Geborener die Leistung erst mit 65 Jahren beanspruchen.

Relativ viele Frauen betroffen Von 2014 bis 2016 haben 80 102 Versicherte (47 823 Männer, 32 279 Frauen) die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte bezogen. Bemerkenswert findet Andreas Schwarz, Vorsitzender der Geschäftsführung der DRV Baden-Württemberg, das Geschlechterverhältnis. „Hier zeigt sich – entgegen ersten Vermutungen, dass fast ausschließlich Männer profitieren würden – mit 40 Prozent ein erheblicher Frauenanteil, der die Zugangsvoraussetzungen erfüllt.“ Interessant sei auch, dass 81 Prozent dieser Frauen Kinder haben – zur Hälfte mit „Kinderberücksichtigungszeiten“. Männer erhalten mehr Geld als Frauen Wegen der langen Beitragseinzahlungen kommen die Bezieher der Rente mit 63 in den Genuss relativ hoher Leistungen: Der durchschnittliche Rentenbetrag lag 2016 bei Männern in Baden-Württemberg bei 1498,36 Euro. Frauen hatten eine durchschnittliche Rente von 1023,37 Euro. Zum Vergleich: Der Durchschnitt aller Altersrenten lag für Männer im Südwesten bei 1177,50 Euro, für Frauen bei 709,82 Euro.

Etwa ein Viertel der Frauen, die von 2014 bis 2016 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte bekamen, bezieht eine Rente von 1200 Euro und mehr. 40 Prozent bekommen zwischen 750 Euro und 1050 Euro. Und ein Fünftel muss mit weniger als 750 Euro auskommen. Bei den Männern erhalten rund drei Viertel 1200 Euro und mehr. Lediglich zehn Prozent bekommen zwischen 750 Euro und 1050 Euro – nur rund vier Prozent noch weniger. Länge der Babypause wirkt sich aus Von den 32 279 Frauen hatten 6087 keine Kinder. Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag im Zugangsjahr 2016 lag für diese Frauen bei 1245,79 Euro. Die Frauen mit Kindern kamen lediglich auf 964,18 Euro. Der Erste DRV-Direktor Schwarz erläutert, dass die durchschnittliche Rentenhöhe bei Frauen mit oder ohne Kindern kaum voneinander abweiche. Einen sichtbaren Unterschied gebe es dagegen, wenn aufgrund einer längeren Babypause Kinderberücksichtigungszeiten anzurechnen seien.