Der Münchner Liedermacher Konstantin Wecker in Möhringen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahre gerecht werden? Antworten findet der Liedermacher Konstantin Wecker. Auch ein Gottesdienst in der Domkirche sucht nach ihnen.

Stuttgart - Sein klares Bekenntnis zum Pazifismus sei „eine Entscheidung des Herzens und der Vernunft“, sagt Konstantin Wecker. Dass es mit der bedingungslosen Hingabe zum Frieden aktuell nicht einfach ist, weiß der bekannte Münchner Liedermacher nur zu gut. „Man wird teilweise verspottet dafür“, so Wecker. Die gesellschaftliche Grundstimmung im Land sei heute eine andere als in den 80er Jahren, wo die Friedensbewegung mit dem Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ viel größere Kreise angesprochen habe. Dabei ist es nach Auffassung des 67-Jährigen dringender denn je, „dass die Stimme des Pazifismus nicht stirbt“.

Eine Seelenverwandte hat Wecker in Margot Käßmann gefunden. Beide haben zusammen das Buch „Entrüstet Euch!“ konzipiert und herausgegeben. Das druckfrische Werk wollen die bekannte Theologin und der Künstler während des Kirchentags in Stuttgart vorstellen. Geplant ist eine gemeinsame Konzertlesung am 6. Juni um 20 Uhr in der Martinskirche in Möhringen. Dies ist zwar kein offizieller Programmteil des Kirchentags, „könnte aber für viele ein Glanzlicht der Tage sein“, sagt Henning Zierock, der mit der Gesellschaft Kultur des Friedens (GFK) dieses Nebenevent organisiert. Weil Zierock davon ausgeht, dass die 1100 Plätze in der Martinskirche nicht ausreichen werden, plant er eine Außenübertragung.

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Buch mit Margot Käßmann

„Wir hatten zwar schon einiges von einander gehört und gelesen, kannten uns aber bisher nicht direkt. Über Facebook haben wir den ersten Kontakt geknüpft“, erzählt Wecker. Gleich beim ersten persönlichen Treffen im Herbst vorigen Jahres („ich fand sie sofort sympathisch“) sei die Idee eines gemeinsamen Buches entstanden. Die Niederschrift eines längeres Gesprächs beim Bayerischen Rundfunk bildet die inhaltliche Grundlage, ferner haben beiden Herausgeber noch neue Texte renommierter Autoren wie Arno Gruen, Eugen Drewermann, Friedrich Schorlemer und Antje Vollmer beigesteuert. Zum Buchuntertitel „Warum Pazifismus für uns das Gebot der Stunde bleibt“ trägt jeder auf seine Art bei. Wecker: „Für das Menschenrecht auf Frieden werden auch Beispiele des aktiven Pazifismus beschrieben.“ Bei der Konzertlesung selber soll es eine Mischung aus Liedern sowie Texten und Gedichten aus dem Buch sein.

Zahllose kriegerische Auseinandersetzungen in den Brandherde der Welt und die sich immer weiter drehende Gewaltspirale – genährt durch Rüstungsexporte, auch aus Deutschland – haben Konstantin Wecker zur Erkenntnis gebracht: „Entweder es gibt eine gewaltfreie Zukunft der Menschheit, oder es gibt gar keine mehr.“

Ökumenischer Gottesdienst zum Kriegsende

Das Thema Krieg und Frieden griff auch ein ökumenischer Gottesdienst in der Domkirche St. Eberhard am Freitag auf. Der katholische Stadtdekan Christian Hermes, der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig, Darren Buttle, Vertreter der anglikanischen Kirche und Pfarrer Dimitrios Katsanos von der griechisch-orthodoxen Kirche gedachten des Kriegsendes vor 70 Jahren. „Wir erinnern an das Leiden, die Verletzungen, die Schuld und das Versagen, auch vieler Christen“, sagte Stadtdekan Hermes. Gleichzeitig wollten die Kirchenvertreter für eine 70-jährige unvergleichliche Friedenszeit für Deutschland und seine Nachbarn danken – gerade auch angesichts der zahlreichen Konflikte und Vertreibungen in weiten Teilen der Welt.

Der evangelische Stadtdekan fand auch mahnende Worte: „Je länger der Zweite Weltkrieg zurück liegt, desto größer ist die Gefahr, dass er mit seinen Schrecken aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet“, sagte Schwesig.

Heute, fuhr der Stadtdekan fort, lebten in Deutschland 14 Millionen Menschen, die zwischen 1930 und 1945 geboren wurden. Jeder Dritte von ihnen leide noch immer unter den Belastungen, die er im Krieg ertragen hat. Angst, Schlaflosigkeit, Panikattacken und Hoffnungslosigkeit seien die Folge. „Jetzt, wo diese Menschen alt geworden sind, und ihnen die stützende Routine des Arbeitslebens weggefallen ist, kehren die Erinnerungen zurück und quälen sie“, sagte Søren Schwesig.