Es ist bereits das zweite Treffen von Donald Trump und Kim Jong Un. Foto: AFP

Der erste Gipfel bannte die Kriegsgefahr. Das zweite Treffen des US-Präsidenten mit seinem „Freund“ Kim soll endlich auch die atomare Abrüstung voranbringen. Während sich Trump in Hanoi als großer Friedensstifter gibt, gerät er daheim in Washington in die Defensive.

Hanoi - Der zweite Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat Hoffnungen auf eine Friedenslösung und nukleare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel geweckt. Acht Monate nach ihrem ersten historischen Treffen in Singapur kamen Trump und Kim am Mittwoch zu einem zweitägigen Gipfel in Hanoi zusammen. Die Erwartungen sind groß. Es geht um den Abbau von Nordkoreas Atomwaffen und Raketen, eine neue Sicherheitsarchitektur und eine Lockerung der strengen Sanktionen gegen den isolierten stalinistischen Staat.

Trump und Kim begrüßten sich zunächst angespannt und mit ernster Miene im legendären Hotel „Metropole“ der vietnamesischen Hauptstadt vor einer Reihe von jeweils sechs nordkoreanischen und amerikanischen Nationalflaggen. Erst langsam lockerte sich die Atmosphäre. „Kim Jong Un und ich werden sehr hart daran arbeiten, etwas bei der Denuklearisierung zustandezubringen und dann Nordkorea zu einem wirtschaftlichen Powerhaus zu machen“, schrieb Trump kurz vor der Begegnung auf Twitter. China, Russland, Japan und Südkorea dürften dabei „sehr hilfreich“ sein.

Anschuldigungen gegen Trump während des Gipfels

Trump äußerte die Hoffnung, dass „großartige Dinge“ bei dem „sehr wichtigen Gipfel“ geschehen werden. In einem Tweet nannte der US-Präsident den nordkoreanischen Diktator sogar seinen „Freund“. Er stellte dem verarmten Land wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand in Aussicht, sollte es seine Atomwaffen und Raketen abrüsten. „Das Potenzial ist FANTASTISCH, eine großartige Gelegenheit für meinen Freund Kim Jong Un, wie kaum eine andere in der Geschichte.“

Nach der Begrüßung und einem kurzen Gespräch unter vier Augen stand ein Abendessen in kleiner Runde auf dem Programm. Teilnehmer waren US-Außenminister Mike Pompeo und Trumps Stabschef Mick Mulvaney sowie Nordkoreas Außenminister Ri Yong Ho - ein in den Verhandlungen mit den USA sehr versierter Diplomat - und der Chefunterhändler und berüchtigte Ex-Geheimdienstchef Kim Yong Chol. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte mit Panzerfahrzeugen riegelten das Hotel weiträumig ab. Am Donnerstag gehen die Gespräche weiter.

Während des Gipfels geriet Trump in der Heimat in Washington in die Defensive, da sein früherer Anwalt Michael Cohen schwere Vorwürfe erhob. In einer vorab bekannt gewordenen Aussage vor dem US-Kongress bezeichnete Cohen den Präsidenten als Betrüger, Hochstapler und Rassisten. Er wollte Beweise für seine Beschuldigungen liefern. Cohen nennt es „ironisch“, dass Trump während seiner Aussage ausgerechnet in Vietnam sei, und vermittelt den Eindruck, dass Trump sich während des Vietnam-Krieges vor dem Militärdienst gedrückt haben könnte.

Kim bleibt noch länger in Vietnam

Im Mittelpunkt der Gespräche in Hanoi steht die Forderung der USA nach einer vollständigen und überprüfbaren „Denuklearisierung“ Nordkoreas - also einer atomaren Abrüstung des Landes. Kim verlangt Zugeständnisse der USA, wie etwa die Lockerung der strengen Sanktionen. „Wir werden sehen, was passiert“, sagte Trump bei einem Arbeitsessen mit Vietnams Ministerpräsidenten Nguyen Xuan Phuc unmittelbar vor dem Gipfel. „Hoffentlich wird es erfolgreich sein.“

Nordkorea kann aus seiner Sicht von dem ebenfalls kommunistischen Vietnam lernen, das heute zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Asien gehört. Bei einem Treffen mit Vietnams Präsident Nguyen Phu Trong verwies der US-Präsident darauf, dass Vietnam mit seiner Öffnung und rasanten wirtschaftlichen Entwicklung ein gutes Vorbild sei. Nach dem Gipfel bleibt Kim noch zwei Tage zu einem bilateralen Besuch in Vietnam. Als letzter nordkoreanischer Führer hatte sein Großvater Kim Il Sung 1964 das Land besucht.

Über mögliche Ergebnisse der Gespräche zwischen Trump und Kim wird kräftig spekuliert. Viele erwarten eine Erklärung zum formellen Ende des Korea-Kriegs (1950-53). Auch über eine Schließung des wichtigen nordkoreanischen Atomkomplexes Yongbyon sowie die Zulassung von Atom-Inspekteuren, die Einrichtung von Verbindungsbüros und die Wiederaufnahme innerkoreanischer Wirtschaftsprojekte wird gemutmaßt.

Friedenserklärung wäre erster, symbolischer Schritt

Trotz der bereits in Singapur bekräftigten grundsätzlichen Bereitschaft zur „Denuklearisierung“ wird kein Durchbruch zur Beseitigung der nordkoreanischen Atomwaffen und Raketen erwartet. Nordkorea-Experten verweisen immer wieder darauf, dass die Führung in Pjöngjang ihr Atomarsenal als eine Art Lebensversicherung gegen mögliche Angriffe oder Umsturzversuche sieht.

Beide Seiten haben nicht einmal ein gemeinsames Verständnis, was mit „Denuklearisierung“ gemeint ist. Auch scheint Nordkorea bislang nicht bereit, eine Liste seiner Atom- und Raketenstätten zur Verfügung zu stellen. „Nordkorea bewegt sich nur so viel, wie sich die USA bewegen“, schrieb die in Japan erscheinende pro-nordkoreanische Zeitung „Choson Sinbo“, die enge Beziehung zu Pjöngjang pflegt.

Eine Friedenserklärung mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Korea-Krieg wäre ein erster, symbolischer Schritt auf dem Weg zu einem Friedensvertrag und einer neuen Sicherheitsarchitektur in Ostasien. Daran müssten aber auch Länder wie Südkorea und China beteiligt werden. Die USA und Nordkorea befinden sich völkerrechtlich noch im Kriegszustand, weil es bis heute nur einen Waffenstillstand gibt.

Im Korea-Krieg wurden schätzungsweise mehr als 3,2 Millionen Menschen getötet. Mit dem Waffenstillstandsabkommen, das den 38. Breitengrad als Grenze zwischen dem kommunistischen Norden und dem westlich orientierten Süden bestätigte, endete der Konflikt nach 37 Monaten.

Kim verlangt Gegenleistungen von den USA

Die Vorgeschichte geht auf die Kapitulation der Japaner am Ende des Zweiten Weltkriegs zurück, die Korea erobert hatten. Der Süden des Landes wurde von US-Truppen, der Norden von sowjetischen Truppen besetzt. Die Nordkoreaner marschierten am 25. Juni 1950 in den Süden ein. UNO-Truppen unter US-Kommando trieben sie zurück. 1953 wurde der Waffenstillstand von Nordkorea, den USA und China unterzeichnet, das mit „Freiwilligen“ an Nordkoreas Seite gekämpft hatte.

Ob sich Nordkorea tatsächlich zur bereits angebotenen Schließung seines wichtigen Atomkomplexes Yongbyon verpflichtet und ausländische Inspekteure zulässt, muss sich zeigen. Dafür verlangt Kim „korrespondierende“ Gegenleistungen der USA, darunter eine Lockerung der Sanktionen, unter denen sein abgeschottetes Land leidet.

Spekuliert wurde darüber, dass die USA im Gegenzug zumindest innerkoreanische Wirtschaftsprojekte zulassen würden. Konkret geht es um die Wiedereröffnung des Industrieparks in Kaesong sowie die Wiederaufnahme des Reiseprogramms für südkoreanische Touristen im Kumgang-Gebirge in Nordkorea. Die Eröffnung von Verbindungsbüros der USA und Nordkoreas wäre ein erster Schritt für eine Normalisierung der Beziehungen. Beide unterhalten keine diplomatische Beziehungen.