In gleich zwei Prozessen am Waiblinger Amtsgericht waren die Angeklagten am Mittwoch der Reichsbürger-Szene zuzuordnen. Foto: Stoppel

„Christoph, der Lebende“ akzeptiert die Staatsgewalt nicht. Wie er muss am Mittwoch noch ein weiterer Angeklagter von der Polizei zwangsweise im Gericht vorgeführt werden.

Waiblingen - Wenn Dustin Dautel den Angeklagten mit seinem Nachnamen anspricht, schaut dieser demonstrativ verwundert-suchend hinter sich. „Es ist Christoph, der Lebende, der hier mit Ihnen spricht“, belehrt er den vorsitzenden Richter am Waiblinger Amtsgericht. Die Personenangaben, mit denen er zum Prozess bestellt worden ist, erkennt der 52-Jährige nicht an – so wie das Gericht selbst und das ganze „Konstrukt“ Bundesrepublik Deutschland.

In Pantoffeln vor der Anklagebank

Deshalb ist er der Ladung des Gerichts erst gar nicht gefolgt. Dieses muss ihn von der Polizei zwangsweise vorführen lassen. Mit zwei Stunden Verspätung steht der Mann, der offenkundig der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen ist, dann in Pantoffeln und Handschellen, aber mit durchgedrücktem Rücken hinter der Anklagebank. Denn setzen will er sich trotz Aufforderung des Richters nicht.

Überhaupt hält der Mann, der in Waiblingen lebt, den Prozess gegen ihn für nicht rechtens. Er räumt zwar ein, dass er sich im August des vergangenen Jahres in der Wohnung seiner Lebensgefährtin durchaus auch körperlich einem Vollstreckungsbescheid widersetzt habe, der wiederum offenbar erlassen worden war, weil er mehrfache Aufforderungen zur Zahlung einer Geldbuße beharrlich ignoriert hatte. Auch dass er die Szenerie mit den Vollstreckungsbeamten ohne deren Wissen heimlich per Handy mitgeschnitten hatte, gibt er zu. Dass es sich um legitimierte Vollstreckungsbeamte gehandelt habe, bestreitet er aber. Also – so Christoph, der Lebende in leicht überheblichem Ton – habe er auch das Recht gehabt, sich der Maßnahme zu widersetzen. Zumal seine Widerstandshandlungen – im Gegensatz zu denen eines Nachbarn, der eine Polizistin heftig gebissen haben soll – keine nachhaltigen Verletzungen bei den Beamten hinterlassen hatten. Und die Beschimpfungen, die er dabei ausgestoßen haben soll – unter anderem die Worte „Stasi“, „SA“, „Drecksäue“ und „Schweine“ waren laut Zeugenaussagen gefallen – seien im Kontext zu sehen.

Der Richter kann sich der Sichtweise des Angeklagten letztlich nicht anschließen und bleibt mit dem Strafmaß von sechs Monaten Haft nur knapp unter den Forderungen des Staatsanwalts, der sieben Monate gefordert und die sofortige Anordnung eines Haftbefehls in Erwägung gezogen hatte. Dass eine Haftstrafe ausgesprochen werden müsse, sei nicht nur angesichts einschlägiger Vorstrafen relativ klar gewesen. Denn eine Aussetzung auf Bewährung komme für ihn auch mangels einer positiven Sozialprognose nicht in Betracht: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie sich beim nächsten Kontakt mit einem Vollstreckungsbeamten anders verhalten“, so der Richter.

Autofahrten ohne gültigen Führerschein

Auch bei dem darauffolgenden Prozess wird er mit mangelnder Einsicht zu kämpfen gehabt haben. Angeklagt war ein Mann, der wiederholt beim Fahren ohne gültigen Führerschein erwischt worden war. Auch er erkennt die Regeln der BRD nicht an. Seine jüngste Verfehlung konnte in die aktuelle Anklage noch gar nicht aufgenommen werden, da sie nur einen Tag zurücklag. Schon bei dieser Kontrolle der Polizei soll er gegenüber den Beamten betont haben, dass er anderntags nicht vor Gericht erscheinen werde. Auch hier musste ihn der Richter zwangsweise vorführen lassen. Und dann hat er ja noch dass Verfahren gegen den beißenden Nachbarn vor sich.