Denkerpose? Bei Duncan Swann stülpt sich das Innenleben nach außen. Foto: factum/Bach

Künstler auf der Suche nach dem Individuum: Der Ludwigsburger Kunstverein präsentiert zwei neue Ausstellungen.

Ludwigsburg - So viele Menschen und doch wird keiner wirklich sichtbar. Duncan Swann malt figurativ, aber seine Figuren bleiben ihm ein Rätsel. Was der Künstler auf die Leinwand bannt, sind Typen, Haltungen und Posen, hinter denen sich zwar viel vermuten, von denen sich aber wenig dingfest machen lässt. Unter dem Titel „If then else“ zeigt der Ludwigsburger Kunstverein im MIK Bilder und Skulpturen des Briten. Und es scheint mehr als ein Zufall, dass in einer zur gleichen Zeit in einer Salonausstellung präsentierten Serie von Fabian Treiber große Leinwände zu sehen sind, auf denen kein einziger Mensch dargestellt ist – und dennoch alles auf dessen Existenz hindeutet.

„Jeder ist für sich genommen wichtig“, sagt Swann. Aber das Individuum droht hinter Ziffern, Images und Gesichtserkennungsprogrammen zu verschwinden. Der Künstler thematisiert das auf zwei gegensätzliche Weisen: In seinen Gemälden zeigt er das Verschwinden, seine Skulpturen dagegen stattet er mit scheinbar fantastischen Eigenschaften aus: Mit aus dem Kopf oder den Schultern wachsenden Wülsten, Wolken, Blasengebilden oder Fahnen.

Serien und abstrakte Räume

Weisen diese befremdlichen Ausstülpungen auf ein reiches Innenleben von Menschen hin, die lesen, ruhen, schreiben oder zeichnen? Verraten sie etwas über Stimmungen oder gar den Charakter? Swann mischt hier klassische Kunstsprache mit Comicelementen: Da die Bronzefiguren sehr fein herausgearbeitet sind, wirken die seltsamen Auswüchse an Kopf oder Schulter noch sehr viel fremder.

„Der Mensch meint immer, er hat alles unter Kontrolle und kann alles beeinflussen.“ Swann bezweifelt das nicht nur, er findet dafür auch Bilder. Etwa indem er kaum bearbeitete Fotos in Serie präsentiert oder sie in mit abstraktem Gestus auf die Leinwand gemalte Räume sperrt. Die Farben sind verhalten: Schwarz, Grau, Grün und ein dunkles Blau bestimmen die Szenen.

Atmosphäre trotz Abwesenheit

Zwei große Leinwände, jede 1,90 Meter auf 2,40 Meter, dominieren die Schau. Wie die meisten Bilder in der Ludwigsburger Ausstellung wurde auch dieses Werk – der Künstler allein mag wissen, warum – auf einen schlichten Vornamen getauft. In diesem Fall: Daniel. In Daniel spitzt er sein Projekt noch einmal zu: Malerei wird zum Teil – ähnlich wie bei Sigmar Polke – durch angedeutete Rastertapeten ersetzt, und statt der Konterfeis von Menschen gibt es nur noch Umrisse.

Während der Mensch bei Swann in einem philosophischen Sinn zu verschwinden droht, hat er auf den Gemälden von Fabian Treiber nur mal eben den Raum verlassen. Die Orte, die der Ludwigsburger Künstler auf seinen meist großen Leinwänden festhält, strahlen trotz der Abwesenheit von Personen viel Atmosphäre aus. Das liegt an den Gegenständen, die zum Beispiel in der einer Beach-Bar herumstehen, aber vor allem an den Farben, die in grellem Blau auf ein Spiegelkabinett verweisen oder leicht gedämpft eine Dämmerung oder in einem Musiksaal zurückgelassene Instrumente imaginieren.

Traum und Erinnerung

Es geht um „Common things“, die ganz gewöhnlichen Dinge. Doch auch wenn man vieles wiedererkennen kann, bleibt die Komposition im Ungefähren. Man glaubt alles zu kennen und ist doch irritiert. Offenbar findet Treiber seine Alltagsgegenstände nicht bei Tag, sondern bei Nacht. Vielmehr als von einem aktiven Leben, erzählen seine Szenerien von Träumen oder längst Vergangenem.