Bettina Wyderka und Michael Schäfer haben sich am Wettbewerb beteiligt und es mit ihren Entwürfen auf die Plätze 2 und 1 geschafft. Foto: Frank Eppler

Der Entwurf zweier Gedenkorte für Zwangsarbeiter in Kernen soll bis in sechs Monaten realisiert werden. Was sich die beiden Künstler aus dem Rems-Murr-Kreis mit ihren Skulpturen ausdrücken wollen:

Kernen - Das Gefühl, nicht richtig dazuzugehören, kennt Michael Schäfer aus eigener Erfahrung. „Meine Eltern haben eine Vertriebenengeschichte“, sagt der Waiblinger Allgemeinmediziner, Galeriebetreiber und Künstler: „Mir ist bewusst, wie das ist, wenn man außen vor ist.“ Auch deswegen hat ihn der künstlerische Wettbewerb gelockt, mit dem die Interessengemeinschaft Erinnerungsort Zwangsarbeit in Kernen Entwürfe für ein Gedenkprojekt für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene gesucht hat. Sein Vorschlag, einer von insgesamt 13 Entwürfen, hat die drei beteiligten Jurys überzeugt und landete auf Platz 1, dicht gefolgt von dem der Korber Künstlerin Bettina Wyderka, die es mit einer Steinsäule, auf der eine Krone thront, auf Platz 2 schaffte. Sie erhielt dafür ein Preisgeld von 500 Euro, Michael Schäfers Vorschlag wurde mit 1000 Euro gewürdigt.

Schäfers Kunstwerk kommt in doppelter Ausführung nach Kernen

Michael Schäfers etwa drei Meter hohe Skulptur besteht aus einer Edelstahlsäule, welche die Lebenslinie symbolisiert. An einer Stelle knickt die Säule jäh ab – dort sitzt ein rostiger Keil. „Er stellt dar, wie sich das Leben der Menschen plötzlich völlig verändert hat“, erklärt Schäfer. Das Kunstwerk wird es in zweifacher Ausführung geben – einmal in Rommelshausen, wo die abgebrochene Lebenslinie auf das alte Rathaus zeigen soll – die Institution, welche die Zwangsarbeiter angefordert hatte. Vor der Stettener Glockenkelter wird die zweite Skulptur platziert, um daran zu erinnern, dass hier Zwangsarbeiter untergebracht waren. Insgesamt 146 Namen werden auf den Stelen zu finden sein – sie konnten in Archiven recherchiert werden. Vermutlich waren aber weit mehr Menschen betroffen.

„Wir wollen eine Gedenkstätte mit zwei Denkmalen, die sich ergänzen“, sagt Jürgen Wolfer, den das Thema auch persönlich betrifft. Seine Mutter war als 14-jähriges Mädchen in einem Viehtransporter aus der Ukraine nach Deutschland verschleppt worden und musste Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten. Letztendlich habe sie damit noch Glück gehabt, sagt ihr Sohn: „In der Industrie waren die Zwangsarbeiter einfach Menschenmaterial, das verbraucht wurde.“

Im Jahr 2002 ließ die Gemeinde zum Schicksal der Zwangsarbeiter forschen

Bei dem Aichwalder Landwirt versteckte sich das junge Mädchen, als sie mit anderen Zwangsarbeitern aufgefordert wurde, sich auf der Esslinger Burg einzufinden. Angeblich zur Rückführung in die Heimat. „Aber es hat sich schnell rumgesprochen, dass die Zwangsarbeiter nach Sibirien kommen.“ Jürgen Wolfers Mutter blieb in Deutschland und heiratete, mit der Landwirtsfamilie aus Aichwald blieb sie Zeit ihres Lebens in Kontakt.

Bis zum Beschluss für die Erinnerungsstelen war es ein weiter Weg, erzählt Mitinitiator Andreas Stiene. Ein Antrag aus der Bürgerschaft im Jahr 2002 habe dazu geführt, dass die Gemeinde erforschen ließ, welche Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen es in Kernen gab. Viele Jahre hat es gedauert, bis man sich in der Kommune einig war, in welcher Art und Weise an das dunkle Kapitel erinnert werden sollte, und bis die erforderliche Summe von gut 30 000 Euro komplett war.

Inzwischen steht fest, dass es ergänzend zu den Stelen, auf denen Namen, Geburts- und Sterbedaten, aber keine Nationalitätszugehörigkeiten vermerkt sein werden, Tafeln mit Hintergrundinformationen zum Thema geben wird. „Wichtig war uns, dass klar wird: es gibt hier eine Schuld, die man als Kommune auf sich geladen hat. Hier geht es um Vergebung“, sagt Andreas Stiene von der Interessengemeinschaft Erinnerungsort Zwangsarbeit. Er rechnet damit, dass die Stelen im Laufe des nächsten halben Jahres aufgestellt werden. Wenn es mal soweit sei, sagt Jürgen Wolfer, dann beginne die pädagogische Arbeit: „Eigentlich geht es dann erst richtig los.“