Die französische Botschafterin hat sich auch in Stuttgarts Goldenes Buch eingetragen. Foto: Lg/ Piechowski

Erstmals in Deutschland können Gymnasiasten in Baden-Württemberg ein international anerkanntes Sprachzertifikat in Französisch erwerben – kostenlos und während des Schulunterrichts. Bei den 74 Pilotschulen, die zum Zug kamen, sind auch drei aus Stuttgart dabei.

Stuttgart - Erstmals erhalten Schüler der zehnten Klassen an Gymnasien in Baden-Württemberg die Möglichkeit, im Rahmen ihres Französisch-Unterrichts das DELF-Zertifikat zu erwerben. Von den 120 Schulen, die in diesem Schuljahr an dem Pilotprojekt teilnehmen wollten, kamen 74 zum Zug – darunter auch drei aus Stuttgart: Geschwister-Scholl-, Fanny-Leicht- und Wilhelms-Gymnasium. Ermöglicht wird das neue Angebot durch eine gemeinsame Absichtserklärung, die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes und Stéphane Foin, der geschäftsführende Direktor des Centre international d’études pédagogiques (CIEP), am Mittwoch im Institut français in Stuttgart unterzeichnet haben.

Die Schüler können das „Diplôme d’études en langue française“ (DELF) im Rahmen einer zentralen Klassenarbeit erwerben, die es erstmals am 13. April 2018 geben wird. Die Aufgaben kommen aus dem Pool der DELF-Aufgaben auf B1-Niveau, benotet wird sowohl nach den baden-württembergischen Vorgaben als auch nach den Korrekturrichtlinien des CIEP. Wer im Anschluss auch die mündliche Prüfung besteht, erhält das DELF-Zertifikat.

Am Degerlocher Wilhelms-Gymnasium erhofft man sich einen Motivationsschub

„Wir haben uns angemeldet, weil wir so ein Diplom begrüßen“, sagt Teresa Müller, Französisch-Lehrerin am Wilhelms-Gymnasium (WG) in Stuttgart-Degerloch. Allerdings sei „noch nicht geklärt, ob wir es dieses Jahr schon machen – es bedeutet für uns Lehrer einen sehr starken Mehraufwand“. Am WG sei das Interesse der Schüler an Französisch als zweiter Fremdsprache stabil und halte sich mit Latein die Waage. „Aber in der Oberstufe wählen die meisten Englisch“, sagt Müller. Das bedeutet, dass Französisch in der Kursstufe oft gemeinsam mit vier Nachbarschulen stattfinde. „Das DELF-Zertifikat könnte höchstwahrscheinlich einen Motivationsschub geben – auch für die Kursstufe“, meint Teresa Müller.

Auf den setzen auch der französische Generalkonsul Nicolas Eybalin und Anne-Marie Descôtes. In Baden-Württemberg ist das Interesse der Schüler an Französisch zwar stabil – knapp 158 000 Schüler wählen die Sprache, meist bis Klasse zehn. An Stuttgarter Schulen aber stellt das Regierungspräsidium bei Französisch als dritter Fremdsprache einen rückläufigen Trend fest, die Nachfrage nach dem Doppelabschluss Abibac, den in Stuttgart das Wagenburg-Gymnasium anbietet, sei konstant.

Eybalin hofft, dass das DELF-Projekt auch den Zusammenhalt in Europa vorantreibt – „es ist eine Premiere in Deutschland, das könnte auch in den anderen Bundesländern Schule machen“. Eisenmann verspricht, sie werde dafür auf der Kultusministerkonferenz werben – „es passt auch zum Thema der Qualitätssicherung“. Descôtes ergänzt, die Sprache sei der Schlüssel zur Mobilität – „und man entdeckt auch neue Kulturen und Ansichten“.

Kultusministerin Eisenmann: Die Schüler wollen dieses Zertifikat

Eisenmann räumt ein, sie habe zwar selber in der Schule fünf Jahre Französisch gelernt – „aber unfallfrei geht nur bonjour“. Sie ist sich sicher: „Die Schüler wollen dieses Zertifikat.“ Schließlich sei es international anerkannt, gilt lebenslang und dient als offizieller Nachweis für französische Sprachkenntnisse, etwa bei der Immatrikulation an einer Hochschule oder bei der Bewerbung in französischsprachigen Unternehmen. Bei den Schulen sei das Interesse groß gewesen: „Von 378 Gymnasien wollten 120 teilnehmen.“ 160 Lehrer habe man dafür geschult. „Es gibt aber keine Entlastung dafür“, räumt Eisenmann ein.

Die Kultusministerin erinnert an den vor 55 Jahren geschlossenen Elysée-Vertrag, an die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich – dem „Kern Europas“ – und den Auftrag an die Jugend. Doch Freundschaft muss gelebt werden. Und ob eine Schulpartnerschaft funktioniert oder nicht, das hänge an einzelnen Personen, sagt Teresa Müller. Vor 15 Jahren hatte einer ihrer Vorgänger am WG sich enttäuscht gezeigt, dass die 16 Jahre lange Schulpartnerschaft mit Quimper von den Franzosen abgesagt worden war, weil französische Schüler kaum noch Deutsch lernen wollten und kaum Lehrer Interesse an einer Partnerschaft mit einer deutschen Schule gehabt hätten. Das WG fand neue Partner: erst im französischen Übersee-Département La Réunion im Indischen Ozean, inzwischen in Saintes am Atlantik. „Das läuft gut“, sagt Müller. Und am WG setze man jetzt auch auf den Europafreund Emmanuel Macron und seine positive Wirkung – auch auf seine Landsleute.