Wenn Eltern nicht arbeiten können, weil sie derzeit ihre Kinder betreuen, haben sie Anspruch auf Kinderkrankentage – allerdings nur, wenn sie gesetzlich krankenversichert sind. Foto: dpa/Mascha Brichta

Um Eltern zu entlasten, gewährt der Bund gesetzlich Krankenversicherten nun zusätzliche Kinderkrankentage. Privatversicherte und viele Selbstständige gehen leer aus. Ein Modell wie in Nordrhein-Westfalen, wo die Landesregierung nicht gesetzlich Versicherte unterstützt, ist für Baden-Württemberg derzeit nicht geplant.

Berlin/Stuttgart - Dass nur gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf zusätzliche Kinderkrankentage bekommen haben, hält der Bund der Selbstständigen Baden-Württemberg (BDS-BW) für „skandalös“. Dadurch würden viele selbstständig tätige Eltern „einseitig benachteiligt“, sagte BSD-Präsident Günther Hieber unserer Zeitung. Denn nur rund 60 Prozent von ihnen seien gesetzlich krankenversichert oder hätten einen entsprechenden Zusatztarif abgeschlossen. Hieber betonte: „Die zusätzliche Hilfe wird nicht aus Versicherungsbeiträgen, sondern aus Steuermitteln finanziert. Also finanzieren alle Familien als Steuerzahler diese Leistung mit.“

Der Bund hatte die Anzahl der Kinderkrankentage kürzlich verdoppelt: Elternteile, die bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, können im Jahr 2021 je gesetzlich krankenversichertem Kind 20 statt zehn Arbeitstage Kinderkrankengeld beantragen. Bei mehreren Kindern hat jeder Elternteil insgesamt einen Anspruch auf maximal 45 Arbeitstage.

Alleinerziehende bekommen bis zu 90 Arbeitstage erstattet

Für Alleinerziehende erhöht sich der Anspruch um 20 auf 40 Arbeitstage pro Kind. Bei mehreren Kindern haben Alleinerziehende insgesamt einen Anspruch auf maximal 90 Arbeitstage. Diese können bei behördlich geschlossenen Kitas und Schulen genommen werden.

Für Beamte gibt es Ausnahmen

Besonders ärgert Hieber, dass neben Arbeitern und gesetzlich versicherten Angestellten auch privatversicherte Beamte von der Neuregelung profitierten. „Denn für diese konnte eine großzügige Ausnahmeregelung getroffen werden.“ Dass nicht gesetzlich Versicherten stattdessen von einer Lohnentschädigung profitieren können, die das Infektionsschutzgesetz regelt, hält er für unzureichend. Denn diese betrage nur 67 Prozent des Nettoeinkommens und nicht 90 Prozent wie im Fall von Kinderkrankentagen.

Außerdem seien die Hürden diese zu bekommen hoch. Eltern müssen nachweisen, dass die Betreuung der Kinder im Homeoffice für sie unzumutbar ist. Beim Kinderkrankengeld müssen sie das nicht tun. Der BDS-BW habe sich deshalb bereits gemeinsam mit weiteren Verbänden an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Familienministerin Franziska Giffey gewandt.

Nordrhein-Westfalen schafft selbst Abhilfe

Währenddessen hat die nordrhein-westfälische Landesregierung laut der Nachrichtenagentur dpa schon selbst Abhilfe geschaffen. Das Kabinett hat diese Woche ein Hilfsprogramm zur finanziellen Entschädigung privat versicherter Eltern mit Kita- und Schulkindern unter zwölf Jahren beschlossen. Das teilte Familienminister Joachim Stamp (FDP) mit.

Zwar habe der Bund die Kinderkrankentage für gesetzlich versicherte Eltern verdoppelt, die ihre Kinder zuhause betreuen. Bei privat oder freiwillig Versicherten, Selbstständigen oder Freiberuflern sei aber „eine Lücke hinterlassen“ worden, sagte Stamp. Diese werde das Land NRW nun mit einem eigenen Hilfsprogramm schließen. Entschädigt würden auch gesetzlich versicherte Eltern, deren Kinder privat krankenversichert seien.

Demnach werden laut Stamp für privat oder freiwillig Versicherte, Selbstständige oder Freiberufler in NRW zehn Krankentage pro Kind und bei Alleinerziehenden 20 Tage angesetzt. Der Tagessatz für die Entschädigung betrage 92 Euro. Anträge könnten ab Februar bei den Bezirksregierungen gestellt werden. Die Anträge gelten rückwirkend zum 5. Januar.

In Baden-Württemberg ist derzeit nichts Vergleichbares geplant

Das Sozial- und Familienministerium teilte auf Anfrage mit, dass etwas Vergleichbares – Stand jetzt – nicht geplant sei. Allerdings werde man sich das NRW-Modell ansehen und prüfen, ob daraus auch Schlüsse fürs Land zu ziehen seien, sagte ein Sprecher.

Für die gesetzlichen Krankenkassen wird durch die Aufstockung der Kinderkrankentage mit Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe gerechnet. Die Kosten sollen durch höhere Zuschüsse vom Bund an die Kassen ausgeglichen werden, ein erster Zuschuss von 300 Millionen Euro soll bis zum 1. April fließen.