Bad Krozingen gehört zu den größeren Heilbädern in Baden-Württemberg – hier die Therme Vita Classica. Foto: dpa/Patrick Seeger

Zwar steigt die Zahl der Gäste in Kurorten – aber weniger stark als bei anderen Tourismuszielen. Experten arbeiten deshalb hart, um die teilweise angestaubten Wellness-Destinationen besser zu vermarkten. Wie sind die Aussichten?

Bad Ditzenbach - Fritz Link war dieser Tage beim Bädertag in Bad Ditzenbach (Kreis Göppingen) geradezu euphorisch: Der Präsident des Heilbäderverbandes Baden-Württemberg sprach von einem „weiteren Spitzenjahr“ der 56 Heilbäder und Kurorte in Baden-Württemberg. Tatsächlich konnten diese Kommunen zwischen Januar und August des Jahres 1,5 Prozent mehr Gäste verzeichnen, insgesamt waren das 2,2 Millionen Menschen. Überhaupt hat sich die Zahl der Ankünfte seit dem Jahr 2000 um stolze 50 Prozent erhöht. Und eine neue Umfrage hat ergeben, dass Tages- und Übernachtungsgäste in den Bädern und Kurorten 3,5 Milliarden Euro für Gastronomie, Hotels und Einzelhandel ausgeben. Das alles hört sich nach einem Boom an. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht.

Denn bei genauerer Betrachtung gibt es einige Probleme. Wenn man nicht die Zahl der Ankünfte, sondern die Zahl der tatsächlichen Übernachtungen prüft, so liegen die Heilbäder nach einer zwischenzeitlichen Delle um 2010 heute gerade wieder auf dem Niveau von 2000. Der Vergleich mit den 80er Jahren, als die Kassen noch Kuren en masse bewilligten, führt bei den Touristikern regelmäßig zu ausgeprägten Depressionen. Bad Wildbad etwa hatte damals doppelt so viele Übernachtungen. In einem Gutachten des Bäderverbandes von 2016 wird auch die jüngste Entwicklung als zwiespältig beschrieben: Die Nachfrage nach Heilbädern und Kurorten sei sehr positiv, bleibe aber „hinter der allgemeinen Entwicklung zurück, die vor allem durch den stark wachsenden Städtetourismus geprägt wird“.

Die Bäder und Thermen sind extrem teuer im Unterhalt

Zweites großes Problem ist in vielen Orten die veraltete Infrastruktur. Viele Kliniken und Thermen müssten dringend saniert werden, doch die Kosten sind für die Kommunen eine große Belastung. Bad Herrenalb etwa hat sich dieses Jahr entschlossen, die Siebentäler-Therme auf Vordermann zu bringen. Kostenpunkt: gewaltige zwölf Millionen Euro. Aber die Kurorte sind in Bewegung, denn alle wissen, dass sie teilweise an Attraktivität verlieren und investieren müssen.

Ein drittes Problem ist das angestaubte Image: In einer neuen Umfrage gab jeder Dritte an, dass er sich einen Urlaub in einem Heilbad oder Kurort nicht vorstellen könne. Das schmerzt.

Wellness ist deshalb harte Arbeit – zumindest für die Tourismusstrategen, die diese Probleme lösen wollen. Viele jüngere Entwicklungen stimmen die Branche aber zuversichtlich. Ein Stück weit sind alle Hoffnungen personifiziert im Tourismusminister Guido Wolf (CDU), der seinen Job sehr ernst nimmt und vieles angestoßen hat. Lange habe die Politik den Tourismus nicht als Aufgabe erkannt und links liegen gelassen, so der Minister: „Aber er ist eine Leitökonomie in Baden-Württemberg.“ Tatsächlich zeichnen die 56 Heilbäder und Kurorte unter den 1100 Kommunen Baden-Württembergs für mehr als 22 Prozent aller Übernachtungen im Südwesten verantwortlich. Sie sind oft Inseln der kulturellen, touristischen und wirtschaftlichen Seligkeit inmitten eines Meeres an Provinz, in der die Wirtshäuser eingehen, die Läden zumachen und sich die Gemeinde keinen Festsaal mehr leisten kann.

Jeder Kurort denkt über eigene Konzepte nach

Für einen Schub der Bäder soll auch die neue allgemeine Tourismuskonzeption sorgen, die im Sommer vorgestellt worden ist. Derzeit werden „Schaufensterprojekte“ entwickelt, die so neu oder attraktiv sind, dass die Menschen deswegen extra anreisen. Ein Trend sei das Waldbaden. Im nächsten Jahr startet zudem eine Imagekampagne, die die Heilbäder in ein junges und frisches Umfeld setzen soll. Guido Wolf plant weiter, die Unterstützung für Kurorte bei Bauprojekten von fünf auf zehn Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen. Viel ist das immer noch nicht, wenn man die hohen Investitionskosten der Städte sieht. Aber das Ende der Fahnenstange sei auch noch nicht erreicht, so Wolf. Im neuen Kurortegesetz hat man die ursprünglich 22 Paragrafen auf zehn zusammengestrichen, also Bürokratieabbau betrieben. Und stolz ist man darauf, dass es den Kurorten nun möglich ist, ihre Besonderheit auf den Ortsschildern hervorzuheben. Hohe Verwaltungshürden standen lange im Weg.

Ausreichen wird das alles nicht, um die Heilbäder in eine gute Zukunft zu führen. Jede Gemeinde muss deshalb selbst aktiv werden und für sich ein Konzept entwickeln, um den Tourismus zu stärken. Bad Wildbad etwa hat sich mit Baumwipfelpfad und Mountainbikestrecken immer mehr zum Outdoor-Zentrum im Schwarzwald entwickelt. Bad Ditzenbach will auf lange Sicht einen „Kur-Campus“ bauen, sagte Bürgermeister Herbert Juhn beim Bädertag. Und mindestens genauso wichtig sei: Mit vier Nachbargemeinden im Oberen Filstal will man sich für eine Landesgartenschau in den Jahren 2031 bis 2035 bewerben. Klar ist jedenfalls, dass der Kurbetrieb weiter zur DNA Bad Ditzenbachs gehört, schon 1472 wurden die Mineralquellen im Ort erschlossen. Juhn betont deshalb: „Der Kurbetrieb ist nicht unser erstes Standbein, spielt aber eine sehr wichtige Rolle.“

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