Kobe Bryant, einer der größten Basketballer der Geschichte, und seine Tochter Gianna sind tot. Foto: imago//Burt Harris

Der Tod Kobe Bryants, seiner Tochter Gianna (13) und sieben weiterer Helikopter-Insassen schockiert die Sportwelt. Ein Rückblick auf eine einmalige Basketball-Karriere, die auch eine dunkle Seite hatte.

Los Angeles - Leere Blicke, Tränen der Trauer und Fassungslosigkeit. Vor dem Staples Center in Los Angeles, jener Sportarena, in der sich Kobe Bryant über drei Jahrzehnte zu einer Basketball-Legende aufschwang, stehen seit Sonntagmittag tausende Fans und versuchen, das Unbegreifliche zu verstehen: Kobe Bryant, eine Ikone der Stadt der Engel, einer der größten Basketballer der Geschichte, ist tot. Gemeinsam mit seiner 13-jährigen Tochter Gianna und sieben weiteren Insassen stürzte der 41-Jährige am Sonntagvormittag US-amerikanischer Zeit im Kalifornischen Calabasas in einem Helikopter in den Tod. Bryant hinterlässt eine Ehefrau und drei Kinder. Und eine Sportwelt in Schockstarre.

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Die Frage nach dem „Warum“ wollen die US-Behörden so schnell wie möglich klären. Technisches oder menschliches Versagen? Man arbeite „mit Hochdruck an der Ursachenforschung“, teilten die Behörden in Kalifornien mit. Den trauernden Fans vor dem Staples Center scheint das egal. Ihnen ist ihr Idol abhanden gekommen. Ein Star, der das Selbstverständnis der Stadt, der Los Angeles Lakers und des US-Basketballs an sich verkörperte, wie kaum ein Zweiter: Arbeite hart daran, jeden Tag der Beste zu sein.

2003: Vergewaltigungsvorwürfe gegen Bryant

In seinen 20 Jahren in der NBA gewann Bryant unter anderem fünf NBA-Titel, holte zwei Mal olympisches Gold, war 18-maliger All Star, wurde 2008 zum wertvollsten Spieler der Saison (MVP) gewählt und galt Anfang des Jahrtausends nach drei NBA-Meisterschaften in Folge als bester Basketballer auf dem Planeten.

Just in diese Zeit fällt aber auch ein Ereignis, das in keiner Bilanz seines zweifelsohne großen Sportlerlebens fehlen darf und das die Karriere des damals 24-Jährigen hätte beenden können. In den Augen mancher Beobachter hätte müssen. In der Nacht des 30. Juni 2003 soll Bryant, damals frisch gebackener Ehemann und Vater seiner ersten Tochter Natalia, eine Hotelangestellte in Vail, Colorado, vergewaltigt haben. Der Rechtsstreit dauerte fast zwei Jahre, bevor sich Bryant und die Anklägerin außergerichtlich einigten.

Der außergerichtlichen Einigung folgt der Kampf um Wiedergutmachung

Sprechen durfte aufgrund einer Verschwiegenheitsklausel darüber nur Bryant, der Zeit seines Lebens bei der Darstellung blieb, er glaubte, es hätte sich um einvernehmlichen Sex gehandelt. „Aber ich muss zur Kenntnis nehmen, dass das die Frau nicht so sieht und nicht so sah“, gab Bryant damals zu Protokoll. Zwar rettete er seine Ehe und entschuldigte sich nach eigenen Angaben bei seinem Opfer – das änderte allerdings nichts daran, dass ihn insbesondere Frauenrechtlerinnen und viele NBA-Fans von nun an als Vergewaltiger bezeichneten und ihn am liebsten aus der Liga verbannt gesehen hätten.

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Aufgeben kam für Bryant aber nicht in Frage. Er kämpfte um seinen Ruf und seine Karriere. Gegenüber der „Washington Post“ sprach er 2018 erstmals über den großen Schandfleck in seinem Leben: „Für mich ging es darum, herauszufinden, wie ich damit umgehen muss“, so Bryant. „Ich sagte mir, ‚Du hast eine Verantwortung: gegenüber der Familie, dem Baby, dem Club, der Stadt und auch Dir selbst.’ Wie kann ich das Vergessen machen? Oder wie gehe ich damit um, um zumindest nicht daran zu ersticken? Ich musste einen Weg finden, weil ich von jener Sorge geradezu besessen war.“

Bryant wird zum Vorkämpfer für Frauenbasketball

Nur Bryant selber konnte wissen, inwieweit ihn dieses Ereignis dazu brachte, zu den lautesten und vehementesten Verfechtern und Förderern von Frauen- und Mädchenbasketball in den USA zu werden. Oder ob dieses Engagement lediglich der Tatsache geschuldet war, dass er gemeinsam mit Ehefrau Vanessa vier Töchter hatte. Oder war es eine Kombination aus beidem? Die Frauen-Profiliga WNBA veröffentlichte jedenfalls in der Nacht auf Montag eine Presseerklärung, in der sie das Engagement Bryants würdigte: „Kobes Unterstützung der WNBA, des Frauenbasketballs sowie seine Leidenschaft, jungen Mädchen und Jungen zu helfen, ihre Träume zu verwirklichen, machten ihn zu einer wahren Legende für unseren Sport.“

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Bis 2016 stand Bryant nach dem Skandal auf dem Parkett, wurde zwischenzeitlich zum drittbesten Punktesammler der NBA-Geschichte und erwarb Heldenstatus, weit über die USA hinaus. Ein 81-Punkte-Spiel, zwei weitere NBA-Titel, die MVP-Wahl und sein Abgang mit einer 60-Punkte-Performance im Staples Center. Bryant blieb über Jahre ein sportliches Aushängeschild der Liga.

Das zweite Leben nahm erst Fahrt auf

Nach seiner Karriere widmete er sich diversen Stiftungen, erhielt einen Oscar für seinen autobiografischen Animationsfilm „Dear Basketball“ und gab seine Liebe für das Spiel an seine ebenfalls am Sonntag umgekommene Tochter Gianna weiter. „Sie wird die Geschichte ihres Vaters weiterschreiben“, sagte Bryant erst vor wenigen Monaten im US-TV über die talentierte Tochter. Es wirkte, als wäre er in seinem neuen, seinem zweiten Leben angekommen. Zwar drehte sich immer noch fast jeden Tag alles um Basketball. Aber, es ging ihm nicht mehr darum, der Beste auf dem Court zu sein, sondern sein Wissen an die heutige und kommende Spielergeneration weiterzugeben. Und er tat alles, um die Akzeptanz von Mädchen- und Frauenbasketball in der Bevölkerung zu erhöhen. Er richtete Trainingscamps aus, trainierte Mädchenteams und sorgte in seiner kalifornischen Wahlheimat für zusätzliche Trainingsstätten.

Auch das gehört zu seinem Vermächtnis. Das Loch, das sein Tod in den Basketball-Sport reißt, könnte größer kaum sein.