„Atilla“ Parge und Gastrosoph Bernd Heidelbauer im Mai 2007 vor der Leonhardskirche. Der frühere Boxer hatte gerade zum sechsten Mal geheiratet und mit 300 Gästen bunt gefeiert . Foto: Leif

Er führte ein Leben zwischen Boxsport und Rotlicht: Im Alter von 68 Jahren ist Claus „Atilla“ Parge gestorben. Im Ring ist er nie K. o. gegangen - im Privatleben umso öfter. In der Altstadt kursieren viele kuriose Geschichten über ihn.

Stuttgart - „Gute Jungs, böse Mädchen“- diesen Titel hat Claus „Attila“ Parge seiner Biografie gegeben, die vor acht Jahren erschienen ist. Viel Kurioses steht in dem Buch, das von einem schillernden Leben zwischen Boxring und Rotlicht handelt, von sechs Hochzeiten und seinem sozialen Engagement unter anderem für Straßenkinder. Jetzt, da „Attila“ im Alter von 68 Jahren in den Armen seiner Verlobten Elisabeth Deininger daheim in Höfingen gestorben ist, hört man bei seinen Weggefährten einen Satz immer wieder: „Er war ein guter Junge!“

Elvis-Interpret Ray Martin ist einer der alten Freunde, die diesen Satz sagen. Bei der Beerdigung, deren Termin noch nicht feststeht und zu der aktive und ehemalige Boxer sowie Rotlichtgrößen aus ganz Deutschland erwartet werden, wird er singen. Autor Axel Clesle, der die Biografie für Parge geschrieben hat, ergänzt den Satz noch: „Vielleicht war ,Attila’ zu gut und ist deswegen von vielen ausgenutzt worden.“

Er war Leibwächter bei Wallibär und Monimaus

Das „Städtle“ trägt Trauer. Im Leonhardsviertel kursieren viele Anekdoten und kuriose Geschichten über den ehemaligen Schwergewichtskämpfer, der nach sieben Siegen als Profiboxer (drei davon durch K.o.) 1985 die Handschuhe an den berühmten Nagel gehängt hat. So erzählt man sich, dass Parge giftige Fische in einem Aquarium hielt, wie andere sich an Kois im Garten erfreuen. Einmal ging durch ein Missgeschick das Aquarium zu Boden. Die Fische verteilten sich auf dem Teppich, dazu fiel das Licht aus. „Attila“ hat’s überlebt, wie er so manchen Tiefschlag seines Lebens überlebt hat. In der Nacht zum Samstag aber hatte er gegen ein multiples Organversagen keine Chance.

Claus Parge stammt aus eine Epoche, in der Boxsport und Rotlicht noch zusammengehörten. Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr wurde diese Verbindung verklärt, desto härter ist das Überleben im „Städtle“ geworden, wie die Altstadt genannt wird. „Attila“ war Leibwächter des Sauna-Clubs Wallibär und Monimaus, bevor er selbst Zuhälter wurde. In einem Keller betrieb er „die Ritze von Stuttgart“ mit drei Tischen, einer Theke und einem Boxring, führte bis vor einigen Jahren die Kneipe „Lucky Punch“, wenige Schritte vom Leonhardsviertel entfernt. Hoch rechnet Autor Axel Clesle ihm an, dass der Local Hero der Fausthelden immer wieder Straßenjungs in Sachen Boxen unterrichtete. „Er konnte die Wirkung jedes einzelnen Muskels erklären“, erinnert sich Clesle, „das kam bei den Kids so gut an, dass sie ihn noch heute verehren.“

Seine Verlobte hat ihn daheim gepflegt

Im Ring ist der einstige Profiboxer nie K. o. gegangen - im Privatleben umso öfter. Kokain, Zuhälterei, Haft – all dies war vergessen, als Parge im Mai 2007 in der Leonhardskirche Hochzeit mit 300 Gästen gefeiert hat, von denen viele wie bei einer Love Parade bunt und schrill erschienen waren. Auch seine sechste Ehe hielt nicht. „Atilla for ever“, hatte die Braut auf den Oberarm tätowieren lassen.

Danach traf Parge seine Schulfreundin Elisabeth Deininger wieder, zu der er gezogen ist und sich mit ihr verlobte. Sie war es, die ihn bis zum Tod pflegte. Nach einem längeren Klinikaufenthalt durfte er vor zwei Wochen nach Hause, wohl wissend, dass sein letzter Kampf nicht mehr zu gewinnen war.

Warum Parge ein „guter Junge“ war, erklärt sein Freund Ray Martin so: „Ihm war egal, ob einer sozial oben oder unten stand. Er hat gespürt, ob einer ein Herz hat. Wenn dem so war, war auf ihn immer Verlass.“