Im Trenchcoat und mit Hut löste Dietz-Werner Steck einst als Ernst Bienzle in Stuttgart 25 „Tatort“-Fälle Foto: Achim Zweygarth

Dietz-Werner Steck hat das Bild des bruddelnden, aber liebenswerten schwäbischen „Tatort“-Kommissars Ernst Bienzle geprägt. Die Rolle war ihm auf den Leib geschrieben.

Stuttgart - Freundlich grüßend, korrekt gekleidet, stets an der Seite seiner Frau Hanna und immer zu einem pointierten Kommentar bereit: Dietz-Werner Steck war ein gern gesehener Gast auf zahlreichen Stuttgarter Veranstaltungen, seien es Musicalpremieren oder der jährliche Landespresseball. Er war kein Mann für den schnellen Gag am Rand des roten Teppichs, sondern formulierte mit sonorer Stimme blitzgescheite Bonmots. Übrigens: „Der Bienzle“ sprach im wirklichen Leben Hochdeutsch. An Silvester ist der Schauspieler und langjährige Darsteller des kultigen Stuttgarter „Tatort“-Kommissars im Alter von 80 Jahren nach langer schwerer Krankheit in einem Stuttgarter Pflegeheim gestorben.

„Wir haben mit Dietz-Werner Steck einen großartigen Schauspieler und ein schwäbisches Original verloren“, sagte der SWR-Intendant Peter Boudgoust am Montag, als die Nachricht vom Tod des Schauspielers bekannt wurde. In 25 „Bienzle“-Folgen sei Steck nicht nur ein Garant für spannende Unterhaltung gewesen, sondern auch ein Botschafter für den Südwesten und seine Eigenarten: „Niemand konnte einen ,Bruddler‘ besser spielen als er.“

„Bienzle und der Biedermann“ hieß 1991 die Auftaktfolge aus der Feder von Felix Huby. Der Drehbuchautor hatte seinen schwäbischen Ermittler, übrigens ging es im ersten Fall um Subventionsbetrug, als einen Querkopf angelegt, „mit untrüglichem Sinn für Humor und Wirtschäftle, einen Mann für Stimmungen“.

„Ach, Hannelore!“

Steck wiederum beschrieb seine Rolle später als eine Art „Anti-Schimanski, kein Action-Held sei der Bienzle, sondern einer, der auf „das stille Beobachten“ setze. Das sei die Stärke der Figur, sagte er im Abschiedsinterview nach 15 Jahren „Tatort“-Ermittlungsarbeit, „dass Bienzle den Menschen nahe ist, sie mag, ihnen zuhört“. Der schwäbische Ermittler sei kein Zyniker, so wie viele seiner Kollegen. „Er ist einer, der seinem Gefühl folgt.“ Über die Jahre habe sein Kommissar zugenommen, dafür seien die Haare weniger geworden – und die Dialoge immer präziser. Er arbeite immer mehr mit knappen Äußerungen, manchmal auch nur mit Blicken. Gucken, verstehen, verhaften lautete das Bienzle-Prinzip, mit dem Steck ein Millionenpublikum begeisterte.

Der Bienzle ermittelte, indem er zunächst einmal Fragen stellte. An seiner Seite sind vor allem sein Kollege Günther Gächter (Rüdiger Wandel) und seine Dauerfreundin, die Künstlerin Hannelore Schmiedinger (Rita Russek) in Erinnerung geblieben. „Ach, Hannelore!“

Das Publikum liebte den Kommissar, der gerne Trenchcoat und Hut trug, und verlieh ihm den Ehrentitel „schwäbischer Columbo“. Rolle und Darsteller gingen immer mehr zusammen, Huby schrieb den Freund zur Figur – oder war es doch eher umgekehrt? Seit Anfang der 90er waren die beiden, Steck und Huby, eng verbunden. „Huby hat mich immer genauer kennengelernt und den Bienzle immer intensiver entwickelt. Die Figur hatte immer mehr mit mir zu tun“, erzählte Steck. „Und deshalb kommt sie auch glaubhaft rüber. Der Bienzle lebt mit mir und in mir.“

Wer ist ein Sensibelchen?

Und wer er sei? „Ein Sensibelchen“, gab er offen zu. „Einmal bin ich himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Besonders Ungerechtigkeit macht mir zu schaffen. Da könnte ich ausflippen.“

„Gecastet“ hatte der Autor seinen Hauptdarsteller am Theater. Steck spielte den Blindenwerkstattleiter im Stück „Ab heute heißt du Sara“, Huby war als Zuschauer bei der Premiere. Man kannte sich bereits länger, aber diese Rolle war laut Huby das Signal: „So, jetzt hab’ ich ihn, der Steck wird’s.“

Er war es 15 Dienstjahre, bis der SWR den Hauptkommissar Ernst Bienzle im Februar 2007 mit der letzten Folge „Bienzle und sein schwerster Fall“ in den Ruhestand schickte. Aufgeregt hat sich Steck durchaus darüber, an die große Glocke gehängt hat er seinen Ärger über den erzwungenen Ruhestand aber nie. Im Interview mit unserer Zeitung stellte er klar: „Felix Huby und ich hätten gern weitergemacht – er hat noch tausend Ideen gehabt. Dann wurde vom Sender gesagt: ,Aufhören, solange der Bienzle noch gemocht wird.‘ Wegen mir hätte es noch zehn Jahre gehen können. Mir hat’s zu früh aufgehört, absolut zu früh.“

Von Götz von Berlichingen bis Wagner

Werner Steck kam am 30. Juli 1936 in Waiblingen zur Welt. Sein Vater war Richter, der Sohn ging auf eine Waldorfschule. Schon in seiner Jugend imitierte er Stimmen. In den 50er Jahren folgte er dem Großvater, der Schauspieler am Nürnberger Theater war. Von 1959 bis 1962 ließ Steck sich an der Staatlichen Hochschule Stuttgart ausbilden. Erst in dieser Zeit fügte er seinem Vornamen den Dietz als Künstlernamen hinzu – auf Anraten seiner Schauspiellehrerin Lilly Ackermann.

Mehr als 30 Jahre lang, von 1962 bis 1996, war Steck Ensemblemitglied des Württembergischen Staatstheaters Stuttgart. Nicht immer war’s nur Stuttgart: So spielte er den Götz von Berlichingen (als Reverenz an den Großvater) am Originalschauplatz in Jagsthausen und überzeugte im Jahr 2000 als sächselnder Komponist Richard Wagner im Musical „Ludwig“ in Füssen.

Nach dem „Tatort“-Aus ging Steck mit dem Bühnenstück „Bienzle und der Tote am Neckar“, das Huby 2006 geschrieben hatte, auf Tournee und freute sich über ausverkaufte Häuser selbst in Norddeutschland. In Konstanz stand er als Willi Lohmann im „Tod eines Handlungsreisenden auf der Bühne“. Weitere Auftritte hatte er mit Titelrollen in schwäbischen Theaterstücken wie dem „Entaklemmer“ oder in Felix Hubys „Grüß Gott, Herr Minischter“. Fürs Fernsehen drehte Steck Filme wie „In Sachen Kaminski“ oder Serien wie „Laible und Frisch“. Für den SWR stand er bis ins Alter vor der Kamera, zuletzt in „Die Kirche bleibt im Dorf“.“ 2002 ist Steck mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet worden.

Eine große Liebe

Auch als der Kommissar längst im Ruhestand war, blieb der Schauspieler gern gesehener Gast bei vielen Anlässen. Es störte ihn nicht, wenn ihn der ein oder andere dabei als „Herr Bienzle“ grüßte. Gern erzählte er die Geschichte, dass er bei einer Kontrolle in der Schweiz keinen Pass dabeihatte und dem Polizisten eine Autogrammkarte als Ausweis genügte.

Er habe von vornherein gewusst, dass die Rolle des „Tatort“-Kommissars sein Leben verändern würde, sagte er. „Vorher war ich in Stuttgart nur durchs Theater bekannt. Dann haben einen plötzlich Leute angerufen, die einen früher nicht mal angeguckt haben.“ Der „Spätberühmte“, er war immerhin Mitte 50, als der Bienzle startete, genoss seinen Ruhm.

Genauso sehr liebte er aber auch die Ruhe bei seinen häufigen Waldspaziergängen vor seiner Haustür. „Ich beobachte unheimlich gern Menschen“, verriet er anlässlich seines 75. Geburtstags. Zudem liebte er den freien Blick auf den Sonnenuntergang aus seinem Fenster im 16. Stock der Wohnanlage Asemwald. Zuletzt war es ruhig um ihn geworden. Seit rund zweieinhalb Jahren lebte Steck im Pflegeheim in Birkach. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten und einem Schlaganfall saß er im Rollstuhl. Den 80. Geburtstag im vergangenen Juli feierte er mit der Familie.

Hanna und Dietz-Werner Steck waren fast 48 Jahre miteinander verheiratet. Im Urlaub auf Mallorca hatten sie sich kennengelernt. Es war eine große Liebe. Eindringlich hat Hanna Steck über unsere Zeitung die Bitte an die Öffentlichkeit gerichtet, dass man sie in aller Ruhe von ihrem Mann Abschied nehmen lässt. Der Ort und der Zeitpunkt der Beisetzung sollen geheim bleiben.