„Bilder im Kopf“ – so heißt Michael Ballhaus’ Autobiografie. In der Nacht vom 11. auf den 12. April ist der bedeutendste deutsche Kameramann im Alter gestorben.Foto:dpa Foto:  

Er war einer der großen Bildvisionäre unserer Zeit: Er drehte mit Rainer Werner Fassbinder oder Martin Scorsese Kinofilme, stand bei Musikvideos von Prinz oder Madonna hinter der Kamera. Jetzt ist der deutsche Kameramann Michael Ballhaus im Alter von 81 Jahren gestorben.

Stuttgart - Die einen schwärmen von der Leichtigkeit, mit der Michael Ballhaus’ Kamera in „Die fabelhaften Baker Boys“ die sich auf einem Flügel räkelnde Michelle Pfeiffer umkreist. Andere von den Bildkompositionen, mit denen er in den 1970er Jahren den neuen deutschen Film formal bestimmte. Auf sein Können verließen sich Regie-Schwergewichte wie Francis Ford Coppola und Martin Scorsese. Michael Ballhaus musste keinem mehr etwas beweisen. Auch wenn die Academy of Motion Picture Arts and Sciences es bisher versäumt hat, ihm zu Lebzeiten einen Oscar zu geben. Wie seine Familie mitteilte ist Ballhaus, der wichtigste deutsche Kameramann, in der Nacht vom 11. auf den 12. April gestorben. Er wurde 81 Jahre alt.

Ballhaus war ein Workaholic. Anstatt Geburtstage zu feiern, drehte er lieber. Zum Beispiel an seinem 70. Geburtstag, als er wieder einmal seiner Lieblingsbeschäftigung nachging und Schauspieler wie Leonardo DiCaprio, Jack Nicholson und Matt Damon für Martin Scorseses „Departed – Unter Feinden“ ins rechte Licht rückte. Dieser Polizeithriller aus dem Jahr 2006, in dem Ballhaus mit kühlen Bildern und großer Tiefenschärfe die Szenerie des Bostoner Untergrunds ausleuchtete, war bereits die siebte Zusammenarbeit mit Scorsese.

Ein Virtuose der bewegten Bilder

Auf die schwarze Komödie „Zeit nach Mitternacht“ (1984) folgten das Billarddrama „Die Farbe des Geldes“ (1986), der Mafiastreifen „Goodfellas“ (1989) oder das Sittengemälde „Die Zeit der Unschuld“ (1992), bei der vor allem eine Tanzszene in Erinnerung geblieben ist, bei der auch Michael Ballhaus’ Kamera graziöse Pirouetten dreht. Und für „Gangs Of New York“ (2002) wurde Ballhaus bereits zum dritten Mal – nach „Nachrichtenfieber“ (1987) und „Die fabelhaften Baker Boys“ (1989) – für einen Oscar nominiert, ging aber zum dritten Mal leer aus.

„Natürlich würde man das Ding ganz gerne mal nach Hause tragen, aber mir ging es immer viel mehr um die Arbeit als um die Trophäen“, hat Ballhaus einmal gesagt. Auch ohne Oscar gehörte er neben den Regisseuren Roland Emmerich und Wolfgang Petersen und dem Komponisten Hans Zimmer zu den erfolgreichsten deutschen Filmschaffenden in Hollywood.

Den virtuosen Umgang mit der Kamera hatte sich Ballhaus bei Max Ophüls abgeschaut. Als er – damals noch als Bühnenfotograf – bei den Dreharbeiten zu „Lola Montez“ zuschaute, war er so fasziniert, dass er beschloss, Kameramann zu werden. Sein Handwerk lernte er beim Südwestfunk in Baden-Baden. 1959 fing er als Kameraassistent an. Damals hatte er nur eine zweijährige Ausbildung zum Fotografen vorzuweisen, stieg aber trotzdem bereits ein Jahr später zum Chefkameramann auf.

Kurze Zeit nach seinem Kinodebüt – der Dieter-Hallervorden-Farce „Mehrmals täglich“ (1968) – begann die Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder, der damals noch ein talentierter Amateur war. Gemeinsam machten sie 18 Filme. Und die minimalistische Ästhetik, die Ballhaus sich bei Fassbinder-Filmen wie „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1971), „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“ (1975) und „Die Ehe der Maria Braun“ (1978) aneignete, prägte auch Ballhaus’ erste Arbeiten in den USA, in die er 1982 übersiedelte.

Dort drehte er über 40 Filme, bebilderte Francis Ford Coppolas Vampir-Oper „Dracula“ ebenso wie Wolfgang Petersens Action-Reißer „Air Force One“ oder Robert Redfords Golfer-Epos „Die Legende von Bagger Vance“. Er stand aber auch für Videoclips von Madonna oder Prince hinter der Kamera.

Vorzeitiges Karriereende

In Deutschland kümmerte sich Michael Ballhaus lieber um weniger spektakuläre Projekte: Er übernahm im Herbst 2009 an der Hamburg Media School die Fachbereichsleitung Kamera, betreute die Restaurierung des Fassbinder-TV-Zweiteilers „Welt am Draht“ (1973), die 2010 auf der Berlinale gezeigt wurde, übernahm die Kameraarbeit in Sherry Hormanns Natascha-Kampusch-Drama „3096 Tage“ (2013).

Und als 74-Jähriger versuchte er sich sogar dann auch noch einmal als Regiedebütant, inszenierte 2009 den Kinofilm „In Berlin“ – eine innige Liebeserklärung Ballhaus’ an seine Geburtsstadt als eine faszinierende Metropole.

Dass er zuletzt nicht mehr hinter der Kamera stand, war keine freiwillige Entscheidung. Eine Augenerkrankung machte es ihm unmöglich weiterhin als Kameramann zu arbeiten. Die Welt muss sich nun ohne diesen virtuosen Bildererfinder im Kreis drehen. Ihr wird dabei aber die Eleganz und Leichtigkeit des Ballhaus-Blicks fehlen.