Charley Pride brachte auf seine Art die Integration in den USA voran. Foto: dpa/Charlie Neibergall

Lange wollte ihn keiner ins Studio lassen: Als Charley Pride, der nun im Alter von 86 Jahren an Covid-19 gestorben ist, Anfang der Sechziger nach Nashville kam, gab es dort keine afroamerikanischen Stars. Aber dann begann eine faszinierende Erfolgsgeschichte.

Dallas - Man hätte, wenn er live auf eine Bühne trat, vor jenes weiße Publikum, das seine Hits bis dahin nur aus dem Radio kannte, oft die berühmte Stecknadel fallen hören, hat der Country-Star Charley Pride später erzählt. Denn fürs Publikum war Charley Pride bis dahin ein Kerl mit einer tollen Stimme gewesen, einer mit gefühlvollen Texten, mit vollendetem Gespür für das neue Nashville. Das bot keine raue Volksmusik mehr, sondern hochglanzpolierte Songs über die Alltagserfahrungen und das Selbstverständnis des weißen, konservativen Amerika. Aber Charley Pride, der nun am 12. Dezember 2020 im Alter von 86 Jahren an Covid-19 gestorben ist, war in einem entscheidenden Punkt ganz anders, als das Publikum sich ihn vorgestellt hatte: Er war Afroamerikaner.

Er sei „ein Gentleman, eine Legende und ein echter Vorreiter“ gewesen, twitterte Prides Kollege Billy Ray Cyrus über ihn: „Er hat Mauern eingerissen, die teilen sollten.“ Tatsächlich wurde Pride als erster Afroamerikaner in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. Er war auch erst der zweite schwarze Musiker, der einen Platz im Team der Grand Ole Opry bekam, der potentesten Radioshow- und Livekonzertreihe der Country-Musik. Vor ihm war das nur dem Mundharmonikaspieler DeFord Bailey gelungen, in ganz anderen Zeiten, als Country-Musik noch nahe dran war an echter Dorfmusik. Diesen DeFord Bailey aber hatte man, das ist eine Geschichte für sich, 1941 schon wieder hinausgeworfen. Als Pride Anfang der Sechziger nach Nashville kam, erinnerte sich keiner mehr an diesen Pionier.

Falsche Hautfarbe

Ein toller Country-Mann mit der ganz falschen Hautfarbe: jahrelang bekam Charley Pride in der Countryhauptstadt auf die Schulter geklopft und dann die Tür ins Gesicht geworfen. Kein Label traute sich an ihn heran. Bis Chet Atkins, regierender Gitarrengott, Superstar und zugleich so etwas wie eine moralische Instanz in Nashville, Pride unter seine Fittiche nahm. Das Label RCA beugte sich dem Willen von Atkins – und feierte mit Pride Erfolge wie seit den Tagen von Elvis Presley nicht mehr.

Pride erfüllte eigentlich jedes Klischee eines afroamerikanischen Künstlers. Er kam aus bitterarmen Verhältnissen in Mississippi, wuchs als viertes von elf Kindern eines Baumwollpflückers in einer Holzhütte auf. Der Weg heraus aus dem Elend sollte über den Sport führen, denn Pride war ein talentierter Baseball-Spieler. Erst eine Verletzung brachte ihn dazu, es nebenher auch mit Musik zu versuchen. Später war Pride dann Miteigentümer des Baseball-Teams Texas Rangers: ein wahr gewordenes amerikanisches Erfolgsmärchen.

Unikum in der Soul-Ära

Für einen Mann seiner Herkunft hätte das eigentlich auf Soul und R&B fußen müssen. In den Sechzigern wuchs dieser Bereich ja so, dass er schwarze Millionäre hervorbrachte und massenhaft junge weiße Fans zu schwarzer Musik zog. Die Musik von Soullabels wie Motown, Atlantic und Stax aber war die Musik sich eines sich verändernden Amerikas, der Soundtrack von Umbrüchen, die vielen von jenen Angst machten, die dauerhaft Country-Sender im Radio eingestellt hatten. Man kann sich heute wohl gar nicht mehr vorstellen, wie fremd sich Pride, der viele eigene Rassismuserfahrungen hatte, im Kosmos von Nashville manchmal gefühlt haben muss.

Pride durfte sein Publikum nicht verschrecken, Dass er dabei nicht in die Überreaktion verfiel, einen Uncle Tom mit Cowboyhut abzugeben, ist seine größte Leistung. Pride trat zwar nicht konfrontativ, aber völlig souverän auf. Er sei also einer von den „dauerhaft Sonnengebräunten“, scherzte er, wenn er wieder mal beim Gang auf die Bühne offene Münder im Publikum sah, und das war keine Selbstverleugnung. In Liedern und in Geschäften, auf der Bühne und im Alltag lebte Pride beispielhaft eine Integration vornweg und hat wohl vielen Verschreckten Hoffnung gegeben, dass die möglich sei und eben nicht den Untergang der USA bedeute.

Genau hinhören lohnt

Nebenbei gehört, kann man Prides Musik einfach für klassischen Nashville-Sound aus der oberen Schublade der Schmusesänger halten. Erst wenn man richtig hinhört, wird einem klar, was da passierte: 1970 etwa bittet er in „Is anybody goin’ to San Antone“ in der Rolle des Anhalters, der im Regen die Straße entlangläuft, um eine Mitfahrgelegenheit. In Zeiten von „Black Lives mater“ wird einem das Gewagte, die brisante Schnittlinie zwischen ganz normalem Leben und mörderischer weißer Paranoia, wieder so richtig klar.

„Charley, wir werden dich immer lieben“, hat Country-Star Dolly Parton versprochen, und ihre Kollegin Reba McEntire gelobte, er werde „immer in Erinnerung bleiben mit seiner großartigen Musik, wunderbaren Persönlichkeit und großem Herz“. Was man aus vielen Gründen nur wünschen kann.

Und hier noch fünf Songs von Charley Pride für Neuentdecker:

„Is Anybody Goin’ to San Antone?

„Kiss an Angel Good Morning

„I Wonder Could I Live There Anymore“

„Just Between You and Me“

„Able Bodied Man“

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