Vic Damone (1928–2018) war einer der großen amerikanischen Schmusesänger ohne Schmu.Foto: Columbia Foto:  

Der Sänger Vic Damone wusste, wie man eine Schnulze zur Wirkung bringt. Der Crooner, der am 11. Februar 2018 im Alter von 89 Jahren gestorben ist, besaß eine der schönsten Stimmen im Popgeschäft von einst. Wir erinnern an ihn – mit Worten und mit Musik.

Miami Beach - Als Frank Sinatra seinen späteren Freund und Schützling das erste mal hörte – Sinatra saß gerade in einer heimischen Pokerrunde mit erstklassigen Songschreibern wie Sammy Cahn und Jimmy Van Heusen – verzweifelte er an der vermeintlichen Ignoranz des Radioansagers. Der verkündete dem Publikum, es habe gerade Vic Damone gehört. Sinatra schmiss die Arme in die Luft: „Wie? Was? Das war doch ich, der da gerade gesungen hat!“ Aber Sinatra irrte. So erzählte es jedenfalls Vic Damone in seiner Autobiografie „Singing was the easy Part“.

Damone, der am 11. Februar 2018 in Miami Beach im Alter von 89 Jahren gestorben ist, war einer jener großen Sänger von Erwachsenen-Pop, die im Gedächtnis von Europäern allesamt im langen Schatten von Sinatra verschwinden. Dabei hatte der mit Kollegenlob nicht verschwenderisch umgehende Sinatra dem jüngeren Damone bescheinigt, er habe „die besten Pfeifen in der Branche“ („the best pipes in the business“).

Manchmal war schon ein bisschen Kitsch dabei

Tasächlich war Damone auf der Musicalbühne erfolgreich, füllte beim Label Capitol in den sechziger Jahren die Lücke, die Frank Sinatra dort hinterließ, und wurde zur Attraktion in Las Vegas. Nur mangelte es ihm wie vielen seiner Kollegen an jenem sicheren Instinkt, mit dem Sinatra Gefühl und Kitsch trennte. Oder manchmal mag Damone schlicht der Mumm gefehlt haben, allzu süßliche Produktionen, knieweiche Arrangements und zweitklassige Lieder abzulehnen.

Aber Damone blieb stets akkurater Vollprofi. Wenn das Material stimmte, konnte er nicht nur als Italo-Crooner alle Frauenaugen zum Glänzen bringen – und eifersüchtig werdende Mafiosi darüber nachdenken lassen, ihn mal kopfab aus einem hohen Fenster baumeln zu lassen (in solch einer unangenehmen Situation befand er sich mal, behauptet eine der beliebtesten Anekdoten über ihn). Nein, Damone konnte dann auch Menschen verzücken, die Jazzgesang mögen: mit seiner sensiblen Intonation, seinem lässigen Verschleppen, seinem Talent, an der genau richtigen Stelle eines Liedes mächtigen Druck auszuüben, ohne kraftmeierisch zu werden, immer der elegant führende Tänzer, nie der muskelpralle Herumzerrer.

Schmusen ohne Schmu

Auf LPs wie „This Game of Love“ und „On the Swingin Side“ (1961) durfte Damone zeigen, dass er einer der großen Schmusesänger ohne Schmu war. Der Jazzkritiker Will Friedwald, Spezialist für Sänger und Sinatra-Biograf, war nicht der größte Damone-Fan, aber auch er gestand ihm zu, „the prettiest voice in pop“ zu besitzen, die schönste Stimme im Popgeschäft. Es klang ein wenig, als würde er ihn am liebsten eifersüchtig aus einem Fenster baumeln lassen.

Damones Hits auf Youtube: „On the Street where you live“

1. „On the Street where you live“ aus dem Musical „My Fair Lady“ wurde 1961 einer der großen Erfolge von Vic Damone. Die Originalaufnahme ist okay, hat aber doch zuviel Streicher an den falschen Stellen. Diese Live-Version aus dem Jahr 1963 ist sehr viel lebendiger und freier.

„So in Love“

2. „So in Love“ war zwar keiner der Hits, die Damone schon ab 1947 platzieren konnte. Aber der Song ist typisch für die Ära, und dies ist obendrein ein Stück Fernsehgeschichte: der junge Damon 1949 (!) vor einer Studiokamera, und man merkt, wie nervös das Gerät ihn macht.

„An Affair to remember“

3. Für Leo McCareys Film „An Affair to remember – Die große Liebe meines Lebens“ mit Deborah Kerr und Cary Grant sang Vic Damone 1957 das Titellied – nicht das einzige Mal, dass das Kino ihn einsetzte. Er gurrt und schnurrt und schmachtet laut und selbstbewusst – aber es ist eben die Art Lied, die Frank Sinatra viel leiser und dezenter dargeboten hätte.

“I have but one Heart“

4. „I have but one Heart“ ist ein klassischer Frauenbeknier, und Vic Damone zähmt das Schnulzige durch die schiere Präzision seines Vortrags. Das Lied machte später auch ohne ihn Karriere: Es taucht in der Hochzeitsszene von Francis Ford Coppolas „Der Pate“ auf. Dort singt es allerdings Al Martino.

„Let’s face the Music and dance“

5. „Let’s face the Music and dance“ ist keine der bebenden Balladen, für die Vic Damone von den Fans so geliebt wurde. Aber der Song zeigt, was er eben auch konnte: flott und fröhlich swingen.