Kim Ki-duk war eine Zeit lang der im Ausland erfolgreichste koreanische Regisseur. Foto: AP/Pavel Golovkin

Der koreanische Filmemacher Kim Ki-duk, einst Liebling der Festivals, ist im Alter von 59 Jahren an Covid-19 gestorben. Bequeme, heitere Filme waren nie seine Sache. Er ging in die Extreme.

Stuttgart - Im Jahr 2017 wurde es hässlich. Kim Ki-duk, einer der wichtigsten Regisseure des koreanischen Kinos, sah sich mit massiven Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Unter anderem soll er bei Dreharbeiten eine Schauspielerin auch mit Schlägen zu einer Sexszene gezwungen haben. Kim stritt das ab, aber zur Hochzeit der Metoo-Bewegung schien das vielen Außenstehenden nur die miese Aufklärungsverweigerung eines weiteren Menschenschinders.

Irrtum und Qual

Anders als bei manchem anderen Künstler waren es bei Kim Ki-duk gerade die Kenner des Werks, die nicht ob ihrer Wertschätzung für das Schaffen die Vorstellung abblockten, der Schöpfer könne dunkle Seiten haben. Kim Ki-duks sehr individuelles, wagemutiges Kino war immer eines der Extreme. Der Regisseur, der nun am 11. Dezember wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag an Covid-19 gestorben ist, suchte und fand den Schnittpunkt von Philosophie und tierischem Erbe, von stiller Durchgeistigung und extremer Brutalität, von Seelenreinigung und Triebentfesselung.

Vor seinem Wechsel zum Film hatte Kim als Maler gearbeitet, und das sieht man der großen Konzentration auf Bildwirkungen, dem Vertrauen in die lange Einstellung oder die ausführliche Montage dialogloser Momente an. „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling“ (2003), „Samaria“ (2004), „Bin-jip – Leere Häuser“ (2004) und „Hwal – Der Bogen“ (2005) sind so schön fotografiert, dass man beim Anblick einzelner Bilder nicht glauben würde, wie unbarmherzig Kim untersucht hat, ob das Leben eigentlich mehr als Leere, Irrtum und Qual ist.

Die große Blockade

Wie ernst dieser Regisseur es meinte, legte 2011 der Dokumentarfilm „Arirang“ offen, der von der großen Schaffenskrise erzählt. Kim Ki-duk war sich nun, nach dem Beinahe-Tod einer Schauspielerin, sicher, dass er es einerseits viel zu weit getrieben hatte und andererseits nicht weit genug gekommen war. Was er wirklich erreichen wolle, fürchtete er da offensichtlich, ließ sich weder mit Malen noch mit Filmemachen zuwege bringen.

Schon im nächsten Jahr zeigte Kim dann, dass er die Drehblockade überwunden hatte. „Pieta“, ein heftiges Mutter-Sohn-Stück um Rache und Erlösung, brachte ihm zwar bei den Filmfestspielen von Venedig 2012 den Goldenen Löwen ein. Aber Kim war sichtlich in eine neue Phase eingetreten.

Der Weg zum Licht

Die Morde und Vergewaltigungen, die Kastrationen und Tierquälereien, das Irrewerden seiner Protagonisten und deren vorsätzliche oder versehentliche Destruktionsläufe hatten stets etwas von forschendem Experiment gehabt. Kim ging tief hinein ins Dunkel, manchmal in den hellsten Bildern, um zu schauen, ob es Wege nach draußen gab. „Pieta“ war mit all seinen Bezügen zur katholischen Glaubenswelt so etwas wie die Behauptung, diesen Weg nun in der Religion gefunden zu haben. Aber die klang falsch: Der Film, der vermeintlich von Erlösung erzählte, zeigte den Triumph des Dunkels über das Licht.

Kino als Zeitvertreib, als kleine Ausklinkmöglichkeit aus der Realität, das war nie Kim Ki-duks Konzept. Schien ihm einer seiner Mitstreiter in anderen Filmprojekten zu kommerziell zu werden, nannte er ihn offen Verräter. Kim Ki-duks Filme sind Strapazen, aber bereichernde. In einem Interview hat er über das Kino einmal gesagt: „Es ist leichter, das Publikum zu ändern als das System. Das System wird vom Geld bestimmt. Aber ein Publikum kann man, das ist meine feste Hoffnung, überzeugen, dass Filme mehr sind als nur Unterhaltungsware.“ Vielleicht ist das eine weltfremde Hoffnung im Zeitalter der Empfehlungsalgorithmen der Streamingdienste. Aber eine, die das Kino und die Gesellschaft dringend braucht.