Bei der WM 2019 in Östersund hat sich Denise Herrmann einen Medaillensatz gesichert: Gold, Silber und Bronze Foto: dpa/Sven Hoppe

Im Jahr eins nach dem Rücktritt der siebenmaligen Weltmeisterin Laura Dahlmeier stellt sich die Frage nach der Nachfolgerin. Denise Herrmann, die Bundestrainer Mark Kirchner dafür auserkoren hat, sträubt sich allerdings gegen diese Rolle.

Östersund - Zwei Olympiasiege, sieben WM-Titel und 20 Weltcup-Erfolge. So steht’s in der Erfolgsbilanz von Laura Dahlmeier, und diese Aufzählung umfasst nur die größten Meriten. Die kleine Partenkirchnerin war in den vergangenen Jahren die Größte im Biathlon, die Frontfrau des deutschen Teams, das Objekt der Begierde bei den Reportern und der uneingeschränkte Liebling der Fans. Doch im Frühling trat sie nicht völlig unerwartet mit 25 Jahren zurück. Die alte Königin hat abgedankt – es lebe die neue Königin.

Doch wer nimmt den Platz auf dem Thron in der deutschen Mannschaft ein, wenn die Weltcup-Saison in Östersund mit der Mixed-Staffel an diesem Samstag (13.10 Uhr/ARD) beginnt? Mark Kirchner hat da eine ganz klar umrissene Vorstellung. „Denise Herrmann wird in dieser Saison die absolute Frontfrau des Damenteams sein“, betont der sonst häufig mitteilungsarme Thüringer. Aber der Mann ist Bundestrainer, und wenn er per Akklamation eine neue Königin bestimmt, dann ist daran eigentlich nicht zu rütteln. Natürlich hat Denise Herrmann diese Erhebung in den Biathlon-Adelsstand vernommen, doch so richtig mag sie diese Ehre nicht annehmen.

„Wir sind ein gutes Team“, antwortet die amtierende Weltmeisterin in der Verfolgung auf die Frage nach der Dahlmeier-Erbin, „wir werden zeigen, dass wir in ihre Fußstapfen treten können.“ Wir. Die Mannschaft. Denise Herrmann gibt sich alle Mühe, nicht die Rolle der Frontfrau zugeteilt zu bekommen. Nicht eine allein muss für die Erfolge sorgen, „wir sind stark genug, so dass jedes Weltcup-Wochenende eine andere auf dem Podest stehen kann“, betont die 30-Jährige. Monarchie? Nein, danke! Franziska Preuß, vergangene Saison zweitbeste Deutsche im Weltcup, Franziska Hildebrand und Vanessa Hinz sind mehr als lediglich Vasallinnen. „Wir wechseln uns auf dem Podium ab, wer am Ende oben steht, das ist doch egal“, sagt Denise Herrmann frohgemut und lächelt die ihr zugedachte Favoritenbürde einfach weg.

Am Schießstand berühren sich Himmel und Hölle

Ganz so einfach wird’s aber womöglich nicht werden. Denn die Sportlerin vom WSC Oberwiesenthal scheint geradezu prädestiniert dafür, die deutschen Frauen anzuführen – auch weil der Saisonauftakt in dem beschaulichen schwedischen Städtchen stattfindet. In Östersund ist aus der Langlauf-Umschülerin Denise Herrmann eine Biathlon-Weltmeisterin geworden: Gold in der Verfolgung, zudem wurde sie mit Silber mit der Mixed-Staffel und Bronze im Massenstart dekoriert. Die meist gut gelaunte Blondine wies eine bessere WM-Bilanz als Dahlmeier auf, die sich allerdings durch eine von Krankheiten und Verletzungen gepeinigte Saison geschleppt hatte. Östersund ist so etwas wie das behagliche Wohnzimmer der Denise Herrmann, denn in Mittelschweden hatte sie auch ihre ersten beiden Weltcup-Einzelsiege im Dezember 2017 gefeiert.

Nun weiß die gebürtige Sächsin, dass Biathlon mitunter ein widerwärtiges Glücksspiel ist, dass sich der Roulette-Tisch in Monte Carlo gefühlt nur in Nuancen vom Schießstand in Hochfilzen oder Antholz unterscheidet. Ein Ort, wo sich Himmel und Hölle berühren. Auch Denise Herrmann ist eine, die so manches Spitzenresultat vor allem im Stehen verballert hat; in der Loipe zählt die ehemalige Langläuferin seit ihrem Umstieg im Mai 2016 zum Biathlon zu den Schnellsten. „Wenn ich wieder so eine Form am Schießstand habe wie in der zweiten Hälfte der vergangenen Saison“, sagt sie, „und wenn ich eine ähnlich gute Laufleistung hinbekomme, dann könnte ich etwas damit anfangen.“ 78 Prozent der Scheiben hat die Sportsoldatin in der vergangenen Saison abgeräumt, Weltcup-Gesamtsiegerin Dorothea Wierer (Italien) brachte es auf 85 Prozent, Laura Dahlmeier gar auf 87 Prozent. „Man kann sich immer irgendwo verbessern“, sagt Herrmann und hat dabei vielleicht sogar die sagenhafte Quote von 93 Prozent von Dahlmeier in der Saison 2014/2015 im Hinterkopf.

Denise Herrmann ist die heimliche Königin

Da sind sie wieder, der Name der einstigen Star-Biathletin Deutschlands und eine Bestmarke, an denen ihre Nachfolgerinnen gemessen werden. Denn eines ist sicher: Es wird sich wieder eine in den Fokus der Medien und der Anhänger laufen und schießen – auf die burschikose Urbayerin Uschi Disl folgten die knallig rothaarige Kati Wilhelm sowie die unscheinbare Andrea Henkel, dann betrat der Liebling der Nation, Magdalena Neuner, die große Bühne, schließlich bündelte die zierliche Kämpferin Laura Dahlmeier das Interesse. Nun könnte Denise Herrmann die nächste Königin werden – die heimliche ist sie zumindest schon.