Für den Model 3 gibt es bereits rund 400 000 Vorbestellungen. Foto: AP

Bisher hat Tesla Elektroautos nur für Menschen mit unglaublich viel Geld gebaut. Das ändert sich nun: Den Model 3 können sich sogar auch Menschen mit sehr viel Geld leisten. Die Fangemeinde bangt, ob die Kalifornier dieses Mal den Liefertermin halten können.

Stuttgart - Tesla will mit Elektroautos an die Spitze. In der Oberklasse ist das schon gelungen. Im letzten Jahr hat der Newcomer die deutschen Premium-Mobile Audi A 8, BMW 7er und Mercedes-S-Klasse auf dem US-Markt ausgebremst. Jetzt will Tesla die Premiumliga der Mittelklasse angreifen – nämlich Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse – mit einem Elektromobil namens Tesla Model 3, dessen Produktion an diesem Freitag startet. Bisher reagierten die deutschen Hersteller auf den US-Elektroschock mit Ankündigungen. Audi mit der Studie e-tron quattro, Mercedes mit der Elektromarke EQ und Porsche mit dem Elektroviersitzer Mission E. Diese Oberklasse-Elektromobile zielen auf die aktuelle Tesla-Limousine S und dem SUV X , kommen aber erst in zwei Jahren auf den Markt.

Tesla zielt mit dem Model 3 schon heute auf den stückzahlstarken Mittelklassemarkt . Bisher hatte Tesla die Sportlimousine Model S im Angebot und das Model X, eine SUV mit Flügeltüren. Beide strecken sich auf rund fünf Meter, bieten in der stärksten Variante rund 700 PS, beschleunigen von 0 auf 100 in weniger als vier Sekunden, versprechen eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern und das zu einem Preis von rund 70 000 bis über 100 000 Euro – je nach Variante. 2016 hat Tesla gerade mal 76 000 Autos ausgeliefert . Mit der Mittelklasse-Limousine Model 3 wollen sich die Kalifornier vom defizitären Nischenanbieter zum rentablen Volumenhersteller entwickeln. Schon 2018 – zwei Jahre früher als bisher angekündigt – soll die Kapazität auf 500 000 Autos jährlich hochgefahren werden und für 2020 peilt Tesla-Chef Elon Musk eine Jahresproduktion von einer Million Fahrzeuge an.

Man darf gespannt sein, ob Tesla den Liefertermin für das Model 3 hält

Hintergrund dieses ambitionierten Zieles ist die starke Nachfrage nach dem Model 3, für das binnen weniger Wochen rund 400 000 Vorbestellungen eingingen, obwohl dafür eine Reservierungsgebühr von 1000 US-Dollar verlangt wurde. Der Fünfsitzer Model 3 soll rund 350 Kilometer Reichweite bieten, von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in sechs Sekunden beschleunigen und umgerechnet rund 31 000 Euro kosten. Das ist in etwa die Preislage der deutschen Elektromobile BMW i3, Mercedes B-Klasse Electric Drive und des VW Golf E, die allerdings aktuell weniger Reichweite und Leistung bieten. Eine Hoffnung der Konkurrenz bleibt: Tesla hat es bisher nie geschafft, neue Modelle fristgerecht zu liefern. Die SUV-Variante Model X wurde beispielsweise zwei Jahre später als geplant ausgeliefert und es bleibt die Frage, ob mit dem Model 3 die Liefertermine eingehalten werden können.

Doch Tesla hat sich beim Model 3 auf hohe Stückzahlen vorbereitet. Den wichtigsten Teil des Elektromobils, die Batterie, baut Tesla mit staatlicher Unterstützung und zusammen mit dem japanischen Konzern Panasonic in der – nach eigener Einschätzung – größten Batteriefabrik der Welt im US-Bundesstaat Nevada. Die Produktion soll noch in diesem Jahr starten. Tesla hat sich auch in der Produktion verstärkt und hat die Firma Grohmann Engineering, einen auf automatisierte Produktionstechniken spezialisierten Anlagebauer in der Eifel, gekauft. Das deutsche Unternehmen ist auch ein wichtiger Zulieferer für die deutsche Autoindustrie, die sehr reserviert auf den Tesla-Einstieg reagierte.

Das Tesla-Modell funktioniert an der Börse und in der Produktion

Obwohl Tesla seit der Gründung 2003 noch keinen Cent verdiente und in den Stückzahlen weit hinter den etablierten amerikanischen Wettbewerbern General Motors und Ford zurückliegt und seinen Anteilseignern bisher keine Dividende zahlte, genießt der Elektrospezialist an der Börse große Sympathie. Die Aktionäre setzen auf die hohen Kurssteigerungen. Im vergangenen Jahr hat die Tesla-Aktie in der Spitze bis zu zwei Drittel an Börsenwert gewonnen, und damit war der Newcomer zeitweise mehr wert als General Motors. Erst Anfang Juli hat die Aktie so weit nachgegeben, dass GM nach drei Monaten Tesla wieder überholte: Grund war, dass Musk am Montag getwittert hatte, das kalifornische Unternehmen erwarte für Dezember eine Monatsproduktion von 20 000 Fahrzeugen seines neuen Model 3 und damit weniger als zuvor geschätzt. Dennoch: Das Tesla-Modell funktioniert an der Börse und in der Produktion.

BMW-Chef Harald Krüger sieht einen reinen Elektroautohersteller wie Tesla im Vorteil: „ Natürlich haben die neuen Wettbewerber keine Motorenwerke für Diesel oder Benziner. Für uns ist diese Technologie dagegen die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg der Gegenwart, mit dem wir die Investitionen für morgen finanzieren. Dagegen können sich die neuen Wettbewerber voll auf den Elektromotor konzentrieren“. Das werden sie tun, und es hat Konsequenzen – für Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeitsplätze.

Die traditionellen Autohersteller belasten sich mit dreifachem Aufwand in Entwicklung und Produktion: einmal müssen die Benzin- und Dieselmotoren weiter entwickelt, die Hybridtechnik gestemmt und schließlich die Elektromobilität vorangebracht werden – ein kostentreibender Kraftakt. Volkswagen-Entwicklungsvorstand Frank Welsch sagt: „ Wir können auf Dauer nicht alles parallel machen , dafür sind die Kosten und der Aufwand zu hoch“. Die Frage bleibt: wer ist auf diese automobile Zukunft besser vorbereitet: die etablierten Autohersteller mit den Lasten der technischen Vergangenheit oder die Newcomer wie Tesla, die unbelastet in die elektrische Zukunft starten.