Mit Kolben ist der Zulieferer Mahle groß geworden. Mittlerweile haben sie eine nur noch relativ geringe Bedeutung. Foto: Mahle

Der Autozulieferer reagiert auf die konjunkturelle Abschwächung in der Autoindustrie. Auch der geplante Bau der neuen Firmenzentrale in der Landeshauptstadt ist gestoppt. Im Bereich Forschung und Entwicklung wird aber nicht gespart.

Stuttgart - Das Sparprogramm, das der Automobilzulieferer Mahle im März angekündigt hat, nimmt Gestalt an. Das Stiftungsunternehmen hat den geplanten Neubau seiner Firmenzentrale gestoppt und will am Standort Stuttgart 380 der derzeit 4300 Arbeitsplätze streichen. Der Stellenabbau soll bis Ende 2020 im Rahmen von Altersteilzeit und Aufhebungsverträgen erfolgen, kündigte Mahle-Chef Jörg Stratmann in Stuttgart an. Betriebsbedingte Kündigungen will der Zulieferer zwar vermeiden, sagte Michael Glowatzki, der in der Geschäftsführung für das Personal zuständig ist; ausschließen wollte er sie allerdings nicht. Bis Ende des Jahres gilt allerdings noch eine Beschäftigungssicherung. Das Unternehmen plant, Jobs in den indirekten Bereichen zu streichen, wozu etwa die Verwaltung gehört. „In den nächsten Tagen“ will die Geschäftsleitung die Gespräche mit den Vertretern der Arbeitnehmer aufnehmen. Mahle beschäftigt weltweit 79 600 Mitarbeiter, rund 13 200 davon in Deutschland.

Wann mit dem Bau der neuen Firmenzentrale, die unmittelbar neben der alten stehen soll, begonnen wird, ist unklar. Stratmann machte die Wiederaufnahme des Baus nicht zuletzt von der Marktentwicklung abhängig.

Kein Abbau in der Produktion

In der Produktion stehe derzeit kein Stellenabbau an, sagte Glowatzki weiter. In den Werken könnten Schwankungen etwa über Leiharbeiter und zeitlich befristete Verträge ausgeglichen werden. Mahle habe derzeit rund 750 Leiharbeiter in Deutschland – allerdings keine am Stammsitz in Stuttgart. Aber auch die zeitlich befristete Versetzung von Mitarbeitern erhöhe die Flexibilität des Unternehmens. So würden etwa 50 Beschäftigte aus dem Dieselwerk Rottweil ins 50 Kilometer entfernte Werk nach Leibertingen entsandt.

Mahle hat wegen der Dieselkrise und der weltweiten wirtschaftlichen Unsicherheiten bereits im März ein Sparprogramm angekündigt. Es geht darum, die Effizienz zu erhöhen und die Produktkosten zu senken. „Wir schauen uns den gesamten Entstehungsprozess an und beziehen unsere Lieferanten mit ein“, sagte Stratmann. Er will „über alle Bereiche, Ländergrenzen und Hierarchieebenen hinweg prüfen, ob wir schlanker und besser werden können“. Auch die weltweit 160 Standorte, die zum Teil klein sind, sollen unter die Lupe genommen werden. „Jeder Standort muss zu unserer Strategie passen und ertragreich sein“, so Stratmann. „Um es ganz klar zu sagen: 2019 wird ein anspruchsvolles Jahr“, begründete der Mahle-Chef die Vorkehrungen. „Die Prognosen für das erste Halbjahr sind nicht besonders erfrischend, und wir erwarten einen Umsatzrückgang.“ Auch für das Gesamtjahr werde „bestenfalls ein konstantes Niveau“ erwartet. Zum geplanten Ergebnis wollte er sich nicht äußern.

Ein Jahr der Sondereffekte

Mit 2018 zeigte sich der Mahle-Chef zufrieden. Obwohl die konjunkturelle Abkühlung bereits im vierten Quartal deutlich spürbar war, seien die Ziele erreicht worden. Das Jahr war aber von Sondereffekten geprägt – wie dem Verkauf der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen Hella Behr Plastic Omnium (HBPO). Die wurden Mitte 2018 verkauft, weil die HBPO-Aktivitäten nicht ins Mahle-Kerngeschäft passen. HBPO entwickelt und konstruiert Frontend-Module, wozu Stoßfänger, Lichtanlage und Kühlkomponenten gehören. Wegen des Verkaufs ist der Mahle-Umsatz um rund 360 Millionen Euro gesunken. Das Ergebnis hat sich wegen des Sonderertrags indes deutlich erhöht. Der Gewinn sei aber auch ohne diese Effekte gestiegen, so Stratmann.

Nicht sparen will Mahle dagegen im Bereich Forschung und Entwicklung. Rund sechs (Vorjahr: 5,9) Prozent des Umsatzes steckt das Stiftungsunternehmen in Zukunftsthemen – insgesamt 750 Millionen Euro. „Mahle bekommt ein neues Gesicht. Unser Portfolio wächst kontinuierlich, wir erschließen neue Geschäftsfelder und erweitern unsere Kompetenzen“, kündigte Stratmann an. Als Beispiele nannte er ein neues Forschungszentrum im spanischen Valencia, wo der Konzern, der mit Kolben groß geworden ist, künftig Leistungselektronik und Softwarelösungen entwickeln will, etwa für elektrische Antriebssysteme oder Heiz- und Kühlsysteme. Zudem sei in Ungarn ein Werk für E-Kompressoren eröffnet worden. Damit will Mahle seine Position als Systemanbieter im Bereich Klimatisierung auch für Elektrofahrzeuge ausbauen. Auch bei E-Bikes und der Ladeinfrastruktur mischt Mahle mit. Und gemeinsam mit dem US-Truck-Hersteller Nikola sind die Stuttgarter eine Entwicklungspartnerschaft im Bereich Brennstoffzelle eingegangen. Laut Stratmann kommt von Mahle das komplette Thermomanagement.