Feinstaub ist beim Diesel weniger das Problem, die Stickstoffdioxidwerte sind zu hoch. Foto: dpa

Die Kundschaft wendet sich vom Diesel ab – wohl wegen des Abgasskandals und drohender Fahrverbote. Die Kfz-Innung fordert die Umrüstung der Euro-5-Fahrzeuge.

Stuttgart - Der Anteil von Fahrzeugen mit Dieselmotor in der Landeshauptstadt geht trotz der jüngsten Image-Politur von Bosch-Chef Volkmar Denner stark zurück. Ende 2016 zählte das Statistikamt der Stadt so viele Selbstzünder wie nie zuvor: 107 564 von insgesamt 300 836 Fahrzeugen. 15 Monate später, also Ende März 2018, verbrannten laut städtischen Zahlen noch 100 453 den öligen Kraftstoff. Das ist ein Rückgang um 7111 Fahrzeuge oder 6,6 Prozentpunkte.

Seinen Siegeszug hatte der Diesel in Stuttgart verstärkt ab dem Jahr 2000 angetreten. Sein Anteil an allen Antriebsarten lag damals bei 18,1 Prozent, bis 2016 verdoppelte er sich auf 36,1 Prozent. Der in den USA aufgedeckte Abgasbetrug von Volkswagen, unzulässige Motorsteuerungen auch in Deutschland und gegenüber den Prüfstandswerten krass abweichende Stickstoffdioxidwerte im Straßenbetrieb setzen der Antriebstechnik zu. Die Bremsspuren für den Selbstzünder zeichnen sich immer deutlicher ab.

9076 Diesel weniger als 2017

Die Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart hat mit leicht abweichenden Zahlen aus dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die negative Tendenz für den Diesel am Mittwoch für fast die gesamte Region bestätigt. Mit Ausnahme des Landkreises Göppingen (zum 1. Januar 2018 genau 193 Diesel mehr als 2017) legen die Käufer in der gesamten Region Stuttgart beim Diesel den Rückwärtsgang ein. Insgesamt waren zum Stichtag in der Region einschließlich Stuttgart 9076 Dieselfahrzeuge weniger zugelassen als zu Jahresbeginn 2017.

„Stuttgart steigt um“, kommentiert Innungs-Obermeister Torsten Treiber die Entwicklung. Die Zahl der Benziner wuchs in Stuttgart von 185 426 (Ende 2016) auf 195 399 (Ende März 2018), auch die Zahl der Gas-, Elektro- und Hybridfahrzeuge nahm zu, und zwar laut Innung um 1300. Wer dem Diesel beim Umstieg auf ein anderes Fahrzeug treu blieb, wählte in der Regel die neueste Abgasnorm Euro 6. Hier wuchs der Bestand in der Region in der Jahresfrist um 42 157 auf 159 294 Fahrzeuge.

Warten auf das Urteil aus Leipzig

Wer einen Diesel mit der Abgasnorm Euro 6 besitzt, wird von den Fahrverboten, die das Bundesverwaltungsgericht Leipzig in seiner Revisionsentscheidung im Februar für Stuttgart bestätigt hat, nicht getroffen. Das schriftliche Urteil soll Mitte Mai vorliegen, so die Auskunft der Gerichts-Pressestelle am Mittwoch. Bisher hatte der Senat bekannt gegeben, dass gegen Diesel bis einschließlich der Euronorm 4 und Benziner bis Euro 2 schnellstmöglich ein Fahrverbot in ganz Stuttgart verhängt werden darf, es kommt wohl zum 1. Januar 2019. Diesel mit Euronorm 5 dürfen von September 2019 an mit einem Fahrverbot belegt werden. Für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen bedürfe es „hinreichender Ausnahmen“, so das Gericht. Das Land habe für Stuttgart ein ganzjähriges Verkehrsverbot „in Betracht zu ziehen“. Die Konkretisierungen durch das Gericht werden mit Spannung erwartet.

Minister Scheuer lehnt Nachrüstung ab

Der Fahrzeugbestand sei deutlich moderner geworden, die Hälfte des Stickoxidausstoßes stamme nicht vom Verkehr, Fahrverbote seien überflüssig, teilte die Innung mit. Allerdings fordert Treiber im gleichen Atemzug die Nachrüstung älterer Diesel, damit sie vom Verbot verschont würden. Sie sei geboten, und zwar bei Euro 5 auf Kosten der Hersteller. Der Bestand lag hier in Stuttgart Ende März laut Statistikamt bei 29 496 Fahrzeugen (Ende Januar: 30 347), in der Kategorie Euro 4 waren es 16 046 (16 581). Politik und Hersteller müssten Nachrüstungen anbieten, appelliert Treiber.

Dieser Aufforderung wollen weder das Bundesverkehrsministerium noch die Autohersteller folgen. „Wir wollen nicht mit den Herstellern kuscheln, sie müssen Fehler ausmerzen“, sagte Verkehrsmister Andreas Scheuer (CSU) zwar Mitte April bei einem Mediengipfel in Berlin, die Hardware-Nachrüstung lehnt er aber ab, und mehr als die zugesagten 250 Millionen Euro für das Sofortprogramm saubere Luft der Regierung sollen die Konzerne nicht zahlen. Das Stickoxid-Problem im Straßenverkehr sei technisch lösbar, sagte Bosch-Chef Volkmar Denner. Neue Abgastechnik soll es aber nur für Neufahrzeuge geben.