Mit einer Broschüre will Verkehrsminister Hermann über Schadstoffe und Mittel dagegen aufklären. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Bis April 2017 will die Landesregierung Autofahrer mit Appellen zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegen. Sollten die Schadstoff-Grenzwerte der EU in Stuttgart dennoch nicht eingehalten werden, gibt es Ende 2017 Fahrverbote.

Stuttgart - Zuckerbrot und Peitsche: Verkehrsminister Winfried Hermann, OB Fritz Kuhn (beide Grüne) und der Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP) haben am Freitag klar gemacht, dass die Schadstoffwerte in Stuttgart endlich unter die von der EU vorgegebenen Grenzen sinken müssen.

Endlich heißt bis zum Winter 2016/17. Dazu soll es vom 11. Januar 2016 an bei entsprechend prognostizierter Wetterlage Feinstaub-Alarmtage geben. Autofahrer in Stuttgart und der Region sollen dann freiwillig auf Bus und Bahn umsteigen, die beliebten Holzöfen sollen kalt bleiben.

Der VVS bietet ein billigeres Jahresticket an

Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) wird befristet vom 11. Januar bis zum 15. März 2016 auf Jahresfahrkarten für Neukunden nicht zwei, sondern drei kostenlose Monate anbieten. „Es ist nicht klar, ob wir das 2017 wiederholen“, sagt VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger. Die Daimler-Tochter Moovel, die im Internet ein Mobilitätsportal betreibt, wird bei Buchungen über ihre App Einzeltickets um die Hälfte billiger anbieten. Das gelte für die ersten beiden Feinstaub-Alarme, sagt Moovel-Geschäftsführer Robert Henrich. Sie können jeweils mehrere Tage am Stück umfassen, 2014 waren es im Extremfall elf. „Das Angebot ist für uns schwer kalkulierbar, aber wir wollen einen signifikanten Beitrag leisten“, so Henrich. Die Daimler-Tochter Car 2 go wird die Preise für ihre elektrisch betriebenen Smart um 50 Prozent auf 14 Cent pro Minute senken. Das sind die Zuckerstücke.

Die Peitsche könnte ausgepackt werden, „wenn die Verhaltensänderung nicht klappt“, sagt Hermann bei der Pressekonferenz im Rathaus. Er will sich nicht von der EU vorführen und zu Millionen-Strafen verdonnern lassen, weil am Neckartor als einzigem Ort in Deutschland die 35-Tage-Grenze beim Feinstaub gerissen wird. „Für Fahrverbote braucht es keine extra gesetzliche Grundlage , nur eine politische“, sagt Hermann, und weil eine entsprechende Nachfrage kommt: „Es gibt zu viele Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren.“

Der Wetterdienst gibt die Feinstaubtage vor

Um die Grenzwerte zu halten muss die Fahrleistung an Tagen mit schlechten Wetterbedingungen deutlich gedrückt werden. Der Deutsche Wetterdienst soll diese Tage prognostizieren. Land und Stadt wollen dann mit einem Vorlauftag den Alarm ausrufen. Er gilt so lange, bis der Wetterdienst für zwei aufeinanderfolgende Tage Entspannung voraussieht. Zieht man die Werte aus diesem Jahr heran, werde es acht bis zehn Alarmaufrufe geben, so Hermann. Bis 10. November gab es am Neckartor 52 Überschreitungstage.

In Zügen und Bussen sei noch Platz, in den im Schnitt mit nur 1,2 Personen besetzen Autos sowieso, appelliert der Minister dazu, auch Fahrgemeinschaften zu bilden. „Entweder kommen wir in den nächsten zwei Jahren unter die Grenzwerte, oder es müssen entsprechen ordnungspolitisch harte Maßnahmen her“, unterstützt OB Kuhn Hermanns Linie. Kuhn wünscht sich vom Bund die Erlaubnis, eine Nahverkehrsabgabe zu erheben. Das wäre ein Zwangsgeld von allen zum Ausbau des Nahverkehrs. Eine Citymaut sei kein Thema mehr.

Es sei in den letzen Jahren „von unseren Vorgängern“ zu wenig gegen die Luftschadstoffe getan worden, grantelt Hermann. Damit könnte er auch Schmalzl gemeint haben, der neben ihm saß. Der Regierungspräsident spricht von einen „ernsten Thema“. Man habe „kein Luxusproblem“, sondern müsse die Grenzwerte endlich einhalten. Bei den Stickoxiden schaffe man das übrigens im ganzen Land nicht.