Basketball in Crailsheim, wo auch mal eine Viehauktion stattfindet. Foto: Baumann

Basketball-Bundesligist Crailsheim Merlins verliert das Topspiel der Basketball-Bundesliga gegen die MHP Riesen, sorgt aber bislang trotzdem für Furore.

Crailsheim - Selbst auf einem der VIP-Parkplätze der Arena Hohenlohe bei Ilshofen kann es dem Besucher passieren, dass er mal mit einem Misthaufen konfrontiert wird. Schließlich gehört die Halle der Rinderunion Baden-Württemberg, und dementsprechend gehen hier eben auch Viehauktionen über die Bühne. Wenn nicht gerade Basketball gespielt wird. Dementsprechend animiert fühlt sich auch der Hallensprecher, der das Publikum der Crailsheim Merlins schon mal mit den Worten animiert: „Wo ist die Stierkampfarena!?“ Mit ihrer ovalen Bauweise hat dieser Vergleich durchaus seine Berechtigung, von den Emotionen auf den Rängen ganz zu schweigen.

Das bekamen am Samstagabend auch die MHP Riesen aus Ludwigsburg hautnah zu spüren. Nachdem die Gäste in diesem überraschenden Spitzenspiel der Bundesliga beim 66:48 schon wie der sichere Sieger aussahen, ließ sich die Mannschaft im letzten Viertel „von der Atmosphäre anstecken“, wie der Trainer John Patrick sagte, so dass die Crailsheimer bis auf vier Punkte herankamen und am Sieg schnupperten (ehe sie 83:92 verloren). Es wäre der sechste in dieser Saison gewesen, in der die Merlins (Zauberer) ihrem Namen bislang alle Ehre machen, nachdem sie zwischenzeitlich sogar mal Tabellenführer waren. „Ich habe davon einen Screenshot gemacht, wir werden das irgendwo einrahmen“, sagte Geschäftsführer Martin Roming zu dieser Sternstunde in der Vereinsgeschichte. Lesen Sie zum mehr zu den Zielen der Riesen

Welch Wandlung – vom Abstiegskandidaten, der sich vergangene Saison erst am letzten Spieltag gerettet hatte, zum Favoritenschreck. Auch nach der zweiten Niederlage in Folge lässt sich Trainer Tuomas Iisalo nicht aus der Ruhe bringen. „Man darf nicht vergessen, gegen wen wir gespielt haben: Oldenburg und Ludwigsburg, das sind für mich zwei der besten fünf Mannschaften der Liga.“ Von Krise also keine Spur. „Natürlich müssen wir noch viel verbessern und arbeiten“ sagt der kühle Finne, der an der Seitenlinie schon mal zum Vulkan werden kann, „aber ich habe Vertrauen, dass wir unseren Weg gehen können.“ Und das ähnlich wie die Ludwigsburger mit einem fast runderneuerten Kader, nur zwei Spieler sind geblieben. „Letzte Saison hatten wir hier ein Seniorenstift“, sagt in Bezug auf den Altersschnitt Wilhelm Hüttl, der zu jedem Spiel die 100 Kilometer aus Stuttgart angereist kommt, „jetzt haben wir eine junge, hungrige Mannschaft.“

Der fehlte am Samstag in Jeremy Morgan ein zuverlässiger Allrounder und Stabilisator der Verteidigung, vielleicht ein Grund für die Niederlage. Und auch der Shootingstar und Kapitän Sebastian Herrera, ein Deutsch-Chilene explodierte erst im letzten Viertel, als die Merlins ihre Stärken – schnelles Spiel und Würfe von außen – durchsetzen konnten.

Das Ganze erinnert etwas an die Cinderella-Story von Rasta Vechta, dem Vorjahres-Aufsteiger, der die Hauptrunde auf einem sensationellen dritten Platz abschloss und – man beachte die Parallelen – durch seinen Pferdemarkt außerhalb der Stadtgrenzen bekannt ist. Doch Roming sagt dazu: „Vechta hat seinen Charme, und wir haben unseren eigenen Charme.“ Der jedoch auch an seine Grenzen stößt. Die Play-offs sind (noch) kein Thema, der Verein muss vorerst andere Aufgaben bewältigen. Zu dieser Saison hat die Liga den Mindestetat auf drei Millionen Euro erhöht, „das war für uns natürlich ein Kraftakt“. In der wirtschaftlich durchaus potenten Region hat sich der Verein inzwischen auch das Vertrauen der Sponsoren erarbeitet, allen voran von Namenspatron Hakro, einem erfolgreichen Familienunternehmen der Textilbranche aus Schrozberg, „noch mehr in der Provinz“, sagt Roming lachend. Und selbst die Stadt scheint langsam Gefallen zu finden an ihrem Aushängeschild in der sportlich nicht gerade von Erfolg verwöhnten Gegend, sieht man einmal von den Footballern der Unicorns in Schwäbisch Hall ab.

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Deshalb kann sich Roming auch einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Wir mussten lange Jahre mit einer gewollten Nichtbeachtung leben“, sagt der Club-Boss, mit dem neuen Gemeinderat habe sich das Klima aber seit einem Jahr verbessert. So twitterte der OB Christoph Grimmer zuletzt: „Wenn mich nochmals jemand fragt, wo Crailsheim liegt, dann sage ich einfach, zwischen Berlin und München.“ Den beiden Basketball-Schwergewichten der Liga, zu denen sich plötzlich die 35 000-Einwohner-Stadt aus Württemberg gesellt. Zur Freude des Stuttgarters Hüttl: „Ich finde es toll, dass so ein kleiner Verein mit den Großen mithalten kann“, sagt der 76-Jährige, der in Zuffenhausen wohnt, einen Katzensprung entfernt von der MHP-Arena. Dort ist er auch gelegentlich zu Gast – ganz sicher beim Derby im Rückspiel.

Die Zuschauer aber haben noch ein anderes Datum rot markiert - den 29. Februar, dann spielen die Merlins in Hamburg. Der Fanclub hat schon eine Wochenendreise organisiert. Und das Angebot für gut 200 Euro findet viele Abnehmer. Um auch dem Tor zur Welt zu zeigen, wo die Basketball-Landschaft inzwischen zu Hause ist.