Gefahr von oben: Weil Steine aus der Felswand (rechts) herabstürzten könnten, hat die Stadt Bietigheim-Bissingen ein Lokal nahe des Viadukts geschlossen. Foto: factum/Granville

Die Stadt Bietigheim-Bissingen hat die Gastätte Paulaner am Vidaukt kurzfristig geschlossen. Zu groß sei die Gefahr herunterfallender Steine von einer nahen Felswand. Der Wirt sieht sein Ostergeschäft vermiest – und macht der Stadt seinerseits Vorwürfe.

Bietigheim-Bissingen - Ferien, schönes Wetter und viele Reservierungen: Für Tim Heilig sollten die Ostertage eigentlich mit die umsatzstärksten in diesem Jahr werden. Doch nun wird der Pächter der Gaststätte Paulaner am Viadukt keinen einzigen Cent einnehmen – denn die Stadt Bietigheim-Bissingen hat sein Lokal geschlossen. Kurzfristig – und auf unbestimmte Zeit.

Am Gründonnerstag wurde Heilig, der die Wirtschaft in der Wobachstraße und den großen Biergarten drumherum seit rund 20 Jahren betreibt, eine Verfügung zugestellt, wonach „aufgrund akuter Gefahr“ keine Gäste mehr kommen dürften, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Gefahr lauert an der Felswand über der Gaststätte und ist aus Muschelkalk: Von der Wobach-Steinwand könnten jederzeit Teile herunterfallen, hat ein Gutachter im Auftrag des Rathauses herausgefunden. In der Wand befänden sich „Fels-Überhänge und Felsausbrüche“. Wann und wo Gesteinsbrocken herabfallen könnten, kann der Fachmann nicht vorhersagen. Das Risiko sei „ständig gegeben“, teilt die Stadt mit.

Ein Gastank als zusätzliche Gefahr

Im Rathaus schätzt man die Gefahr umso größer ein, weil hinter der Gaststätte ein Gastank steht. Sollte dieser von Steinen getroffen werden, könnten Besucher in Lebensgefahr geraten. Man habe kurzfristig handeln müssen, weil eine Sicherung der Felswand nicht ohne Weiteres möglich sei, sagt die Sprecherin Anette Hochmuth, über die Gefahr habe man mit Heilig schon länger gesprochen. Die Schließung sei „das letzte Mittel“ gewesen.

Tim Heilig ist über das Vorgehen der Stadt mächtig sauer. Vor allem der Zeitpunkt wurmt ihn. Allein 150 Reservierungen habe er für Ostersonntag im Buch stehen gehabt, auch für die anderen Tage rechnete er mit viel Kundschaft und hat dementsprechend Ware geordert. „Das Essen kann ich jetzt in die Tonne werfen.“ Heilig glaubt, dass der Zeitpunkt der Schließung kein Zufall ist – schließlich konnte er sich am Gründonnerstag nicht mehr rechtlich dagegen wehren, weil die Gerichte über die Feiertage nicht besetzt sind. „Das ist einfach böswillig“, schimpft der Gastronom. Die Stadt berufe sich auf das Gutachten, das schon seit zehn Tagen vorliege. So kurz vor Ostern mit der Ortspolizei die Schließung durchzusetzen, ist für Heilig „willkürlich“.

Ohnehin schätzt der Wirt die Gefahr, die von der Felswand ausgeht, anders ein: Seit 40 Jahren stünden die Gaststätte und der Gastank an Ort und Stelle, nie sei etwas passiert. Im vergangenen Jahr habe die Stadt ein Gerüst an die Wand stellen lassen, weil es damals ähnliche Befürchtungen gab. „Seither ist nichts passiert – aber jetzt plötzlich muss alles ganz schnell gehen.“

„Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“

Das Rathaus erklärt die Eile damit, dass man die Wand nicht so schnell sichern könne. So müssten erst die dort wuchernden Pflanzen gerodet werden, auch die Naturschützbehörde des Kreises sei anzuhören. Prinzipiell ist angedacht, Stahlnetze am Felsen zu verankern, um abbrechende Steine aufzufangen. Um die Netze anzubringen, müsse aber der Gastank hinter der Gaststätte aus dem „Gefahrenbereich entfernt werden“, heißt es.

Rund eine Viertelmillion Euro würde es kosten, die komplette Wand zu sichern – und wohl einige Monate dauern. „Bereiche, die besonders gefährlich sind, sollen allerdings kurzfristig bearbeitet werden“.

Warten will auch Tim Heilig nicht. Der Gastronom plant, nach den Feiertagen rechtlich gegen die Schließung vorzugehen. „An den Gast wird gar nicht gedacht“, sagt der Wirt – der aktuell das Lokal von der Stadt pachtet. Vor nicht allzu langer Zeit hat das Rathaus das Gelände gekauft.

Eine Viertelmillion für die Sicherung

„Ein Schelm wer Böses dabei denkt, dass plötzlich und nach über 40 Jahren kurz vor dem Ostergeschäft eine Gefahr wegen Felssturzgefahr besteht“, schreibt Heilig auf Facebook, wo sich zahlreiche Nutzer wütend über die Schließung äußern. „Wahrscheinlich wird der Platz jetzt dringend benötigt um irgendwelche Objekte zu bauen, die man verkaufen kann“, kommentiert ein Nutzer im Netz.

Die Stadtsprecherin Anette Hochmuth räumt ein, dass durch die Anordnung möglicherweise finanzielle Forderungen auf die Stadt zukommen, wegen des Einnahmen-Ausfalls von Heilig. Danach könne man sich aber nicht richten, wenn solche Gefahr im Verzug sei. „Es geht um etwas Ernstes.“