Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde von der Opposition am Mittwoch zum Rapport in den Landtag zitiert. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Nach der Absprache der 16 Ministerpräsidenten mit Angela Merkel wollte Winfried Kretschmann vor die Öffentlichkeit treten. Die Parlamentarier im Landtag fühlten sich übergangen – es gab Zoff.

Stuttgart - Ein fast normaler Sitzungstag im Landtag in Stuttgart. Die Parlamentarier diskutierten unter anderem darüber, wie man die Wirtschaft im Ländle am besten durch die Corona-Krise bugsieren könnte. Währenddessen nahm Ministerpräsident Winfried Kretschmann an einer Videoschalte mit der Kanzlerin und den anderen 15 Ministerpräsidenten teil, in der die nächsten Lockerungspläne für das gesellschaftliche Leben in Deutschland abgestimmt wurden. Mit den Ergebnissen wollte der Landeschef am Nachmittag vor die Presse treten.

Parlament übt Kontrolle aus

Die Abgeordneten im Landtag wären aus zweiter Hand darüber informiert worden, wie es in ihrem Bundesland weitergehe. Dabei habe Kretschmann in der vergangenen Woche noch die Rolle des Parlaments betont und versichert: „Die Kontrollrechte des Parlaments sind nicht eingeschränkt“. Regierungskontrolle lässt sich allerdings nur ausüben, wenn man auch über deren Handeln informiert ist.

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Dementsprechend empört reagierte Oppositionsvertreter Andreas Stoch (SPD): „Der Respekt vor dem Landtag gebietet es, dass wir diejenigen sind, die aus dem Mund des Ministerpräsidenten hören, was als Ergebnis der Verhandlungen heute erarbeitet wird, und wir nicht über die Presse erfahren müssen, was für das Land Baden-Württemberg wichtig ist.“ Er beantragte, dass Kretschmann im Parlament zum Rapport erscheine. Selbst Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, musste da zustimmen, bat um Information für die Abgeordneten durch den Landeschef mit anschließender Diskussion.

Der Ministerpräsident ließ sich entschuldigen

Eigentlich hatte sich Kretschmann für den gesamten Sitzungstag entschuldigen lassen. Doch für sein Fernbleiben gab es wenig Verständnis. Es fehle am Gespür in der Villa Reitzenstein für die Bedeutung der Gewaltenteilung in der Corona-Krise – hörte man von den Abgeordneten. Schnell signalisierte Staatsministerin Theresa Schopper (Grüne) Entgegenkommen, auch weil Stochs Vorschlag viel Beifall unter den Parlamentariern fand.

Daraufhin ließ Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz (CDU) den Bericht des Ministerpräsidenten für den Nachmittag auf die Tagesordnung setzen. Ein seltener Vorgang, dass die Legislative die Exekutive so heranzitieren muss.

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Um 16.30 Uhr traf Kretschmann schließlich im Landtag ein, verkündete, die Länderchefs hätten sich auf gemeinsame Hygiene- und Abstandskonzepte geeinigt. Auch weitere Änderungen und ein Ampelkonzept für Lockerungen präsentierte er. Weitere Kritik der Opposition blieb trotzdem nicht aus. FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke nannte Kretschmanns Vorgehen „merkwürdig“ und mahnte, die Verwaltung solle besser und rechtzeitiger auf die nächsten Öffnungen vorbereitet sein. Der Ministerpräsident nahm auf der Regierungsbank Platz und ließ Tee trinkend die Vorwürfe über sich ergehen.