Beim Landesderby am 26. Dezember 2019 schlugen die Wild Wings die Adler mit 2:1: Michael Blunden (li./Schwenningen) gegen den Mannheimer Mark Katic. Foto: imago/Eibner

Die Deutsche Eishockey Liga will am 18. September in die Saison starten, doch zuvor muss ein dicker Brocken aus dem Weg geräumt werden. Die Spieler sollen auf ein Viertel ihres Gehalts verzichten.

Stuttgart - Eine riesengroße Überraschung war es nicht, trotzdem bedeutet die Nachricht für die Wild Wings aus Schwenningen zusätzliche Arbeit. Co-Trainer Petri Liimatainen kehrt aus familiären Gründen zur kommenden Saison nicht zum Club aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zurück. Der Schwede hatte seinen Entschluss schon länger angedeutet, nun müssen die Wild Wings nach einem neuen Assistenten für Chefcoach Niklas Sundblad fahnden.

Doch diese Suche ist derzeit nicht die größte Sorge von Sportdirektor Christof Kreutzer. Er muss die Cracks dazu bewegen, auf 25 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Zumindest vorerst. Denn die DEL hat an die Erteilung der Lizenz für die nächste Saison, die am 18. September beginnen soll, eine ganz besondere Bedingung geknüpft: Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Corona-Krise soll ein Gehaltsverzicht von 25 Prozent die Clubs davor bewahren, in finanzielle Schieflage zu geraten.

Nur vier Clubs haben die Auflage bereits erfüllt

Die Gehälter in der DEL liegen zwischen 80 000 und 150 000 Euro pro Saison, die Gehaltsobergrenze wird nun auf 2900 Euro netto/Monat taxiert. Kein Aktiver müsste also Wohngeld beantragen, doch wenn ein Star auf großem Fuße lebt, muss er womöglich das Aktiendepot anknabbern. Die Spieler müssen die Gehaltslücke nicht abschreiben, sie sollen das Geld zinslos ihrem Arbeitgeber stunden. Die Beträge sollen erst ausbezahlt werden, wenn ein Club wieder zwischen 75 und 100 Prozent der Umsatzerlöse des Vorjahres erreicht. „Die Spielergehälter sind der zentrale Kostenfaktor und der einzige Posten, der steuerbar ist“, betont DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. „Es ist die einzige Möglichkeit, die Fixkosten zu reduzieren.“ Die Fischtown Pinguins Bremerhaven, die Grizzlys Wolfsburg, die Roosters aus Iserlohn und die Panther Augsburg sollen alle Lizenzunterlagen – inklusive des von allen Spielern unterschriebenen Gehaltsverzichts – bei der DEL eingereicht haben. Bei den zehn übrigen Clubs fehlen die Unterschriften, so auch bei den Wild Wings. Pressesprecher Krischan Läubin bestätigt, dass die Gespräche zwischen den Profis und dem Club noch nicht abgeschlossen sind.

Eigentlich sollten die Unterlagen am 24. Mai mit der Zustimmung des kompletten Kaders bei der DEL vorliegen, mittlerweile wurde die Frist auf Mitte Juni terminiert. Bis dahin sind diplomatisches Verhandlungsgeschick sowie christliches Verständnis für die jeweils andere Seite gefordert, nachdem massive Vorwürfe – es wurden dabei die Worte „Erpressung“ und „Nötigung“ gebraucht , die Szenerie ziemlich aufgeheizt hatten. Kein Mensch verzichtet ohne hörbares Murren auf Gehalt, schließlich ist im Fall der DEL nicht garantiert, dass die eingefrorenen Summen irgendwann wieder aufgetaut werden. „Wir sind im engen Austausch mit dem Verein. Gemeinsam suchen wir nach fairen Lösungen, wie wir uns gegenseitig helfen können“, sagt Nationalspieler Moritz Müller von den Kölner Haien, „wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Aber es ist ein Prozess, der Zeit braucht.“ Kritisch sieht der Verteidiger jedoch den Zeitdruck und die Art und Weise der Kommunikation.

Die Etats der Clubs sind auf Kante genäht

Auf der anderen Seite stehen die Clubs. Die Etats der meisten sind extrem auf Kante genäht – in der DEL weisen fast Jahr für Jahr zwei Drittel der Vereine rote Zahlen in ihren Bilanzen aus, einige schieben Verbindlichkeiten im zweistelligen Millionenbereich vor sich her. Die Hannover Scorpions, die Hamburg Freezers, die München Barons sind einst in Schulden ertrunken und selbst Traditionsclubs wie die Kölner Haie oder die Düsseldorfer EG wandelten schon kritisch nahe am Abgrund. Im Januar kämpften die Krefeld Pinguine ums Überleben. Immerhin erfolgreich.

Dazu kommt: Die Fernsehgelder fließen längst nicht so üppig wie im gelobten Sportland Fußball, vier Millionen Euro werden im Eishockey pro Saison verteilt. Zuschauereinnahmen und Sponsoring stellen die wichtigsten Teile der Finanzierung dar. „Wir wollen im Herbst in die Saison starten, aber Geisterspiele sind für uns nicht diskutabel“, sagt Wild-Wings-Mann Läubin. Auch bei den sogenannten Reichen wie Adler Mannheim und Red Bull München schlafen die Verantwortlichen nicht still wie Dornröschen. Adler-Gesellschafter Daniel Hopp nennt die wirtschaftliche Situation in der Liga dramatisch: „Es geht ums Überleben. Das ist eine totale Sondersituation. Damit einhergehend müssen wir schauen, dass wir unsere größten Ausgabenblöcke – und das sind die Personalkosten – anpassen.“

Bei den baden-württembergischen Clubs in Mannheim und Schwenningen wird weiter verhandelt. Die Adler basteln an einem Kader, mit dem sie um den Titel mitspielen können, die Wild Wings brauchen Cracks, die um den Ligaverbleib kämpfen – nach der neuen Saison steigt der Letzte in die DEL 2 ab. Die Wild Wings operieren mit vielen Szenarien. „Wir haben nicht nur Plan A“, sagt Läubin, „sondern die Pläne A, B und C.“