Der Stuttgarter Simon Hof: Priester mit 27 Jahren Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Junge Menschen wollen sich heute selbst verwirklichen, wollen möglichst viele Freiräume. Sie hassen starre Strukturen. Eine Ausnahme ist Simon Hof (27): Er tritt in den Dienst der Kirche.

Stuttgart - Es klingt wundersam. Ja, unglaublich. Aber da war sie – die Stimme Jesu. Als Simon Hof ganz tief in sich hineinhörte, da sprach der Menschensohn zu ihm: Siehst du nicht, wie sehr ich dich brauche? „Die Frage ging mir durch Mark und Bein“, sagt der Stuttgarter, „bis heute bin ich felsenfest davon überzeugt, dass es Jesus war, der mir diese Frage gestellt hat.“

An diesem Novembertag 2011 änderte sich für den Theologiestudenten Simon Hof alles. Früher wollte er einmal „Frau, Kind, Hund, Haus und Baum“. Nach dieser Eingebung entschied er sich endgültig. Endgültig anders. Es reichte ihm nicht mehr, nur Pastoralreferent zu werden. „Nein, ich wollte Priester werden – in den Dienst Jesu und seiner Menschen treten.“ Er macht die Vision zu seiner Mission. Nicht weil es Jesus so bestimmt hätte. „Viel schöner“, sagt Hof und lächelt in sich hinein, „er hat gefragt, ob ich mithelfen will, an seiner Kirche mitzuarbeiten.“

Genau das macht Simon Hof jetzt. An diesem Sonntag feiert er in seiner Heimatgemeinde St. Josef in Stuttgart-Heslach seine Primiz – seine erste Eucharistiefeier. Er wird dort, wo er als kleiner Junge über den Kirchenboden gekrabbelt ist, erstmals selbst vorne stehen: mit Gewand und Kelch. Es ist also etwas Besonderes. Für Simon Hof, aber auch die Katholische Kirche in Stuttgart. Denn in St. Josef feierte zuletzt vor 60 Jahren ein Gemeindeglied die Primiz.

Vor zwölf Jahren ging zuletzt ein Priester aus Stuttgarter Gemeinden hervor

„Auch für uns als katholisches Stadtdekanat ist das hocherfreulich“, sagt Stadtdekan Christian Hermes, „zuletzt ging vor zwölf Jahren ein Priester aus den Stuttgarter Gemeinden hervor.“ Hermes ist nicht nur stolz auf seinen neuen Kollegen, er zieht den Hut vor dem jungen Mann aus dem Süden der Stadt: „Vor seinem Entschluss, Priester zu werden, habe ich großen Respekt. Schließlich befinden wir uns als Katholische Kirche in einer Zeit des Umbruchs und sehen uns einer Reihe von Herausforderungen gegenübergestellt.“

So etwas nennt man Euphemismus. Tatsächlich sind beide Amtskirchen in einer schweren Krise. Der Rückhalt bröckelt, die individualisierte Gesellschaft scheint Religion und Kirche nicht mehr zu brauchen. Die Zahl der Kirchenaustritte steigt Jahr für Jahr, die der Priesterweihen geht dagegen zurück. Alleine deshalb ist der Schritt des jungen Stuttgarters etwas Außergewöhnliches. Wer aus der Generation Y ist heute schon noch bereit, auf die vermeintlichen Freuden des Lebens zu verzichten? Mehr noch: Wer legt freiwillig ein Keuschheitsgelübde ab? Im Jahr 2014 waren es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 6. Die Vergleichszahl für Deutschland hält die Bischofskonferenz unter Verschluss.

In den ersten Stunden nach seiner inneren Berufung wankt und zweifelt auch Simon Hof. Als er die Tür im Wilhelmsstift in Tübingen hinter sich zuzieht, beginnt er zu zweifeln. „Ich wäre am liebsten wieder umgekehrt und weggerannt“, erinnert sich Hof an seine Anfechtungen. Nur mit Mühe konnte er sich damals selbst überzeugen: „Es ist richtig, was ich tue, ich laufe nicht weg.“

Simon Hof hatte mächtigen Bammel

Richtig ernst wurde die Sache dann mit der Diakonweihe vor eineinhalb Jahren. Simon Hof hatte mächtigen Bammel. Wer will es ihm verdenken? Das Wort Zölibat hat seinen eigenen Schrecken. Besonders für einen Menschen, der weiß, was Liebe und Partnerschaft bedeuten können. „Ich hatte früher auch eine Freundin“, sagt Hof, „ich weiß also, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein und Pläne zu schmieden.“

Inzwischen weiß der junge Priester jedoch: „Ich habe alles richtig gemacht. Ich sehe das Zölibat als Gewinn, ja fast als Notwendigkeit.“ Nur so lasse sich der Dienst im Namen Jesu auch leisten. Er glaubt, nur so könne er den großen Aufgaben gerecht werden. Zeitlich, aber auch inhaltlich. „Wir durchlaufen gerade eine ziemlich heftige Krise“, seufzt er. Missbrauchsskandale, der Protz-Bischof von Limburg, die vermeintlich Ewiggestrigen in Rom, die Gleichberechtigungsdebatte innerhalb der Katholischen Kirche.

All das hat dem Ansehen der Katholischen Kirche geschadet. Für Simon Hof ist jedoch etwas anderes wichtiger. „Wir müssen endlich von unserem Elfenbeinturm herunterkommen und auf die Menschen zukommen.“ Viel zu lange hätten die Kleriker sich hinter theologischen Formulierungen versteckt. „Das mag besonders fromm klingen“, sagt er, „geht aber vollkommen an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei.“

Hof geht ins Stadion, auf den Wasen, in Clubs

Wer so spricht, muss die Welt kennen. Erst recht, wenn er andere in dieser Welt auf den rechten Weg bringen will. Simon Hof liebt daher den Satz von Papst Franziskus: „Die Hirten sollen den Stallgeruch der Schafe annehmen.“ Hof geht daher regelmäßig ins Stadion, auf den Wasen, in Clubs oder Discotheken. Natürlich auch, um „selbst Spaß zu haben“, wie er zugibt. „Aber eben auch, um mir anzuschauen, was die Menschen und speziell die jungen Menschen so beschäftigt. Wie sonst können wir Ahnung von der Welt haben?“

Für ihn ist es eine Bedingung: Er muss mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Nur so kann Simon Hof diese Doppelrolle einnehmen. Hier der (Mit-)Mensch. Dort der Priester. Sein Aufzug, mit dem er über die Königstraße spaziert, symbolisiert das eindrücklich. Unten moderne braune Halbschuhe und rote Hose, oben das Zeichen des Priesters: der Collarkragen. Ein kleines Stück weißes Plastik, das für Simon Hof eine große Bedeutung hat. Auch weil es auf die Menschen eine große Wirkung ausübt. Für ihn steht da imaginär die Botschaft drauf: „Ich bin für dich da, sprich mich an.“ Er weiß, darauf wird es in Zukunft ankommen. Er muss auf die Menschen in seiner Gemeinde zugehen, ins Gespräch kommen. Hof faltet die Hände und sagt: „Das muss die Hauptqualität eines Priesters sein.“

Mit dieser Haltung tritt er beinahe in die Schuhe des Fischers. Auch seine Freunde setzen Hof gerne auf den Stuhl Petri. „Sie witzeln immer: Simon, willst du mal Papst werden?“ Doch in solchen Momenten winkt er nur ab: „Nein, mein Ziel ist erreicht: Ich will nur Priester sein.“ Er will Menschenfischer sein. Im Kleinen wirken und seiner Kirche aus der großen Krise helfen. „Ich glaube, dass in der Kirche sehr viel Gutes und Richtiges passiert. Aber leider wird das zu oft von den Skandalen und Eskapaden überfrachtet. Daher ist es wichtig, wieder ein freundliches Gesicht zu zeigen.“

Stadtdekan Christian Hermes ist wieder einmal beeindruckt von diesem 27-Jährigen: „Unter diesen Voraussetzungen der Berufung zum Priester zu folgen erfordert gleichermaßen Mut und Vertrauen. Aber als Kirche brauchen wir junge und geistreiche Menschen, die diesen Weg gehen.“