Große Inszenierung eines Zittersiegs: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara lassen sich feiern. Foto: AFP

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu darf womöglich weiter regieren. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Herausforderer Benny Gantz wollen ihm seine rechten und religiösen Koalitionspartner zu einer fünften Amtszeit verhelfen.

Tel Aviv - Ihr Jubel war verfrüht. Die ausgelassene Stimmung auf der Wahlkampf-Party der Blau-Weiß-Anhänger in Tel Aviv währte nur kurze Zeit. Aber die reichte ihrem Spitzenkandidaten, dem Ex-Generalsstabschef Benny Gantz, sich von einer ausgelassenen, Fahnen schwenkenden Menge als strahlender Wahlsieger feiern zu lassen. Ein vorschnelles Agieren, das ihm im Nachhinein den Spott seiner politischen Gegner eintrug. Dabei sah es in den ersten Stunden nach Schließung der Wahllokale am Dienstagabend um 22 Uhr Ortszeit tatsächlich so aus, als ob das Blau-Weiß-Bündnis der politischen Mitte auf dem ersten Platz, noch vor dem rechtskonservativen Likud von Benjamin Netanjahu, gelandet sei. Erst nach Mitternacht, als das halbe Land schon im Tiefschlaf lag, wurde immer klarer, dass der Likud gleichauf zog.

Strotzend vor Selbstbewusstsein präsentierte sich schließlich Netanjahu vor Likud-Aktivisten als eigentlicher Gewinner. Für viele Israelis ein Deja-vu. Zum dritten Mal sind sie im Glauben ins Bett gegangen, Netanjahu sei knapp geschlagen, um am Morgen mit ihm als Triumphator aufzuwachen. So war es 1996, als Schimon Peres gegen ihn verlor, und auch 2009, als Zipi Livni mit ihrer Kadima-Partei einen Sitz mehr holte als der Likud und trotzdem keine Koalition zustande brachte.

„Das wird eine Rechtsregierung werden“

Rein numerisch endete das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gantz und Netanjahu zwar im Patt. Auf ihre Wahllisten fielen je 35 Mandate. Doch entscheidend ist, wer über die nötige Regierungsmehrheit von 61 Stimmen unter den 120 Knesset-Abgeordneten verfügt. Und da hat das nationalrechte Lager mit 65 Sitzen die Nase vorn. Mit den fünf Fraktionen, die dazu zählen, will Netanjahu auch schnellstmöglich in Koalitionsverhandlungen treten. „Das wird eine Rechtsregierung werden“, kündigte er in den frühen Morgenstunden am Mittwoch an und setzte generös hinzu, „der Premier aller israelischen Bürger“ werden zu wollen, ob links oder rechts, jüdisch oder auch nicht. Die versöhnlichen Töne, die er in seiner Siegesrede anschlug, machen allerdings den aggressiven, hasserfüllten Wahlkampf gegen „linke Schwächlinge“ und Israels arabische Minderheit noch nicht vergessen.

Aber die Opposition hat Netanjahu wenig entgegenzusetzen. Das Friedenslager hat eine bittere Niederlage erlitten, „die schlimmste in der Geschichte Israels“, bescheinigt Yaron Deckel, Analyst und ehemaliger Chef des Armeesenders „Galei Tsahal“. Die sozialdemokratische Arbeitspartei erhielt nur sechs Mandate, die linksliberale Bürgerrechtspartei Meretz schaffte mit vier Mandaten gerade mal den Einzug ins Parlament. Auf beide zusammen fielen weniger als zehn Prozent der Stimmen. Nicht besser schnitten die zwei arabischen Parteien ab. Der Friedensprozess mit den Palästinensern und das Problem mit der Besatzung spielten bei diesen Wahlen auch so gut wie keine Rolle. Die Blau-Weiß-Truppe vermied das Thema, um konservative Wähler nicht zu verprellen.

Gantz hat seinen Kampfgeist nicht verloren

Überdies teilen die drei Parteichefs, die sich unter dem Blau-Weiß-Dach zusammenfanden – neben Gantz der ehemalige Likud-Mann und Verteidigungsminister Mosche Jaalon sowie der frühere Finanzminister und Fernsehmoderator Jair Lapid von der Zukunftspartei – nicht unbedingt die gleichen Ansichten in der Palästina-Frage. In den nächsten Monaten werde Netanjahu alles daran setzen, um das Blau-Weiß-Bündnis zu spalten, prognostiziert Deckel, „so wie er es zuvor mit Livnis Kadima gemacht hat“. Verloren hat Gantz seinen Kampfgeist dennoch nicht. Nachdem er sich in der Nacht enttäuscht zu seiner Familie nach Hause zurückgezogen hatte, meldete er sich am Morgen zurück. „Wir werden unserer Pflicht nachkommen, den Wunsch von über einer Million Bürger nach einer Alternative (zu Netanjahu) zu vertreten“, sagte er.