Auch an dieser Stichelei gegen eine Naziparole nimmt Facebook Anstoß. Der Künstlerin Barbara werden Konsequenzen angedroht. Foto: Barbara

Mit witzigen Plakaten gegen Nazis, Rassisten und den alltäglichen Blockwartston ist die Künstlerin Barbara via Facebook und Instagram sehr bekannt geworden. Nun drohen die Netzwerke ihr mit Sperrung, als sei gerade sie eine Hasspredigerin. Echte Hetzer dagegen dürfen weiter ihre Opfer plagen.

Stuttgart - An jedem beliebigen Tag arbeitet Facebook auf Hochtouren als schneller Brüter von Hass und Idiotie, von Sprach- und Denkverrohung. Doch es gibt auch Kräfte auf diesem Netzwerk, die Hass, Hetze und Brutalisierung etwas entgegen setzen. Eine von ihnen ist die Künstlerin – oder der Künstler – hinter dem mittlerweile sehr bekannten Pseudonym Barbara. Mit Humor, Bissigkeit, aber auch Warmherzigkeit kontert Barbara mit Vorliebe Verbots- und Anweisungsschilder im öffentlichen Raum mit Gegenschildern und verbreitet die erheiternden Bilder via Facebook und Instagram. Sie veräppelt den alltäglichen Blockwartston, macht auf übersehene Poesie aufmerksam, zeigt aber auch klare Kante gegen Rassismus.

Facebook und Instagram sollten ihr eigentlich Urkunden als „Nutzerin des Jahres“ ausstellen. Aber die Netzwerke reagieren anders. Sie drohen mit endgültiger Sperrung von Barbara Account und löschen manche ihrer Arbeiten, mit vermehrtem Eifer seit Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Mit einem reichlich verzweifelt klingenden Facebook-Eintrag hat Barbara ihre Fans jetzt auf ihre Situation aufmerksam gemacht: „Über das Löschen von Beiträgen entscheiden irgendwelche Angestellte von privaten Firmen im Auftrag von Facebook und Instagram, die im Schnellverfahren entscheiden und nicht einmal irgendwelche Gründe für das Löschen nennen. Ich sehe die Freiheit im Internet dadurch mehr als nur bedroht, sie wird aus meiner Sicht dadurch ruiniert. Wie soll Satire im Internet funktionieren, wenn die Satiriker dem Urteil von privaten Firmen ausgesetzt sind, die sich als Richter aufspielen.“

Ohne Kenntnis der Bezüge

Wie so ein gelöschtes Bild aussieht? Da hat etwa irgendein Volltrottel „Heil Hitler“ an die Hauswand geschmiert. Barbara hat unter die Schmiererei das stilisierte Bild einer typischen Fensterbrett-Kaktee geklebt. Die Stacheln ragen in die verbotene Naziparole hinein, auf dem Topf steht zu lesen: „Und wenn ein blöder Wicht was Superdoofes spricht, dann kleb ich einen Kaktus, und der sticht, sticht, sticht.“ Das ist ein Spiel mit einer Textzeile aus dem Lied „Mein kleiner grüner Kaktus“ der Comedian Harmonists“. Die Nazis haben die jüdischen Mitglieder dieser A-Cappella-Gruppe einst mit Berufsverbot belegt und aus dem Land gejagt. Bei Facebook weiß man das vermutlich nicht.

Facebook behandelt Barbara, als rühre sie die Werbetrommel für eine Wehrsportgruppe. Das hat andere Folgen als die, dass hie und da mal ein Bild nicht die gewünschte Reichweite erzielt. Barbara bekennt: „Es beginnt schon mit der Zensur im Kopf. Ich muss mir jetzt gut überlegen, ob ich einen Beitrag poste oder nicht, denn die Gefahr, dass meine Seite komplett gelöscht wird, ist allgegenwärtig. .... Es erstickt meinen Schaffenswillen im Hinblick auf die sozialen Netzwerke.“

Die wirklich Verrückten und Bösen

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz provoziert eine maßlose Selbstzensur der Netzwerke. Der vorauseilende Gehorsam schädigt jene politische Kultur und gesellschaftlichen Umgangsformen, die das Gesetz schützen soll. Aber die Zensurmaßnahmen sind am wirkungsvollsten, wenn sie jene treffen, die nicht konspirativ arbeiten, die nicht mit Hilfe geifernder Trollarmeen jede ihrer Botschaften sofort so weit streuen, dass der Löschschwamm gar nicht hinterher kommt.

Der deutsche Journalist Richard Gutjahr hat fast zeitgleich mit Barbaras Hilferuf einen erschütternden Erfahrungsbericht auf seinem Blog veröffentlicht, der von der Hilflosigkeit und dem Unwillen von Justiz und Internetkonzernen erzählen, wenn die wirklich gemeingefährlich Verrückten im Netz mobil machen.

Gutjahr, freier Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, war durch einen makabren Zufall sowohl bei der Terrorattacke von Nizza am 14. Juli wie beim Amoklauf von München am 22. Juli 2016 vor Ort und hat berichtet. Das hat ihm von extrem Durchgedrehten die Vorwürfe eingebracht, entweder Mossad-Agent zu sein, also Mittäter bei Anschlägen unter falscher Flagge, oder Lügenpropagandist. Teil einer Inszenierungskampagne, die islamistische Anschläge nur vortäusche. Nicht nur schäbigste Hasstiraden, sondern Gewaltandrohungen auch gegen seine Familie gehören seitdem zu seinem Leben. Google und Facebook sehen sich außerstande, die Verbreitung seiner privaten Daten und die schäbigsten Verleumdungen wirksam zu unterbinden. Barbaras Kaktus aber, mit seiner Kiekserei gegen Naziparolen, bleibt vorerst gelöscht.