Iris Berben als Freya Becker Foto: ZDF

Eine großartige Iris Berben spielt im ZDF „Die Protokollantin“, die mit dem Verschwinden ihrer Tochter hadert. Die Miniserie eifert den internationalen Serienstandards nach. Ob das gelingt, lesen Sie in unserer Vorschau.

Stuttart - Sie ist eine Frau mit Gewohnheiten. Wenn sie am Abend in ihre Berliner Altbauwohnung kommt, schenkt sie sich ein Glas Rotwein ein und spricht mit ihrer Katze. Sie trägt biedere Röcke und praktische Schuhe, sie ist ernst, wortkarg, unsexy bis zum obersten Blusenknopf. Vielleicht wird man so, wenn man den Beruf hat, den Freya Becker in der ZDF-Miniserie „Die Protokollantin“ (ab 20. Oktober, samstags, 21.45 Uhr) ausübt: In dunklen Vernehmungsräumen protokolliert sie tagein tagaus Verhöre, in denen es um Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Mord geht, und muss dabei mit flinken Fingern an der Laptop-Tastatur die Logik von Monstern dokumentieren. Von männlichen Monstern in aller Regel.

Diese angegraute Dame, die von Iris Berbenverkörpert wird, ist eine ungewöhnliche Protagonistin, ein Fremdkörper im üblichen Cop-and-Crime-Klüngel der Öffentlich-Rechtlichen. Das ZDF hängt sich mit dem blendend besetzten Fünfteiler nach einer Idee von Friedrich Ani an den Trend, der Frauen als abgründige, ambivalente Figuren, als Täterinnen, entdeckt hat. Denn das sie nach außen hin eine graue Maus ist, insgeheim aber ein Racheengel, das gibt die Samstags-Serie schnell preis.

Peter Kurth ist als Cop eine Offenbarung

Freyas Tochter Marie ist seit elf Jahren verschwunden; ihr Mann hat sich daraufhin das Leben genommen. Freya geht auf andere Art und Weise mit dem Verlust um, den sie nie akzeptiert hat – immer noch stellt sie Marie zu deren Geburtstag frische Blumen in die verwaiste Wohnung. Als Thilo Menken in einem ähnlichen Fall wie dem von Marie vor Gericht freigesprochen wird, greift Freya mit ihrem Helfer Damir (Johannes Krisch) ein, sie sind ein gut eingeübtes Team. Spannung entsteht dadurch, dass mit Henry Silowski (Peter Kurth) ein neuer Chef ins LKA kommt, der das plötzliche, spurlose Verschwinden Menkens zum Anlass nimmt, alte ungeklärte Fälle ähnlicher Art zu untersuchen. Für Freya wird es gefährlich – und auch tragisch, denn zwischen ihr und Henry beginnen, intensive Gefühle zu keimen.

Gesichtsmuskelzucken statt Geschwätzigkeit

Die Regisseurin und Autorin Nina Grosse entwirft eine düstere Visualität, das ZDF nennt das „Berlin Noir Stil“; bei der Hintergrund-Story um Freyas Bruder Jo (Moritz Bleibtreu) und Murat (Misel Maticevic), Maries Zuhälter, wirkt die Komplexität arg angestrengt. Es ist offensichtlich, dass man in Ästhetik, Dramaturgie, Figurenzeichnung zum internationalen Serienhandwerk aufschließen will. An sich löblich, vielleicht wäre es vor allem sinnvoll gewesen, die anfängliche Dynamik auch in den späteren Folgen aufrechtzuerhalten und sich mehr Mühe mit der Plausibilität zu geben. Als die Polizisten einen Widerling, der seine Freundin totgeprügelt hat, weich gekocht haben und er ankündigt, er wolle ein Geständnis ablegen, schaltet der Ermittler das Mikrofon ab und sagt: kurze Pause.

Es ist Iris Berben zu verdanken, dass solche Schwächen nicht wirklich ins Gewicht fallen. Ihre Spielweise ist überragend, sie verwandelt ihr Gesicht zu einem Lesebuch, winzige Mimik-Nuancen erzählen von Schmerz, Wut, Seelenaufruhr und kluger Berechnung – ein Gesichtsmuskelzucken ersetzt die sonst übliche Geschwätzigkeit. Und Peter Kurth als Cop wie als später Liebender ist eine Offenbarung.

Ausstrahlung: ZDF, von 20. Oktober an, 21.45 Uhr