Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Stimmabgabe. Foto: dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft, mit der Unterstützung der Obersten Rada im Rücken seinen prowestlichen Kurs fortsetzen zu können. Doch ihm stehen schwierige Aufgaben bevor.

Kiew - Die Partei Diener des Volkes von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach ersten Prognosen die vorgezogene Parlamentswahl in der Ukraine klar gewonnen. Sie kam auf 43,9 Prozent der Stimmen, wie aus den kurz nach Schließung der Wahllokale veröffentlichten Prognosen hervorging. Mit 11,5 Prozent abgeschlagen an zweiter Stelle landete die prorussische Partei von Viktor Medwedtschuk. Drei weitere Parteien schafften es demnach über die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in die Oberste Rada.

Die genaue Sitzverteilung im Parlament war zunächst nicht klar. Die Prognose zweier Forschungsinstitute umfasste nur jene 225 der insgesamt 424 Mandate, die für die Kandidaten der Parteilisten vergeben werden. Über die 199 übrigen wurde in einzelnen Wahlkreisen entschieden.

Selenskyj war im Mai Präsident geworden. Um sich auch im Parlament eine Mehrheit für seinen prowestlichen Kurs zu sichern, zog er daraufhin die für den Herbst geplante Wahl um drei Monate vor. Selenskyj, ein Komiker und Schauspieler, der als Quereinsteiger in die Politik kam, will sein Land Richtung EU und Nato führen. Außerdem hat er sich wirtschaftliche Reformen und einen Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben.

Spannungen zwischen Moskau und Kiew sind groß

Selenskyj sagte nach seiner Stimmabgabe, eine der ersten Aufgaben des neuen Parlaments sollte es sein, die Aufhebung der Immunität von Parlamentsabgeordneten zu erwägen. Denn dadurch sind sie in Korruptionsfällen vor Strafverfolgung geschützt.

Der mit seiner Partei Zweitplatzierte Medwedtschuk, ein Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war mit dem Vorhaben angetreten, die Beziehungen der Ukraine zu Russland zu verbessern. Seit der Annektierung der Halbinsel Krim 2014 durch Russland und dessen Unterstützung für Separatisten in der Ostukraine sind die Spannungen zwischen Kiew und Moskau groß. Auf dem dritten Platz folgte die Europäische Solidaritätspartei des früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, gegen den Selenskyj bei der Präsidentschaftswahl im Frühling klar gewonnen hatte.

Der 57-jährige Wähler Dmitri Ruschailo hatte auf einen Wahlsieg Medwedtschuks gehofft. „Der Kreml wird den Krieg beenden, wenn Medwedtschuk an die Macht kommt“, sagte Ruschailo nach seiner Stimmabgabe. „Die Hälfte des Landes spricht Russisch, aber weder die alten noch neuen Behörden hören auf uns. Warum sollten wir die EU und Nato haben, wenn der Krieg nicht aufhört und wir ärmer werden?“

Der Vorsitzende von Selenskyjs Partei, Dmytro Rasumkow, sagte, er sei bereit, mit Russland über Mechanismen für eine Konfliktlösung zu sprechen. Die Ukraine wolle Frieden im Osten, „aber nicht um jeden Preis“, sagte er. „Was Medwedtschuk sagt, ist keine Strategie, um Territorien zurückzugeben, keine Strategie, um den Krieg zu beenden.“