CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart: „Wir waren häufig Impulsgeber dieser Koalition.“ Foto: dpa

Während der grün-schwarze Koalitionskrise hielt er sich öffentlich zurück. Jetzt spricht CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart im Interview über die Spitzenkandidatur für die nächste Landtagswahl 2021 und drohende Fahrverbote in Stuttgart.

Stuttgart - Die CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag wurde zuletzt von so mancher Seite für die grün-schwarze Koalitionskrise verantwortlich gemacht. Jetzt wehrt sich ihr Vorsitzender Wolfgang Reinhart (62).

Herr Reinhart, Grün-Schwarz steckt in der Krise. Warum?
Die ganze Debatte über eine Krise ist nicht durch uns, sondern durch das Verhalten der Grünen bei der Wahl der Vizepräsidentin des Landtags verursacht worden. Das war vertragswidrig. Und eines möchte ich betonen...
Was?
Es kann nicht ein Landesvorsitzender der Grünen hergehen und über dpa aufrufen, das Vorschlagsrecht der CDU-Fraktion mit ihrer Kandidatin zu konterkarieren und diese nicht zu wählen. Das hat den Zustand der Koalition zum Thema gemacht und mediale Spekulationen nach anderen Mehrheiten in Gang gebracht. Die Opposition hat das dann genutzt. Die Mehrheit der Koalition muss bei einer Abstimmung im Landtag stehen. Das ist elementar.
Aber die CDU-Fraktion hatte sich zuvor doch beharrlich geweigert, einen Punkt des Koalitionsvertrags umzusetzen – die Einführung einer Parteiliste beim Landtagswahlrecht.
Wir haben die vergangenen zwei Jahre hunderte Entscheidungen gemeinsam getroffen und erfolgreich umgesetzt. Ich nenne allein den Doppelhaushalt mit über 100 Milliarden Euro mit Schwerpunkten in der Bildung, in der Digitalisierung und der inneren Sicherheit. Wir haben den Lehrerstellen-Abbau gestoppt, die Mittel für die Digitalisierungsstrategie verdreifacht auf rund eine Milliarde Euro und stellen künftig 1800 Polizeianwärter pro Jahr ein, um nur drei Beispiele zu nennen. Und wir werden auch in Zukunft vieles zusammen umsetzen. Es gab jetzt diesen einzigen Punkt, wo es geruckelt hat, wo wir angesichts des freien Mandats der Abgeordneten für eine Änderung des Wahlrechts keine hinreichende Mehrheit in dieser Koalition hatten. Aber das gab es in der vergangenen Wahlperiode übrigens auch mit der SPD.
Warum ist die CDU-Fraktion eigentlich gegen die Wahlrechtsreform?
Erstens gab es gegen alle Vorschläge konkrete verfassungsrechtliche Bedenken. Und zweitens ist das bestehende Wahlrecht in der Sache immer noch bürgernäher und basisnäher. Es ist uns wichtig, dass eben nicht irgendwo von oben herab mit einer Liste entschieden wird, wer ins Parlament einziehen soll, sondern die Basis nominiert und der Bürger durch seine Wahl mit einer einzigen Stimme entscheidet. Das ist einfach und transparent. Basis ist Boss!
Die grüne Parteibasis, der Landesfrauenrat und die FDP im Landtag plädieren für ein Bürgerforum, das Vorschläge für ein neues Wahlrecht unterbreiten soll.
Im Koalitionsausschuss haben der Ministerpräsident und der stellvertretende Ministerpräsident beide gesagt, das Thema ist in dieser Legislaturperiode erledigt.
Der Streit um das Wahlrecht wurde medial zu einer CDU-internen Machtfrage zwischen Parteichef Thomas Strobl und Ihnen deklariert. Sie hatten gesagt, es sei eine Sachentscheidung gewesen. Hand aufs Herz: War es das wirklich?
Es war eine an der Sache orientierte Entscheidung, zu der die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion in größter Einmütigkeit gekommen sind. Deshalb war es nie die Frage einer Person, sondern immer der ganzen Fraktion. Weil wir mit unseren Sachargumenten nicht überall durchgedrungen sind und weil das völlig verengt wurde auf eine ganz andere Frage, um die es nie gegangen ist, hat das Thema leider eine falsche öffentliche Schieflage bekommen.
Im Ergebnis gehen Sie seither mit Strobl vespern. Warum?
Die Kommunikation über die Fragen des politischen Alltagsbetriebs ist enorm wichtig. Grundsätzlich ist es immer besser, man spricht miteinander, bevor von außen Sand ins Getriebe gebracht wird. Ich habe deshalb jetzt auch dem Koalitionspartner vorgeschlagen, dass wir ein neues regelmäßiges Treffen zwischen den beiden geschäftsführenden Fraktionsvorständen einführen. Mein Kollege Andreas Schwarz hat sofort zugestimmt. Das erste Treffen findet am 6. Juni statt.
Was ist das Ziel dieser Treffen?
Wir sind uns einig, dass wir uns sehr früh, vertraulich, intern austauschen, um von vornherein – in einer Art Frühwarnsystem – Problemfelder der Zukunft zu besprechen und damit einer Krisengefahr zuvorzukommen. Ich will damit auch unterstreichen, dass ich alles tun werde, dass wir im Sinne dieses Landes klug, konstruktiv und kooperativ zusammenarbeiten.
Sie hätten zuletzt auch eine Koalition mit SPD und FDP einfach ausschließen können, als Spekulationen dazu aufkamen.
Ich springe nicht über jedes Stöckchen und muss nicht jeden Tag etwas dementieren, das es nicht gibt. Ich habe immer gesagt, dass ich das Gelingen der grün-schwarzen Koalition will. Die Spekulationen über eine Deutschland-Koalition sind durch das Abstimmungsverhalten im Landtag hervorgerufen, von der Opposition instrumentalisiert und dann von den Medien auch befördert worden.
Nicht auch von Ihrer Fraktion?
Nein, im Gegenteil. Ich habe mich noch am Tag der Abstimmung im Bohnenviertel mit dem Ministerpräsidenten drei Stunden lang zum Abendessen zusammengesetzt. Wir haben zusammen eine Flasche Rotwein getrunken. Damit war der Punkt für ihn und für mich ausgeräumt. Alles andere ist eine Interpretation, die den Sachverhalt nicht trifft.
Der CDU-Landesvorsitzende und Innenminister Thomas Strobl hat beim Parteitag zuletzt in Wiesloch – ohne Namen zu nennen – Personen aus Ihrer Fraktion vorgeworfen, die Spielchen zu unterlassen. Wie kommt’s dann dazu?
Es war hier offenkundig zu Fehlinterpretationen wegen Medienspekulationen gekommen. Das haben wir aber in der Fraktionssitzung klar und deutlich ausgeräumt. Es ist von unserer Seite, von der Fraktion, überhaupt kein Spielchen betrieben worden.