Am Schwarzen Brett an der Uni findet man viele Hinweise, aber nicht so sehr auf freie Wohnungen – und wenn doch, ist die Konkurrenz groß. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Zu geringes Angebot, hohe Mieten und oftmals Hunderte von Mitbewerbern: Auch die Studierenden trifft die Wohnungssituation in Stuttgart mit großer Härte. Studenten aus dem Ausland finden, dass es hier besonders schwierig ist.

Stuttgart - Florian Walla kann ein Lied davon singen. Der 19-Jährige studiert im ersten Semester Architektur an der Universität Stuttgart. Das von seinen Eltern gesetzte Mietpreis-Limit war nicht einzuhalten. Jetzt lebt er im Stuttgarter Westen und zahlt 430 Euro Miete. Über einen Freund seines Vaters kam er an die Wohnung, hatte Glück. Bis dahin machte er durchwachsene Erfahrungen:

„Bei zwei Wohnungen war ich zur Besichtigung eingeladen. Sie sahen vor Ort allerdings so schrecklich aus, dass ich noch vor Beginn wieder verschwunden bin. Und billig waren die auch nicht gerade.“

Ähnliche Erfahrungen hat Anna-Lena Bindel (24) gemacht. Sie studiert Medienwirtschaft an der Hochschule der Medien. Zwar habe sie keine Probleme gehabt, zu Besichtigungen eingeladen zu werden. Doch sie bekam es mit Hunderten von Mitbewerbern zu tun. Sie gab sorgsam erarbeitete Bewerbungsmappen ab, bemühte sich nach Kräften – und trotzdem blieb der Erfolg aus. „Für eine heruntergekommene Dreizimmerwohnung im Stuttgarter Osten wurden über 1000 Euro Miete verlangt“, berichtet sie.

Von Februar an wird Anna-Lena am Berliner Platz wohnen und sich mit zwei weiteren Studenten eine Vierzimmerwohnung teilen. Jeder zahlt 620 Euro Miete im Monat. Die Arbeit als Praxisstudentin bei Bosch und elterliche Unterstützung machen es möglich.

„Ich war nervös und habe geweint. Ich war nicht mehr ich selbst“, sagt Claudia Gallego Ariño. Die 20-Jährige Erasmus-Studentin aus Spanien war überrascht, wie schwierig es ist, in Stuttgart eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die monatelange Suche zerrte an den Nerven. „In Madrid ist es einfacher, und das obwohl es immerhin die Hauptstadt Spaniens ist.“ Claudia studiert Politikwissenschaften und wohnt mittlerweile in der Nähe des Feuersees. Die monatliche Miete beträgt 335 Euro. Der Weg zu dieser verhältnismäßig bezahlbaren Wohnung war steinig. Auf einen Platz im Studentenwohnheim hätte sie mindestens acht Monate warten müssen. Schließlich erfuhr Claudia von einem Freund, dass eine Wohnung in dessen WG frei wurde. Die Spanierin hatte vier Mitbewerber. Es war ihre letzte Chance. Das Vorstellen war unangenehm. „Man ist unsicher, in einer Position der Schwäche.“

Monatelanges Warten auf ein Zimmer im Studentenwohnheim

In den 35 Wohnanlagen des Studentenwerks sind zum Start des letzten Wintersemesters nur 2005 Zimmer frei geworden. Zu diesem Zeitpunkt standen noch 3840 Studenten auf der Warteliste, 5850 neue Anfragen kamen dazu. Die Chancen stehen also schlecht. Die Mieten liegen zwischen 235 und 399 Euro.

Anita Bauer, Pressesprecherin des Studentenwerks, unterstreicht den Hilfsauftrag der Wohnheime: „Wir sind nicht der Gewinnmaximierung verpflichtet, sondern dem Gemeinwohl.“ Das Studentenwerk wisse um die schwierige Situation vieler Studenten und plane bis 2021 rund 1400 neue Wohnplätze zu schaffen, unter anderem am Campus Vaihingen und in Ludwigsburg. Anita Bauer gibt das Ziel an: „Die Wahl des Studienorts darf nicht von der finanziellen Situation der Studierenden abhängen.“ In der Realität ist das aber allzu oft der Fall. Vor allem Studenten aus finanzschwachem Elternhaus bleiben bei der Wohnungssuche auf der Strecke.

Alejandro Rios Serrano und Patrick T. haben es geschafft. Sie wohnen im Allmandring 3. Patrick studiert Medieninformatik. Er stand fünf Monaten auf der Warteliste. „Ich denke es hilft, wenn man anruft und noch mal nachhakt“, sagt er. Hartnäckigkeit könne sich auszahlen und sei besser, als einfach nur abzuwarten. Alejandro hatte Glück, über sein Master-Programm in Architektur einen Platz zu bekommen. Der Kolumbianer findet es in seinem Heimatland einfacher, auf dem privaten Markt eine Wohnung zu finden. „Dafür gibt es dort aber keine Studentenwohnheime“, sagt er. „Viele meiner Kommilitonen hatten große Probleme, etwas zu finden“, so Alejandro.

Der Mieterverein Stuttgart gibt sich alarmiert. „Die Mieten sind in den letzten Jahren explodiert“, sagt der Vorsitzende Rolf Gaßmann. Es herrsche ein „riesiger Wohnungsmangel“ und der Bestand an Sozialwohnungen sei rückläufig. Die Konkurrenz um Wohnungen verschärfe sich. Bei allem Verständnis für die Not vieler Studenten, müsse man auch etwas anderes sehen: Studenten aus „besserem Hause“ seien für Vermieter interessanter als die Familie mit zwei Kindern. Wohlhabende Studenten schlössen sich in WGs zusammen und seien so zahlungskräftiger. Der Druck unter den Studenten erhöhe sich dadurch zusätzlich. „Menschen mit mittleren und geringen Einkommen können die Mieten kaum bezahlen.“ Der Markt funktioniere nicht mehr.

Die Stadt verweist darauf, dass die Problemlage in anderen Städten ähnlich sei. „Unsere Aufgabe ist es, für alle bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Studierende sind dabei eine wichtige Gruppe – aber nicht die einzige“, sagt Sven Matis. Der Pressesprecher der Stadt nennt das Rosensteinviertel und den Neckarpark als wichtige Entwicklungsflächen, die sich in städtischer Hand befinden. Matis: „Die Stadt entscheidet, was auf diesen Flächen geschehen soll.“ Zusammen mit dem Studierendenwerk kümmere man sich um die Schaffung neuen Wohnraums.

„Eine Möglichkeit um kurzfristig Wohnraum zu schaffen, wäre es, bestehende Parkplätze der Hochschulen zu überbauen“, meint Matis, „unten wird geparkt, darüber in mehreren Etagen gewohnt. Am Standort in Vaihingen wäre ein solcher Mix möglich.“