Unseriöse Vermittler versprechen individuelle Besichtigung statt Massenauflauf Foto: dpa-Zentralbild

Ein Wohnungssuchender wurde über ein Internetportal fündig, aber längst nicht glücklich mit dem Angebot: Ein Vermittler verlangte eine saftige Gebühr fürs Anschauen, und zwar ohne Erfolgsgarantie.

Stuttgart - Im Frühjahr bekam Marco P. die lang ersehnte Zusage für ein Lehramt im Raum Stuttgart. Im Mai begann er, eine Wohnung in der Stadt zu suchen – und stieß dabei auf erstaunliche Gepflogenheiten.

Über ein Internetportal fand er eine Drei-Zimmer-Wohnung im Stuttgarter Westen und meldete sein Interesse an. „Daraufhin habe ich per E-Mail ein Angebot erhalten, das gepasst hätte, die Konditionen für die Besichtigung hielt Marco P. allerdings für inakzeptabel. Unter der Rubrik „Sonstige Angaben“ stand: „Bitte beachten Sie, dass wir als Dienstleister die Besichtigung durchführen und dafür eine Gebühr von 34,99 Euro erheben.“

Weitere Details standen im Exposé, zum Beispiel, dass der Betrag bei der Besichtigung in bar bezahlt werden müsse und nicht zurückerstattet werde, „falls Ihnen die Wohnung nicht gefällt oder Sie später keinen Zuschlag des Eigentümers erhalten sollten“, heißt es dort. Der Vermittler nennt sich selbst „Dienstleister“ und bemüht sich, durch Großbuchstaben kenntlich zu machen, dass er kein Makler sei. Er preist die Vorzüge dieses Verfahrens an: „Durch diese Vorgehensweise reduziert sich die Anzahl der potenziellen Bewerber, und Sie haben eine deutlich höhere Chance, die Wohnung zu mieten.“

Für Wohnungssuchende wie Marco P. klingt so etwas verlockend. „Ich war bei einigen Besichtigungen, wo bis zu 30 Leute kamen, in einem Fall waren sogar alle auf einmal in der Wohnung, so dass man wegen Überfüllung schon auf den Balkon ausweichen musste“, sagt der 32-Jährige.

Ulrich Wecker, der Geschäftsführer des Stuttgarter Haus- und Grundbesitzervereins, hört erstmals von dem sogenannten Dienstleister und hält ihn für einen „unseriösen Zwischenvermittler“. Weder könne es sich bei den 34,99 Euro um eine Provision handeln, da diese erfolgsabhängig sei. „Und selbst wenn ein privater Vermieter viele Anfragen hat, dann macht man vier bis fünf Termine der Reihe nach. Ich will doch mit den Leuten ins Gespräch kommen und wissen, mit wem ich es zu tun habe und ob der Interessent zahlen kann“, sagt Wecker. Verständnis für das Geschäftsgebaren des betreffenden Dienstleisters hat Wecker nicht.

"Das ist rechtswidrig und dummdreist"

Beim Mieterverein Stuttgart ist der Fall hingegen bekannt. Vor einer Woche hat der Verein 15 000 seiner 30 000 Mitglieder aufgerufen, solche und ähnliche Verstöße zu melden. „Auf diesen sogenannten Dienstleister haben wir zwei Hinweise bekommen“, sagt Rolf Gaßmann. Der Vorstand hat den Fall bereits an einen Verbraucheranwalt übergeben und will eine Abmahnung des Betreffenden erwirken.

„Die hier als Besichtigungsgebühr deklarierte Summe ist eine verkappte Vermittlungsgebühr, das ist rechtswidrig und dummdreist.“ Eine Gebühr für die Vermittlung einer Wohnung dürfe ein Makler nur bei Erfolg verlangen.

Gaßmann hat einen zweiten Fall an den Anwalt übergeben: Ein Makler habe Studenten nur einen Besichtigungstermin gegeben, wenn sie einer Service-Gesellschaft beigetreten seien – laut Gaßmann zu einer einmaligen Gebühr von 470 Euro. Hat der Mieterverein Erfolg, müssen beide schwarzen Schafe eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Jeder Verstoß dagegen koste ein Bußgeld von bis zu 25 000 Euro.

Die Geschäftemacher wollen das Bestellerprinzip umgehen. Es besagt, dass die Maklergebühr von dem bezahlt werden muss, der den Makler bestellt. Bisher konnte die Provision zumeist auf den Mieter abgewälzt werden. Der Wohnungsmangel spielt den dubiosen Firmen in die Hände. „Die Konkurrenz ist groß, man bewirbt sich um alles“, sagt Marco P. In einem Fall sei er als Mieter einer bestimmten Wohnung abgelehnt worden. Daraufhin meldete sich der Makler und bot ihm die Vermittlung derselben Wohnung an – natürlich gegen Gebühr.

Geringverdiener oder Mieter mit anderen Handicaps haben kaum Chancen auf diesem heiß umkämpften Pflaster. Sie können sich bei der Stadt um eine Sozialwohnung bewerben. 2014 waren dort 3575 Klienten vorgemerkt, allein in der ersten Hälfte dieses Jahres sind es schon 3814. „Das sind nicht mal alle, weil sich viele nichts davon versprechen“, sagt Erhard Brändle, Abteilungsleiter im Liegenschaftsamt.

Das Statistische Amt gibt keine Entwarnung. „Wir haben im vergangenen Jahr 40 000 Wegzüge und 46 000 Zuzüge gezählt, die Stadt gewinnt jährlich 6000 bis 7000 Einwohner“, so Amtsleiter Thomas Schwarz. Er sagt aber auch: „Es ist mehr Bewegung im Wohnungsmarkt als bisher.“ Vielleicht hat das bei Marco P. zum Erfolg geführt: Er fand zuletzt ohne Barzahlungen am Besichtigungsort eine Wohnung.