So sieht der neue Supermarkt mit 25 Wohnungen in der Ludwigsburger Oststadt aus, ein Modell auch für andere Kommunen? Foto: Stadt Ludwigsburg

In Ludwigsburg beschreitet man neue Wege im Kampf gegen die Immobilienkrise: Über einen Supermarkt werden 25 Wohnungen gebaut. Doch die Anwohner wehren sich erbittert gegen das neue Gebäude.

Ludwigsburg - Kaum ein Projekt hat in Ludwigsburg jenseits der Verkehrsdebatte so viele Emotionen ausgelöst. Diskutiert wurden ganz grundsätzliche Fragen: Wie kann eine Kommune konkret die Wohnungsnot lindern? Wie dicht und wie hoch dürfen die Gebäude werden? Wie ökologisch kann ein neuer Supermarkt errichtet werden? Im Stadtplanungsausschuss des Gemeinderates ist nun eine Lösung für den langjährigen Streit gefunden worden, die auf eine breite Mehrheit im Gemeinderat stößt.

Worum geht es? Im Dezember 2015 hat die Discounter-Kette Lidl Pläne vorgestellt, den Supermarkt in der Hindenburgstraße von 1000 auf 1800 Quadratmeter Verkaufsfläche zu erweitern. In dem Neubau sollten zudem 38 Wohnungen entstehen, die Parkplätze ebenerdig sein – und das Gebäude 17 Meter hoch werden.

Erbitterter Widerstand der Anwohner

Die Bürgerinitiative „Grüner Lidl“ gründete sich, Anwohner fürchteten einen Koloss und mehr Verkehr, was den Wert ihrer Häuser mindern würde. Überraschend lehnte der Gemeinderat im März 2018 mit einer knappen öko-sozialen Mehrheit das Projekt ab. Eine Forderung der Gegner war, die Verkaufsfläche ins Erdgeschoss zu verlagern, wodurch die Parkplätze in die Tiefgarage verbannt worden wären. Was für Lidl inakzeptabel ist. „Das nehmen die Kunden nicht an“, erklärt der Stadtplaner Martin Kurt.

Nun steht ein Kompromiss im Raum: Der neue Plan sieht maximal 15 Meter Gebäudehöhe vor, dafür wird das ganze etwas breiter. Nur drei statt vier Geschosse und nur 25 Wohnungen – so soll sich der neue Supermarkt-Wohnkomplex besser in die Umgebung einfügen. Dazu kommt viel Grün auf dem Dach, neu gepflanzte Bäume und freundlicher gestaltete Fassaden. In der von der Stadtplanungs-Bürgermeisterin Gabriele Nießen moderierten Ausschussdebatte wird klar: Das Modell findet viel Zustimmung.

Grüne: Ein stadtplanerischer Fehlgriff

„Durch die Ehrenrunde kommt doch eine bessere Lösung heraus“, sagt etwa der CDU-Rat Wilfried Link. Der SPD-Mann Dieter Juranek lobt das Engagement der Bürgerinitiative: „Die Anwohner haben viel erreicht.“ Die Sozialdemokraten stimmen der abgespeckten Variante „guten Gewissens“ zu.

Die Grünen allerdings bleiben bei ihrem Widerstand, zur Zufriedenheit der zahlreich vertretenen Anwohner der Bürgerinitiative. Die Vize-Fraktionschefin Christine Knoß argumentiert gar mit dem Klimawandel: „Lidl baut nach dem Motto: wachsen, wachsen, wachsen.“ Ein autogerechter Markt werde geplant, für Fußgänger und Radfahrer sei dieser jedoch nicht gut zu erreichen. „Ein stadtplanerischer Fehlgriff“, sagt die Vertreterin der Ökopartei, durch die Umplanung sei alles noch schlimmer geworden.

Muss man mit dem Fahrrad „in den Supermarkt“?

Der Freie-Wähler-Rat Bernhard Remmele erwidert auf diese Kritik: „Frau Knoß, seit wann fahren Sie mit dem Fahrrad direkt in den Supermarkt? Ich dachte, Sie stellen es davor ab.“ Das könnte sie bei dem neuen Lidl-Markt ebenso tun, um mit dem Aufzug in den ersten Stock zu fahren. Der Widerstand der Grünen bleibt dennoch entschieden, der Stadtrat Ulrich Bauer beantragte sogar, seine Ablehnung ins Protokoll aufzunehmen: „Ich will, dass auch in 15 Jahren dokumentiert bleibt, dass ich nicht zugestimmt habe.“

Im Stadtplanungsausschuss findet sich eine Mehrheit von 7:4 Stimmen, im Gemeinderat dürften die Verhältnisse am nächsten Mittwoch deutlicher sein.