Der Wohnungsbau wird durch immer mehr Reglementierungen erschwert, sagt die Wohnungswirtschaft. Foto: Mierendorf

Die Wohnungswirtschaft im Land treibt die Sorge um, dass es zu einer dramatischen Verknappung von preisgünstigem Wohnraum kommen könnte, wenn die Politik jetzt nicht handelt.

Der Immobilienwirtschaft läuft die Zeit davon. 'Mit den Instrumenten, die wir derzeit zur Verfügung haben, wird das Land kurzfristig die notwendige quantitative Ausweitung von Wohnflächen nicht bewältigen können', sagt Robert an der Brügge. Der Verbandsvorsitzende des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen blickt mit Sorge auf das kommende Jahr. Um die Anschlussunterbringung bei den anerkannten Flüchtlingen zu gewährleisten, seien Tausende von neuen Wohnungen notwendig. Doch selbst wenn sofort gebaut werden könnte, seien die ersten Wohnungen nicht vor 2018 bezugsfertig. 'Deutschland hat eine Welt der Gesetze und Verordnungen in der Annahme geschaffen, dass das Land schrumpfen wird', so der Verbandsvorsitzende. Dabei gebe es die verstärkte Zuwanderung nach Deutschland nicht erst durch die Flüchtlinge. Seit der Harmonisierung des europäischen Arbeitsrechts kämen auch immer mehr Menschen aus anderen Regionen der europäischen Union ins Land, um hier zu arbeiten, erklärt der vbw-Verbandsvorsitzende. 'Jetzt rächt es sich, dass wir uns gedanklich auf ein schrumpfendes Deutschland eingestellt haben und die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau im Sinne einer reinen Qualitätsverbesserung verschärft haben.'

Mit dem herrschenden Planungsdogma sei man auf die aktuelle Situation nicht vorbereitet, räumt Robert an der Brügge ein. 'Mit den Instrumenten, die die Politik in den zurückliegenden Jahren entwickelt hat, um den Wohnungsbau qualitativ zu verbessern, hat die Politik den Investoren Fesseln angelegt, mit denen das Delta an notwendigem Neubau kurzfristig nicht zu bewältigen ist', ergänzt Sigrid Feßler, die Verbandsdirektorin des vbw. Das sei kein Vorwurf, treffe aber jetzt mit voller Wucht auf die Wohnungswirtschaft. Einen Ausweg aus dem Dilemma sieht das Beratungsunternehmen Empirica aus Bonn in der Revitalisierung des ländlichen Raumes. Die Wohnraumversorgung sei mit diesem Konzept schneller und preiswerter sicherzustellen als durch einen massenhaften und langwierigen Neubau in den jetzt schon engen und teuren Stadtregionen. Die Umkehrung der Landflucht durch dieses Modell werde gleichzeitig eine Entwertung von Wohnungen und Infrastruktur in den ländlichen Regionen abmildern und im Idealfall zusätzlich die Nahversorgung mit Dienstleistungen und Gütern des täglichen Bedarfs dort verbessern, so die Studie. Sigrid Feßler hält die Idee, den ländlichen Raum mit Flüchtlingen zu besiedeln, allerdings für eine Scheindiskussion. 'Was sollen die Flüchtlinge in einem Gebiet, wo es kaum noch Arbeitsplätze gibt und keine Infrastruktur mehr vorhanden ist. Das müsste erst alles wieder mit hohem finanziellen Aufwand aufgebaut werden.'

Erschließung von Bauland

Besser sei es, entlang der Verkehrsachsen in der Region neue Wohngebiete zu erschließen. Aber: 'Es fehlt vor allem an verfügbarem Bauland, nicht nur hier in Stuttgart und der Region, sondern in vielen Ballungszentren', ergänzt die vbw-Verbandsdirektorin. 'Das Flächenpotenzial in der Raumplanung muss ausgeschöpft werden. Die Kommunen müssen insoweit auch über die Einbeziehung von Außenflächen nachdenken; allein durch Innenentwicklung lässt sich der Bedarf nicht decken', so Sigrid Feßler. Doch selbst wenn Bauland vorhanden wäre, gebe es tausend Gründe, die die Kommunen im Land daran hinderten, Bauland zu erschließen. 'Wir haben in den zurückliegenden Jahren so viele Schutzvorschriften erlassen, die es den Kommunen unmöglich machen, auf ihr potenzielles Bauland zuzugreifen', kritisiert die Verbandsdirektorin. Robert an der Brügge zählt drei Beispiele auf: Der Hochwasserschutz sei sicherlich wichtig, aber müsse jede tiefer liegende Fläche neben einem Fließgewässer gleich als Retentionsfläche ausgewiesen werden? Flächen, die im Falle eines Hochwassers als Überflutungsfläche genutzt werden könnten, seien somit praktisch unbebaubar. 'Wir müssen uns in der aktuellen Situation auch die Frage stellen, was wichtiger ist: der Erhalt von ein paar Grottenmolchen oder die Schaffung von Wohnraum', kritisiert er.

Durch den verschärften Artenschutz sei es praktisch den Kommunen unmöglich gemacht worden, kurzfristig auf Änderungen auf dem Wohnungsmarkt zu reagieren. 'Total kontraproduktiv' für ein schnelles wie ein kostengünstiges Bauen hält der Verbandsvorsitzende auch die ab 2016 geltende Herabsetzung der Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide im Rahmen der Änderung der Gemeindeordnung unter anderem bei der Bauleitplanung. 'Wenn künftig jedem neuen Bebauungsplan ein Bürgerbegehren gegenübersteht, werden sich viele Wohnungsunternehmen ihre Investitionsentscheidung zweimal überlegen.' Jeder Tag, an dem nicht gebaut wird, kostet Geld. Und das zahle am Ende des Tages immer der Mieter, so Sigrid Feßler. 'Die Bereitschaft zum Bauen ist in der Wohnungswirtschaft vorhanden', weiß Robert an der Brügge. Doch solange die Politik nicht erkenne, dass sie mit ihren immer neuen Reglementierungen die Sache nur noch schlimmer mache, sehe er schwarz für eine kurzfristige Lösung. Am liebsten wäre es dem Verband, wenn zumindest einige der Gesetzesvorstöße in Sachen Landesbauordnung, Gemeindeordnung und Mietpreisbremse erst einmal für eine bestimmte Zeit in der Versenkung verschwinden würden. 'Wenn wir die anstehenden Probleme gelöst haben, können wir ja noch einmal darüber diskutieren, was wir wirklich davon brauchen.' Also zurück auf Los.