Die Stadt Stuttgart hat die Neubebauung des Eiermann-Campus’ als Projekt für die Internationale Bauausstellung angemeldet. Foto: Steidle Architekten

Bauprojekte auf der Filderebene werden von vielen kritisch beäugt. Immer dichter werden die Stadtteile, immer kleiner die Freiflächen und immer länger die Staus. Kann eine Internationale Bauausstellung diese Probleme lösen?

Filder - Bauprojekte auf der Filderebene werden von vielen kritisch beäugt. Immer dichter werden die Stadtteile, immer kleiner die Freiflächen und immer länger die Staus. Gleichzeitig bleibt bezahlbarer Wohnraum Mangelware und vereinsamen Menschen immer mehr. Genau bei diesem Widerspruch setzt die Internationale Bauausstellung 27 (IBA’27) an. Wir haben die wichtigsten Fakten zusammengestellt.

Was ist eine IBA?

Eine Internationale Bauausstellung (IBA) gilt als ein Instrument der Stadtplanung und des Städtebaus. Als Labore auf Zeit sollen sie genutzt werden, um soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Ideen für den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wandel zu entwickeln, und zwar nicht nur in der jeweils ausrichtenden Region, sondern auch als Vorbild für andere Gebiete. Eine IBA dauert üblicherweise zehn Jahre, im Abschlussjahr werden die Projekte der internationalen Öffentlichkeit präsentiert.

Wo hat die IBA ihren Ursprung?

Die erste IBA war 1901 in Darmstadt. Um die Wirtschaft seines damals rückständigen Landes zu beleben, berief Großherzog Ernst Ludwig von Hessen 1899 sieben Jugendstilkünstler. Im Geist der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung sollten sie Kunst und Handwerk zusammenführen und in einer Künstlerkolonie neuzeitliche Bau- und Wohnformen entwickeln. Auf der Mathildenhöhe stellte der Mäzen dafür Grundstücke zur Verfügung. 1901 war es so weit: Die Ausstellung „Ein Dokument deutscher Kunst“ eröffnete. Dieses Paradebeispiel des deutschen Jugendstils gilt heute als erste Bauausstellung.

Wie kam die IBA nach Stuttgart?

Die erste IBA in Stuttgart war 1927. Damals entstand im Auftrag des Deutschen Werkbunds und der Stadt Stuttgart am Killesberg die Weissenhofsiedlung. Unter der künstlerischen Leitung von Ludwig Mies van der Rohe errichteten führende Vertreter des Neuen Bauens die 21 Musterhäuser mit insgesamt 63 Wohnungen. In ihrer schnörkellosen Modernität ist die Siedlung ein Spiegelbild der gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche des frühen 20. Jahrhunderts. Genau 100 Jahre später kommt die Internationale Bauausstellung wieder in die Region Stuttgart.

Worum geht es bei der IBA’27?

Bei der IBA’27 geht es um die Frage: Wie leben, wohnen und arbeiten wir im digitalen und globalen Zeitalter? Dazu haben fünfhundert Menschen aus Zivilgesellschaft, Politik, Planung, Architektur, Kunst, Kultur und Wirtschaft im Jahr 2016 ein Memorandum mit der „Vier-mal-vier-Themenwelt“ erarbeitet. Vier Leitthemen und vier Querschnittsqualitäten bilden damit das inhaltliche Grundgerüst für die IBA’27.

Was sind die Vier-mal-vier-Themen?

Ausgangspunkt ist das Leitthema „Baukultur einer Neuen Moderne“. In diesem Zusammenhang sollen „integrierte Quartiere“ geschaffen werden mit bezahlbaren Wohnungen für alle sozialen Gruppen. Beim Thema „Neue Technologien für die lebenswerte Stadtregion“ geht es ums moderne Bauen. Zudem soll die alte Trennung in Stadt und Land aufgeweicht werden, damit Probleme gemeinsam angegangen werden können: „Region ist Stadt und Stadt ist Region“, so das Motto. Bei den Querschnittsqualitäten geht es um Mobilität, Nachhaltigkeit, Solidarität und Partizipation.

Wer organisiert die IBA’27?

Gesteuert wird das Projekt von der eigens gegründeten IBA 2027 Stadt-Region Stuttgart GmbH. Gesellschafter sind die Landeshauptstadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, die Architektenkammer Baden-Württemberg sowie die Universität Stuttgart. Nach einer internationalen Ausschreibung hat der Aufsichtsrat der IBA den Schweizer Architekten Andreas Hofer einstimmig zum Intendanten bestimmt.

Wie bringt die IBA Projekte voran?

Gesucht sind zukunftsfähige Projekte, Initiativen und Ideen, deren Initiatoren Lust haben im Austausch mit anderen Projekten weiterzudenken. „Die IBA’27 kann Prozesse unterstützen, sie kann Initiativen, Unternehmen, Forschung und Projektentwicklung vernetzen, sie kann beim Beschaffen von Ressourcen helfen, kurz: Die IBA’27 kann und will Ungewohntes und Neues möglich machen“, heißt es dazu auf der offiziellen Website.

Warum braucht die IBA Festivals?

Die IBA’27 folgt dabei einer Dramaturgie. Zunächst ist das sogenannte IBA’27-Netz gebildet worden, sozusagen als Ideensammlung. Auf dieser Grundlage werden mehrere größere Bauvorhaben identifiziert, die das Potenzial zum IBA’27-Quartier haben. Sie müssen spezifische Anforderungen erfüllen. Sie brauchen eine hohe bauliche Dichte, damit vielfältige Nachbarschaften entstehen und sich alltägliche Angebote wie Läden, Restaurants und Nahverkehr wirtschaftlich betreiben lassen. Die Konzepte für Infrastruktur und Mobilität sollen weit über das Jahr 2027 hinausweisen. Und es sollen neue Wohnformen und Ideen für bezahlbaren Wohnraum ausprobiert werden. Zudem sind drei IBA-Festivals geplant, als Impulsgeber und Labore für bauliche Experimente.

Welche Ideen gibt es auf den Fildern?

Die Stadt Stuttgart hat in einer ersten Tranche bisher elf Projekte für die Internationale Bauausstellung vorgeschlagen. Alle wurden in das IBA’27-Netz aufgenommen. Darunter sind auch zwei Vaihinger Projekte. Zum einen geht es um den Eiermann-Campus. Das etwa 14,5 Hektar große Gebiet soll ein Beispiel für eine zukunftsweisende Stadtentwicklung werden. Das Ziel ist ein gut durchmischtes Quartier mit jungen und alten Menschen sowie aus allen sozialen Schichten. Der Eiermann-Campus soll kein Getto werden, aber er muss doch für sich funktionieren. Die Nahversorgung gilt es zu sichern, auch Kindergärten und eine Grundschule sind geplant. Eine Herausforderung ist, dass ein Teil der Gebäude auf dem Eiermann-Campus unter Denkmalschutz steht und erhalten bleiben muss. Gleichzeitig sind neue innovative Wohnformen vorgesehen. Ein Modellprojekt könnte zum Beispiel die bewohnbare Lärmschutzwand werden. Spannend ist die Frage, wie das Quartier an die Ortsmitte angebunden wird.

Darüber hinaus ist das Gebiet rund um den Vaihinger Bahnhof und die sogenannte Aurelis-Fläche ein IBA-Projekt. Dort ist eine regionale Mobilitätsdrehscheibe vorgesehen. Die Möglichkeiten reichen von einer Seilbahn bis hin zu einem autonom fahrenden Shuttle. Dabei geht es freilich auch um eine gute Anbindung an den Synergiepark, um das Verkehrsproblem in den Griff zu bekommen.