Marlene Kleiner in ihrem Wohn-, Schlaf- und Esszimmer in der Esslinger Hochwacht. Mehr Einblicke in die privaten Wohnräume in historischen Gebäuden in der Region gibt’s in unserer Bilderstrecke. Foto: Ines Rudel

Lange stand die Hochwacht in Esslingen leer. Nun werden die Räume als Wohnung genutzt. Wir stellen Menschen vor, die dort oben oder in anderen uralten, teils denkmalgeschützten Räumlichkeiten in der Region leben.

Esslingen/Göppingen/Ludwigsburg - Die markante Hochwacht neben der Esslinger Burg war einst der Sitz eines der Feuerwächter der Stadt. Zeigte sich Rauch, dann musste der Hochwächter die Feuerglocke läuten, mit der die Bürger zum Löschdienst gerufen wurden. Das schmale Gebäude mit seinen noch schmaleren Treppen war bis zum Jahr 2015 das Atelier eines Malers. Nach dessen Tod stand die Hochwacht wieder leer. Bis jetzt.

Im Mai ist eine junge Frau eingezogen. Wir haben Sie und drei weitere Personen, die in historischen Gebäuden in den Landkreisen Esslingen, Göppingen und Ludwigsburg leben, besucht. Dabei wurde schnell klar: Anders als in einem modernen Wohnhaus lebt es sich in den uralten Gemäuern – ob Burg, Mühle oder Hochwacht – in jedem Fall. Bei dem einen ist es der reizvolle Ausblick vom heimischen Burgtürmchen aus, woanders die Ruhe in der Einsamkeit am Waldrand, die den Bewohnern ein ganz besonderes Wohn- und Lebensgefühl geben.

Doch das Leben in historischen Gebäuden kann Schattenseiten haben, wie die Bewohner berichten. Zumeist geht es um die Erhaltung der Gebäude, die häufig kostspielig ist und in streng geregeltem Rahmen abläuft. (uls/kaw)

Die Hochwacht auf der Burgmauer

Ihr liegt die Esslinger Altstadt zu Füßen, ihre nächsten Nachbarn sind zwei Wehrgänge aus dem 13. Jahrhundert und eine Gartenwirtschaft. Das ehemalige Wächterhäuschen auf der Burgmauer bewohnt zur Zeit die Allgäuerin Marlene Kleiner. Von dort aus erforscht sie als Stipendiatin die Reste der frühmittelalterlichen St. Vitalis Kirche. Der kaum drei Meter breite Raum ist mit allerhand dekorativen und tragenden Fachwerkbalken versehen, so dass Besucher den Kopf einziehen müssen. Designerstücke eines schwedischen Möbelhauses komplettieren das kombinierte Wohn-, Schlaf-, und Esszimmer. In einem tischgroßen Kasten verbirgt sich eine Notrutsche, sollten bei Feuer jene beiden Treppen unpassierbar sein, die man früher zurecht als Hühnerleiter bezeichnet hätte. „Unglaublich und einzigartig ist es, hier zu wohnen,“ schwärmt Marlene Kleiner, „vor allem wenn man Bauforscherin ist“.

Die Esslinger Hochwacht ist wie ein Schwalbennest auf die Burgmauer geklebt. Im Bau von 1578 steckten die Reste eines viereckigen Schalenturms, vermutlich aus dem 14. Jahrhundert, ihre jetzige Gestalt erhielt sie im 18. Jahrhundert. Der Hochwächter musste die Stundenglocke läuten, damit die Feldarbeiter wussten, wie spät es ist, und er musste bei Feuersbrünsten oder einer Bedrohung durch Feinde Warnschüsse mit Kanonen abfeuern. (uls)

Auf der Teck liegt das Land zu Füßen

„Am Anfang hatte ich Angst, alleine hier zu sein“, gesteht Speranza Bogner. Die Wirtin führt mit ihrem Mann Uwe Bogner nicht nur das Wanderheim des Schwäbischen Albvereins und die Gastwirtschaft auf der Burg Teck, das Ehepaar wohnt auch dort, hoch über der Stadt Owen. So wie einst den mittelalterlichen Herrschern, liegt ihnen das Albvorland zu Füßen.

Längst ist Speranza Bogner jeder Quadratmeter dort oben vertraut, und längst möchte sie das Burgleben nicht mehr missen. Blickt man mit dem Fernglas von 773 Metern Höhe ins Lenninger Tal, dann wirken die Autos auf den Straßen wie Spielzeugautos – ungefähr so groß, wie eine Märklin-Lokomotive. Solche hat Speranza Bogner in ihrem früheren Leben montiert. Ihren Mann Uwe hat sie dort in Eislingen (Kreis Göppingen) im Vertrieb kennengelernt. Gemeinsam haben sie sich dann ihren Traum von einer Gastwirtschaft verwirklicht – auf der Teck. Diese wird von Mittwoch bis Sonntag betrieben.

Die Burg Teck ist ein beliebtes Ausflugsziel der Region. An Sonn- und Feiertagen pilgern etliche Besucher den Berg hinauf. Es gibt aber auch Phasen der Ruhe, die auf der dann menschenleeren Burg besonders intensiv sind. Wenn der Wind durch die Bäume pfeift, dann spüren die Bewohner die Natur. Ihr früheres Leben in Eislingen vermissen sie nicht. (ber)

Einsame Ruhe in der Herrenmühle

„In diesem Zimmer bin ich geboren“ sagt Karl-Eugen Frasch und zeigt auf den Gastraum hinter sich. „Damals gehörte der Bereich noch zur Wohnung meiner Eltern, erst später wurde das Erdgeschoss zur Gaststube“, sagt der 59-Jährige. Mit seiner Frau Lina und den gemeinsamen Kindern Christian und Katharina lebt Frasch in der Herrenmühle bei Adelberg im Kreis Göppingen. Heute wohnen die Fraschs im oberen Stockwerk.

Die Ursprünge des Gebäudes kurz vor dem Stausee reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Seit 1860 ist die Mühle im Besitz der Fraschs. „Das Holz für die Balken muss im 16. Jahrhundert geschlagen worden sein“, sagt der Wirt. Die nächsten Nachbarn leben in der Siedlung Mittelmühle und im Kloster Adelberg, etwa einen Kilometer Luftlinie entfernt. Handyempfang? Keine Chance. „Viele sagen, ihr spinnt, soweit draußen zu leben“, sagt Lina Frasch. „In der heutigen Schnelllebigkeit ist eine gewisse Ruhe sehr erholsam“, findet sie. „Man muss mobil sein“, sagt ihre 28-jährige Tochter, die das Leben in dem alten Haus genießt. „Es ist etwas Außergewöhnliches und spricht auch für uns – denn nichts ist perfekt“, findet sie. Einziger Wermutstropfen: „Wenn wir könnten, würden wir vieles anders gestalten und umbauen – aber das geht wegen des Denkmalschutzes nicht“, sagt Karl-Eugen Frasch. (kaw)

Fluch und Segen auf der Burg Schaubeck

Eine lange Zufahrt am Ortsende von Steinheim im Kreis Ludwigsburg führt zur Burg Schaubeck. Das herrschaftliche Gebäude aus dem 13. Jahrhundert ist heute der Sitz des Weinguts Graf Adelmann. Der 38-jährige Winzer Felix Graf Adelmann nennt die Burg sein Zuhause. Umgeben von einem Burggraben, einer herrschaftlichen Gartenanlage, Bediensteten-Gebäuden und seinen Weinbergen, lebt er dort in der fünften Generation.

Im dritten Stock empfängt Adelmann Junior seine Besucher. „Hier haben früher meine Großeltern gelebt“, erzählt er und führt ins Wohnzimmer, wo der aufwendige Wandschmuck sofort ins Auge sticht: Eine bunte Tapete, die die Landschaft von vier Schweizer Kantonen abbilden soll. „Die antike Tapete stammt aus dem Elsass und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Hand gefertigt“, sagt er. Wie die Tapete ist das meiste im Hause Adelmann historisch. Für den Bewohner ist das Fluch und Segen zugleich. Ein großes Privileg als auch eine große Herausforderung nennt er das Leben auf der Burg. Jedes der drei Stockwerke umfasst etwa 300 Quadratmeter. Die müsse man erst mal sauber und im Winter warm halten können. Außerdem müssen wir mit dem Weingut mehr erwirtschaften als dafür allein nötig wäre, da wir die Burg erhalten müssen“, beschreibt Adelmann, wie er das alte Gebäude instand hält. (kaw)