Hat hier jemand etwas falsch verstanden? Die Aktion heißt eigentlich „100 Bäume in 10 Jahren“ und nicht „9 Gärtner für 1 Bäumchen“. Foto: Wohnungsbau Ludwigsburg

Wie so oft spielt Ludwigsburg mal wieder den Vorreiter in Sachen Luftreinhaltung: Nun will die Stadt 100 Bäume pflanzen – in zehn Jahren.

Ludwigsburg - Hat der Ludwigsburger Oberbürgermeister in seiner ersten Amtsperiode noch munter ein Leuchtturmprojekt nach dem anderen aus dem Hut gezaubert (die wenigsten davon wurden auch wirklich umgesetzt), so hat er sich in der zweiten auf eine andere Strategie verlegt: Er kultivierte sein persönliches Mantra, das da lautet „Wo ich bin, ist vorne“ und machte es – in leicht abgewandelter Form – zum inoffiziellen Motto der Stadt: „Wo Ludwigsburg ist, ist vorne“. Und zwar immer. Ganz gleich, worum es geht.

Das Magische daran: Man muss solche Sätze nur oft genug wiederholen, dann werden sie irgendwann auch wahr. Bei den Stadträten hat es jedenfalls gut funktioniert, inzwischen glaubt geschätzt die Hälfte bedingungslos daran, dass Ludwigsburg überall die Nase vorne hat. Wer nun meint, das alles gehöre ins Reich der Massenhypnose und habe absolut nichts mit der Realität zu tun, irrt. Die Barockstadt ist tatsächlich spitze. Ein Beispiel gefällig? Ludwigsburg gehört zur Elite der deutschen Luftverschmutzung! Na, wenn das nichts ist.

Hauptsache Vorreiterrolle!

Zum Leidwesen des OB aber gehören zu dieser Feinstaub-Avantgarde noch 13 weitere Städte. Spec musste erkennen, dass er trotz der beinahe täglichen Staus auf der A 81 und der B 27 nie und nimmer an Frankfurt, Stuttgart oder Hamburg vorbeiziehen kann, um sich allein an die Spitze zu setzen. Also hat er mal eben eine Vorreiterrolle rückwärts hingelegt: Jetzt soll Ludwigsburg plötzlich eine der saubersten Städte der Republik werden. Und damit das schon mal klar ist: In diesem Szenario kommt der Barockstadt die Vorreiterrolle nicht erst dann zu, wenn das Ziel erreicht ist. Schon auf dem Weg dahin wird sie praktisch täglich ihre Klasse beweisen.

Dafür nötig sind zuerst Trassen für die sagenhaften BRT-Busse. Damit aber nicht wieder eine andere Kommune Ludwigsburg den Rang abläuft – so geschehen mit der Brennstoffzellenbahn, die seit September in diesem doofen Bremervörde rumfährt – gibt es flankierende Maßnahmen: Etwa die grandiose Aktion „10 Bäume in 100 Jahren“, pardon: „100 Bäume in 10 Jahren“. Die ersten 10 Bäume sind auch schon gepflanzt worden. Aber das müssen wir den Ludwigsburgern natürlich nicht erzählen, die haben das längst aufgrund der deutlich verbesserten Luftqualität bemerkt.

Dem Gemeinderat aber reicht das noch nicht, in der jüngsten Sitzung ging es zu wie bei Sothebys: Das Gebot der FDP lautete auf „1000 Bäume in 10 Jahren“, was die Grünen natürlich unverzüglich überbieten mussten: Sie bestellten „5000 Bäume in 10 Jahren“. Bürger, die auch bei dieser lustigen Versteigerung mitmachen möchten, sind herzlich eingeladen.

Moos hat nur pausiert

Natürlich hat Ludwigsburg auch beim Moos die Nase vorn. Also bei diesen Miniflächen mit dem begnadeten Geflecht, das einfach alle Feinstäube dieser Welt aus der Luft filtern kann. Nun ja, der Test läuft noch an der Frankfurter Straße in Eglosheim. Und, ehrlich gesagt, wo grün war, ist jetzt braun. Das Moos sieht aus wie frisch verwest. Also wie in Stuttgart, wo man den naturbelassenen Dreckfilter schon im Frühjahr wieder abmontiert hat.

In Ludwigsburg aber denkt man nicht ans Aufgeben, hier hat man herausgefunden, dass die Pflanzen nicht tot sind, nein, sie „pausieren“ nur. Also wurde eine Wasserdusche installiert, um sie wieder aus dem „Sommerschlaf“ zu holen. Bei so viel Wunderglauben sind die Stuttgarter vor Neid ganz grün geworden: Auch die Mooswand am Neckartor soll jetzt schnell wieder zu neuem Leben erweckt werden.

Hand aufs Herz: Wer vermisst angesichts solch hochklassiger Aktionen noch die guten alten Leuchtturmprojekte der frühen Specer Jahre?