Christoph Schickhardt (links) mit Björn Bremer von Hannover 96 vor einer Verhandlung des DFB-Sportgerichts Foto: Getty

Der Countdown läuft. Am 12. Juni beginnt in Brasilien die Fußball-Weltmeisterschaft. In unserer Serie stellen wir bis zum Anpfiff eine ganz besondere Elf vor. Heute: der Rechts-Verteidiger.

Der Countdown läuft. Am 12. Juni beginnt in Brasilien die Fußball-Weltmeisterschaft. In unserer Serie stellen wir bis zum Anpfiff eine ganz besondere Elf vor. Heute: der Rechts-Verteidiger.

Ludwigsburg - Sein Büro ist wie er. Schwarz, weiß, geradlinig, schwäbisch unkompliziert. Und ohne die üblichen Devotionalien zum Beweis erfolgreicher Arbeit. Nichts deutet darauf hin, dass hier fast täglich taktische Strategien besprochen werden, die Deutschlands liebstes Spiel mit am Laufen halten.

Dabei könnte er sich im angestrengten Gespräch mit Joachim Löw zeigen. Bei der Vertragsunterzeichnung mit Armin Veh. Als streitbaren Geist vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Als Berater von Vereinen wie Bayern München, Borussia Mönchengladbach oder dem VfB Stuttgart. „Man soll die Dinge nicht überzeichnen“, sagt Christoph Schickhardt (59) bescheiden und legt entspannt die Beine übereinander.

Ob er es will oder nicht: Der Ludwigsburger Justiziar ist so etwas wie der Star unter den deutschen Sportrechtsanwälten. Und es wäre wahrscheinlich gelogen zu behaupten, dass dieser Status seinem Ego nicht auch ein bisschen schmeichelt. Doch zum Handwerk eines guten Rechtsvertreters zählt die Diskretion, weshalb der Hobby-Kicker von seinen Mandanten so gerne erzählt wie von seinem letzten verschossenen Elfmeter.

Hart am Mann, notfalls auch mit der Blutgrätsche

Was nicht bedeutet, dass sich der frühere Rechtsverteidiger in der A-Jugend der SpVgg 07 Ludwigsburg nicht dann und wann den Luxus einer öffentlich vertretenen Meinung erlaubt. Hart am Mann, notfalls auch mit der Blutgrätsche, versuchte er einst seinen Strafraum sauber zu halten. Nicht minder konsequent kämpft er seit Mitte der achtziger Jahre, um seinen Mandanten zu ihrem Recht zu verhelfen – meistens Fußballer, manchmal auch Boxer. Oft bis an die Grenzen des Erlaubten.

Dass der Advokat sein Jurastudium mit einer journalistischen Ausbildung bei den Stuttgarter Nachrichten anreicherte, war kein Fehler und hilft, die Mechanismen der Branche zu verstehen. „Das war knallhart, für mich aber die bestmögliche Schule. Das Handwerkszeug hilft mir bis heute“, sagt Schickhardt, „denn die Mediendichte im Profifußball ist so groß wie noch nie.“

Wenn ein Nationalspieler im Training in der Nase bohrt, interpretieren es am Tag darauf die Journalisten vom Boulevard, im Internet laufen die Videos rauf und runter – und im schlimmsten Fall kommentieren 80 Millionen Bundestrainer die Tat, die womöglich den Titel kostet. „Man muss die Kirche im Dorf lassen“, sagt der Anwalt, der bis heute in schätzungsweise 700 Verfahren vor dem DFB-Sportgericht aufgetreten ist.

Streitbar, aber nicht händelsüchtig, kommunikativ, aber nicht geschwätzig

Christoph Schickhardt kämpfte mit Vereinen wie dem 1. FC Kaiserslautern, Hertha BSC, Eintracht Frankfurt oder dem VfL Wolfsburg um die Lizenz. Er vertritt während der Saison fast jede Woche einen Helden, dessen Temperamentsausbruch der Schiedsrichter mit einer Roten Karte quittierte. Und er berät Unternehmen wie Nike oder Red Bull, wenn sie die Geldmaschine Profifußball für ihre Zwecke nutzen wollen.

Und fast immer kommt er als Ausputzer deshalb zum Einsatz, weil er streitbar, aber nicht händelsüchtig, kommunikativ, aber nicht geschwätzig, leidenschaftlich, aber nicht euphorisch an den richtigen Stellen die Strippen zieht. Dass er als Verteidiger aus Leidenschaft bisweilen auch Eigentore zu beklagen hat, streitet er erst gar nicht ab: „Wer als Anwalt behauptet, keine Niederlagen zu kennen, der lügt.“

Vor dem Oberlandesgericht faltete ihn vor Jahren der Vorsitzende Richter in messerscharfen Worten auf die Größe eines Taschentuchs zusammen. Der Prozess zwischen Schiedsrichter Michael Kempter und seinem früheren Förderer Manfred Amerell endete schließlich mit einem Vergleich. Dass Schickhardt als Rechtsbeistand von Kempter ein wenig vorlaut aufgetreten war, amüsierte zwar die Zuhörer, das Gericht dagegen reagierte ziemlich humorlos.

Derlei Misserfolge steckt er weg – weil es zu den Herausforderungen des Lebens gehört, aus ihnen zu lernen. „Niederlagen“, sagt Christoph Schickhardt, „sind ein natürlicher Bestandteil des sportlichen Wettbewerbs.“ Dann macht er ein ernstes Gesicht. „Das akzeptieren aber immer weniger Fans“, klagt der Anwalt, „weil der Fußball in seiner Bedeutung oft überhöht wird.“ Sponsoren und Investoren drängen unnachgiebig auf positiven Imagetransfer. Eltern und Berater halten 13-jährige Talente schon für kommende Weltstars.

"Es gibt aber 15 Mannschaften, die uns schlagen können"

„Mit solchen Übertreibungen des Geschäfts will ich nichts zu tun haben“, sagt Schickhardt – für den keineswegs selbstverständlich ist, dass die deutsche Elf als Weltmeister aus Brasilien heimkehrt. „Wenn unsere Mannschaft ins Kombinieren kommt, ist alles möglich“, sagte der Realist unter den Optimisten, „nüchtern betrachtet gibt es aber 15 Mannschaften, die uns schlagen können.“ Aber wer will das hören?

Weil die Rituale des Geschäfts mehr vom Gefühl als vom Verstand dominiert werden, rät er seinen Mandanten stets zu einer inneren Distanz, die ihnen die Furcht vor dem Scheitern nimmt. „Joachim Löw und Armin Veh zum Beispiel haben auch schon schwere Zeiten erlebt“, sagt der Ludwigsburger Anwalt, „diese Erfahrung hilft ihnen, mit den enormen Anforderungen an den Trainerberuf umzugehen.“ Entspannung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. „Die durchgängige Kommerzialisierung des Fußballs ist eine große Gefahr“, schwant Schickhardt, „dagegen müssen sich seine Protagonisten wehren. Der Sport muss immer das Wichtigste bleiben.“ Auch während einer Weltmeisterschaft.

„In Brasilien schlägt das Herz des Fußballs“, schwärmt der Hobby-Kicker, „ich bin sicher, dass wir wunderbare Momente erleben werden.“ Er ist nach wie vor überzeugt, dass es richtig war, die WM in das wirtschaftlich aufstrebende Land zu vergeben. „Der Fußball kann die sozialen Probleme nicht beheben, aber er kann mithelfen, sie zu lindern“, sagt Schickhardt – und bittet um Nachsicht. Er hat noch einen Termin. Die Liga macht Pause. Saison für ihn.